Page 26 - Taxikurier September 2021
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„Alte Wegbezeichnung.“ In der Sitzung des   schenkte 1065 ein Landgut des Dorfes   Anna­Dandler­Straße in Obermenzing
           Stadtrates vom 21. April 1938 wurde der   Großhadern (wahrscheinlich der heutige
           folgende Antrag vorgelesen: „Eine weitere   Heiglhof) dem Kloster Ebersberg; erste Er-  Mit Stadtratsbeschluss vom 22. April 1947
           Umbenennung wurde beantragt von den   wähnung von Großhadern.“ Im Protokoll   wurde die Frankenstraße zur Dandlerstraße:
           sämtlichen Bewohnern des Hieselschnei-  vom 19. Juni 1952 liest man nun aber:   „Verbindungsstraße zwischen Härtinger-
           derweges in Perlach. Es handelt sich hier   „Verbindungsstraße zwischen der Martins-  und Steffanistraße in Dandlerstraße – nach
           um eine alte Wegbezeichnung. Die Straße   rieder [entspricht seit 1967 der Marchioni-  Anna Dandler, Hof- und Kammerschauspie-
           wurde seinerzeit bei der Einverleibung   nistraße] und der Heiglhofstraße. Auf be-  lerin, gestorben 17.9.1930 in München,
             Perlachs im Jahre 1930 so bezeichnet.“ Als   sonderen Wunsch des Bezirksausschusses   benannt.“ Dies veranlasste etliche Anwoh-
           Begründung der Umbenennung führten die   Großhadern an Stelle von Immastraße:   ner zur Kritik, denn sie sahen sich durch
           Anwohner an: „Der Name Hieselschneider-    Josef-Hunger-Straße – nach dem im Jahre   ihre neue Adresse herabgewürdigt, ist doch
           weg ist ohne jeden Zweifel eine nicht nur   1945 verstorbenen Gemeinderatsmitglied   beispielsweise ein Autohändler etwas An-
           lächerliche, sondern auch wertmindernde   und langjährigen Ehrenvorstand der Sied-  deres als ein Autodandler. Das Protokoll
           Bezeichnung. Diese Straßenbezeichnung ist   lungsgesellschaft Großhadern Josef Hunger,  ebenfalls vom 19. Juni 1952 vermerkt:
           kaum richtig auszusprechen und wird noch   der sich um das Wohl der Gemeinde sehr   „Diese Bezeichnung, für sich, gibt zu Ver-
           viel häufiger unrichtig geschrieben. Die Be-  verdient gemacht hat.“ Doch hier hatte   wechslungen mit dem gleichlautenden
           zeichnung Hieselschneiderweg dient auch   man nicht mit dem Besitzer der Grundstü-    Gewerbezweig Anlass. Es ist deshalb not-
           keinesfalls dazu, die Wohngegend leicht zu   cke gerechnet, denn bereits am 24. Juni   wendig, die Bezeichnung in Anna-Dandler-
           finden; denn selbst die Großväter Perlachs   1952 heißt es im Protokoll: „Der Haupt-  Straße abzuändern.“
           kennen den Hieselschneiderhof nicht mehr,   ausschuss [des Stadtrates] hat in seiner
           aus dem die Wegbezeichnung hergeleitet   Sitzung vom 19.6.1952 den Vorschlag
           wurde. Außer diesen angeführten stichhal-  des  Bezirksausschusses auf Benennung in
           tigen Gründen wären noch manche aufzu-  Ludwig-Hunger-Straße nach dem im Jahr
           führen, um die Umbenennung zu rechtferti-  1945 verstorbenen Gemeinderatsmitglied
           gen.“ Der Stadtrat sah diese Argumentation  von Großhadern, Josef Hunger, zuge-
           zwar nicht ganz ein, aber: „Wenn auch die-  stimmt. Unmittelbar nach dieser Entschei-
           se Begründung an sich nicht gerade für   dung hat der Bezirksausschuss gebeten,
           eine Umbenennung spricht, so habe ich   von seinem Vorschlag Abstand zu nehmen,
           doch keine Einwendung gegen eine Um-  um zu vermeiden, dass durch diese Be-
           benennung.“ Einstimmig wurde der neue   zeichnung die von dem Großgrundbesitzer
           Name Ottweilerstraße genehmigt: „Ott-  Filser geförderte Wohnsiedlung, in der die-
           weiler, Stadt im Saargebiet, Rückkehr zum   ser Straßenzug verläuft, im Sprachgebrauch
           Deutschen Reich 1.3.1935.“ Das Saarland   mit dem Namen Hungersiedlung belegt
           unterstand nach dem Ersten Weltkrieg   werden könnte.“ Der genannte Großgrund-
           (1914–1918) seit 1919 als Mandatsgebiet   besitzer hatte mit Sicherheit nicht zu den
           dem Völkerbund und kam nach einer Volks-  Leidtragenden der Nachkriegszeit gehört –
           abstimmung am 1. März 1935 an das Deut-  aber das nur am Rande. Also verständigte
           sche Reich zurück. Insofern passte der   sich der Stadtrat doch auf die Immastraße,
           neue Name gut in das politische Konzept   die seit jenem 24. Juni 1952 besteht.   Eine kleine weitere Auswahl
           des Dritten Reiches, besser jedenfalls als
           der Hieselschneiderweg. Nach dem Zweiten   Es dauerte dann mehr als 40 Jahre, bis   Man wundert sich, dass sich in den Unter-
           Weltkrieg wurde die Erklärung entpolitisiert   schließlich am 25. Januar 1996 in Großha-  lagen keine Wünsche nach Umbenennung
           und neutralisiert zu: „Stadt im Saargebiet.“      dern doch noch eine Ludwig-Hunger-Straße   seitens der Anwohner finden für folgende
                                             entstand, denn inzwischen gehörten Hun-  Straßennamen, beziehungsweise, warum
                                             ger und Elend der ferneren Vergangenheit   sich die Entscheidungsträger für genau
           Immastraße und Ludwig­Hunger­     an und niemand mehr sah darin ein Prob-    diese Namen entschieden, obwohl es doch
           Straße in Großhadern              lem. Aber sie erinnert nun nicht mehr an   sicherlich auch andere gegeben hätte: die
                                             den Vater, sondern an den Sohn: „Ludwig   unhygienische Pickelstraße vom 6. Septem-
           Großhadern kam am 1. April 1938 nach   Hunger, geb. 31.01.1898 in Markt Schwa-  ber 1905 in Moosach; die lachhafte
           München. Nach dem Zweiten Weltkrieg   ben, gest. 16.01.1977 in München. Zusam-  Bummstraße vom 17. November 1927 in
           (1939–1945) herrschten in Deutschland   men mit seinem Vater gründete er 1919    Schwabing; die zornige Rumpelstilzchen-
           chaotische Verhältnisse mit weitverbreite-  in Großhadern die Siedlungsgesellschaft,   straße vom 14. August 1930 in Waldper-
           tem Hunger, allgemeinen Elend und einer   deren Vorstand er von 1929-1933 war. Vor   lach; die Prangerlstraße vom 22. April
           katastrophalen Wohnungsnot. Erst seit der   der Eingemeindung Großhaderns war er   1947, die davor idyllisch Gartenstraße
           Währungsreform von 1948 ging es langsam   Mitglied des Gemeinderates. 1922 gründete     geheißen hatte und seitdem nach einem
           wieder aufwärts und dies machte sich auch   er hier die Werkzeug- und Maschinenfabrik   Hofnarren benannt ist; die unangenehme
           auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar. So   Hunger. Von 1948–1955 war er Vorstand     Streberstraße vom 22. April 1947 in Allach,
           entstand etwa in Großhadern eine Neubau-  des Turnvereins Großhadern; unter seiner   bis dahin die technisch anspruchsvolle
           siedlung, für die der Stadtrat am 19. Juni   Leitung wurden Abteilungen, darunter   Zeppelinstraße; die brutale Killerstraße
           1952 den Straßennamen mit örtlichem Be-  Judo, gegründet.“ Die Straße verläuft in   vom 25. Oktober 1951 ebenfalls in Allach;
           zug „Immastraße“ vorschlug: „Imma, Edel-  der Nähe der besagten Fabrik an der Gräfel-  oder die unordentliche Struwelpeterstraße
           frau aus dem Fürstengeschlecht der Huosi,   finger Straße 146.      vom 25. Januar 1953 in Waldperlach. (BW)




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