Page 32 - Taxikurier Juli 2020
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WISSENSWERTES
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            ➔ GESUNDHEIT UND LÄRM













           Stress macht krank. Doch wodurch entsteht Stress? Neben vielen anderen Faktoren ist auch Lärm ein Stressfaktor.
           Was bewirkt Lärm tatsächlich – und was kann ich dagegen tun?


           Systematische Lärmminderung       Stressreaktionen und              te das Umweltbundesamt über 1.700 vor-
                                             Herz-Kreislauf-Erkrankungen       wiegend ältere Menschen aus Berlin. Die
           Straßen- und Schienenverkehr, Gewerbe-,                             Auswertung ergab, dass Menschen in lauten
           Industrie- und Baulärm, aber auch Freizeit-   Lärm ist ein Stressfaktor. Er aktiviert das   Wohngebieten häufiger wegen Bluthoch-
           und Nachbarschaftslärm:           autonome Nervensystem und das hormonel-  drucks in ärztlicher Behandlung waren als
                                             le System. Als Folge kommt es zu Verände-  diejenigen in weniger lärmbelasteten Ge-
           Lärm gehört zu den Umweltbelastungen,   rungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und   bieten. So hatten Menschen, die nachts
           die die Lebensqualität und das Wohlbefin-  anderen Kreislauffaktoren. Der Körper   vor ihrem Schlafzimmerfenster einen mitt-
           den gerade in Städten mit am meisten be-  schüttet vermehrt Stresshormone aus, die   leren Schallpegel von 55 dB(A) oder mehr
           einträchtigen. Hohe Lärmpegel sind aber   ihrerseits in Stoffwechselvorgänge des   hatten, ein fast doppelt so hohes Risiko,
           nicht nur eine Belästigung. Auf Dauer kön-    Körpers eingreifen. Die Kreislauf- und     wegen Bluthochdrucks in ärztlicher Be-
           nen sie auch zu gesundheitlichen Schäden   Stoffwechselregulierung wird weitgehend   handlung zu sein, als diejenigen, bei denen
           führen:  Schlafstörungen, Kopfschmerzen,   unbewusst über das autonome Nervensys-  der Pegel unter 50 dB(A) lag.
           Unlustgefühlen, Aggressionen sowie die   tem vermittelt. Die autonomen Reaktionen
           Minderung der körperlichen und geistigen   treten deshalb auch im Schlaf und bei Per-  Darüber hinaus zeigten sich statistische
           Leistungsfähigkeit bis hin zu Bluthoch-  sonen auf, die meinen, sich an Lärm ge-  Zusammenhänge zwischen der nächtlichen
           druck, der das Herzinfarktrisiko erhöht,   wöhnt zu haben. Zu den möglichen Lang-  Belastung durch Verkehrsgeräusche am
           sind stressbedingte Indikationen. Systema-  zeitfolgen chronischer Lärmbelastung   Wohnort und Beeinträchtigungen des Im-
           tische Lärmminderung ist daher auch in der   gehören neben Gehörschäden auch Ände-  munsystems und des Stoffwechsels. Im Ge-
           Landeshauptstadt München eine unumstrit-  rungen bei biologischen Risikofaktoren   gensatz zum nächtlichen Verkehrslärm wies
           tene Aufgabe für die kommunale Planung   (z. B. Blutfette, Blutzucker, Gerinnungsfak-  die Lärmbelastung am Tag einen weniger
           in Wohn- und Erholungsbereichen. Denn   toren). Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen   deutlichen Zusammenhang mit ärztlichen
           rund 70 Prozent der Bevölkerung fühlen   wie arterios klerotische Veränderungen („Ar-  Behandlungen der genannten Krankheiten
           sich durch häufigen oder andauernden Lärm  terienverkalkung”), Bluthochdruck und be-  auf. Die Häufigkeit ärztlicher Behandlungen
           gestört.                          stimmte Herzkrankheiten, einschließlich   psychischer Störungen hingegen zeigte
                                             Herzinfarkt, können durch Lärm verursacht     einen starken Zusammenhang mit der sub-
                                               werden.                         jektiv empfundenen Störung durch Lärm
           Höheres Herzinfarkt-Risiko                                          am Tag.

           Ergebnis einer Studie zum Zusammenhang   Höheres Risiko für Bluthochdruck  Die Forschungsergebnisse zeigen, dass der
           zwischen Umweltlärm und Herzinfarkt: Es                             menschliche Organismus während der
           gibt eine klare „Dosis-Wirkungs-Bezie-  Höheres Risiko für „Bluthochdruck-Men-  nächtlichen Ruhephase auf Lärm empfindli-
           hung”: Menschen in lauten Wohnungen   schen“, die nachts vor ihrem Schlafzimmer-  cher reagiert als in der aktiven Phase am
           (mit einem Tages-Mittelungspegel von über   fenster einen mittleren Schallpegel von   Tag. Außerdem wird deutlich, wie wichtig
           65 dB(A) außerhalb der Wohnung), haben   55 dB(A) oder mehr haben, haben ein fast   lärmmindernde Maßnahmen zum Schutz der
           ein um 20 bis 30 Prozent höheres Risiko,   doppelt so hohes Risiko, wegen Bluthoch-  Nachtruhe sind, um gesundheitliche Beein-
           einen Herzinfarkt zu erleiden, als Menschen   drucks in ärztlicher Behandlung zu sein,    trächtigungen zu vermeiden.
           aus ruhigeren Gebieten (Tages-Mittelungs-  als diejenigen, bei denen der Pegel unter
           pegel bis 60 dB(A)). Zu viel Schall – in   50 dB(A) liegt. (Quelle: UBA, Lärmwirkungen)
           Stärke und Dauer – kann nachhaltige ge-                             Schlafstörungen durch Lärm
           sundheitliche Beeinträchtigungen oder
           Schäden hervorrufen. Schall wirkt auf den   Zusammenhänge erforscht  Lärm beeinträchtigt auch den Schlaf. Dies
           gesamten Organismus, indem er körperliche                           äußert sich in einer veränderten Schlaf-
           Stressreaktionen auslöst. Dies kann schon   Im Forschungsprojekt „Epidemiologische   struktur, vermehrten Aufwachreaktionen
           bei niedrigeren, nicht-gehörschädigenden   Untersuchungen zum Einfluss von   sowie einer stärkeren Ausscheidung von
           Schallpegeln geschehen, zum Beispiel bei   Lärmstress auf das Immunsystem und die   Stresshormonen und erhöhten Risikofakto-
           Verkehrslärm.                     Entstehung von Arteriosklerose” untersuch-  ren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.




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