Page 30 - Taxikurier September 2020
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AUS DER PRAXIS
➔ GRUNDSATZFRAGE – PKW ODER TAXIBUS?
„Ein Taxi ist nie zu groß, aber oft zu klein“ … mit diesem Slogan wurden in München Anfang der 90er Jahre
die ersten „Taxibusse“ beworben. Damals stand die Mehrheit der Fuhrunternehmer dem Vorhaben sehr kritisch
gegenüber. Oft war zu hören, dass Großraumfahrzeuge den eigenen Markt schwächen, wenn der Kunde anstatt
zwei Taxis nur noch eines benötigt.
Heute, 30 Jahre später, sind Großraumfahrzeuge ein fester
Bestandteil in der Auftragsvermittlung und aus dem Taxigewerbe
nicht mehr wegzudenken. Etwa jedes zehnte Münchner Taxi kann
inzwischen mehr als vier Fahrgäste transportieren. Ohne diese
Fahrzeuge hätten einige Geschäftsfelder nicht erschlossen werden
können. Daher überlegen sich immer mehr Taxiunternehmer im
Zuge einer Neuanschaffung die normale Limousine durch ein Groß-
raumtaxi zu ersetzen. Dieser Schritt mag wohlüberlegt sein, denn
er bringt viele Vorteile, jedoch auch einige Nachteile mit sich.
Die Nachfrage am Markt ist groß. Sehr groß. Allein bei den von
der Taxi-München eG durchgeführten Schienen-Ersatzverkehren
(SEV) müssen häufig „normale“ Taxis eingesetzt werden, weil
nicht genügend Großraumfahrzeuge zur Verfügung stehen. Bei
Schülerfahrten und Zubringerdiensten für Reisebusunternehmen
verhält es sich ähnlich. Sowohl unsere Kunden als auch die Taxi-
zentrale würden einen höheren Anteil von „Taxibussen“ sehr be-
grüßen. Beispielsweise kann die Taxi-München eG den Wunsch
nach einem Großraumtaxi an einem Sonntagabend oft nicht er- istockphoto
füllen, da alle entsprechenden Fahrzeuge mit Buszubringer-Auf-
trägen beschäftigt sind. Auch während Messen und Events treten
immer wieder Versorgungsengpässe auf. Bedauerlich, denn hier
geht dem Taxigewerbe viel Potential verloren. vier Fahrgästen. Für ältere und kranke Menschen stellt die Ein-
stiegshöhe ein konkretes Problem dar. Teilweise kann Abhilfe mit
Voraussetzung für den erfolgreichen Fahrer eines Großraumtaxis einer fest installierten oder ausklappbaren Trittstufe geschaffen
ist körperliche und nervliche Belastbarkeit. Körperlich deshalb, werden, obwohl befürchtet wird, wegknicken oder stolpern zu
weil beim Befördern größerer Gruppen meist viel Gepäck zu be- können. Eine Ablehnung der Fahrzeuge ist die Folge. Selbstver-
und entladen ist. Die Ladevorgänge erfordern Engagement und ständlich gilt auch hier, dass der Fahrgast stets die freie Fahr-
oft Geschick, um alles im Taxi zu verstauen. Auch für den Trans- zeugwahl hat.
port von sperrigen Gütern wie TV-Geräten, Waschmaschinen oder
Matratzen wird tatkräftiges Zupacken verlangt. Die psychische Das Fazit aus all diesen Argumenten ist, dass das Auftragsange-
Belastbarkeit ist dann gefordert, wenn Gruppendynamik im Groß- bot für einen „Taxibus“ deutlich umfangreicher ist als für einen
raumtaxi den Lärmpegel im Taxi nach oben treibt und aus dem PKW mit weniger Sitzplätzen. Dementsprechend größer sind auch
Taxi ein Partybus wird. Schnell leidet darunter auch die Aufmerk- die zu erzielenden Umsatzerlöse mit dieser Fahrzeuggattung.
samkeit des Fahrers und damit die Verkehrssicherheit. Trotzdem sollte man sich auch der Schattenseiten bewusst sein
und die Entscheidung vor der Anschaffung reiflich überlegen.
Die Beförderung von Gruppen bis zu acht Personen ist für alle
Alters- und Einkommensschichten attraktiv. Von Schülern über Zu guter Letzt muss auch einmal klargestellt werden, dass in der
Studenten bis zu Seniorengruppen ist eine Taxifahrt als Gruppe Europäischen Union motorisierte Fahrzeuge im Straßenverkehr
erschwinglich. Das Beförderungsentgelt wird geteilt. Allein oder mit nicht mehr als neun Sitzplätzen als Personenkraftwagen
zu zweit ist die Belastung deutlich höher. Dagegen sehen sich (PKW) und Fahrzeuge mit mehr als neun Sitzplätzen als Kraftom-
Fahrer von Großraumfahrzeugen regelmäßig mit negativen Erfah- nibus, umgangssprachlich Bus, eingestuft sind. Der Begriff „Taxi-
rungen am Taxistand konfrontiert. Fahrgäste meiden den „Taxi- bus“ ist somit irreführend, da in Deutschland nur Fahrzeuge mit
bus“ in der falschen Annahme, dass eine einzelne Person nicht maximal neun Sitzplätzen, einschließlich Fahrer, als Taxi zugelas-
gerne befördert wird, oder dass ein Großraumfahrzeug im Taxi- sen werden können: „Verkehr mit Taxen ist die Beförderung von
verkehr grundsätzlich mehr kostet als ein PKW mit Platz bis zu Personen mit Personenkraftwagen …“ (§ 47 PBefG). (TK)
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