Page 32 - Taxikurier März 2020
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WISSENSWERTES
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➔ RECHTS- ODER LINKSVERKEHR?
Entwicklungen im Straßenverkehr
Von 221 Staaten der Erde gilt in 59 Ländern Linksverkehr. Für 2,34 Milliarden Menschen ist es also völlig normal, auf der linken
Seite der Straße zu fahren. Historisch ist wohl gesichert, dass sich die großen Kulturvölker seit je her des Linksverkehrs bedienten.
So fanden 1998 Archäologen eine römische Straße, die aus dem Steinbruch bei Blunsdon Ridge nahe Swindon in Mittelengland
führte, eindeutige Beweise dafür, dass die beladenen Wagen auf der linken Seite der Straße aus dem Steinbruch hinaus fuhren.
Wissenschaftler streiten zwar bis heute, warum wir uns ursprünglich für den Linksverkehr entschieden haben, einige Erklärungs-
ansätze sind aber durchaus nachvollziehbar.
Da der Mensch kein friedliches Wesen ist Straßen, denn die Militärkonvois bedienten geprägt wurde und notwendige Umbaumaß-
und daher Angriff und Verteidigung von je sich der rechten Seite der Straßen. Wenn nahmen in Zeiten der Rezession unbezahl-
her unser Überleben bestimmt haben, war nun zivile Gespanne und Reiter dies nicht bar waren, wurde der Beschluss nur sehr
die waffenführende Seite, bei den meisten ebenso täten, wären Unfälle und Chaos die zögernd umgesetzt. Das Chaos nahm seinen
Menschen rechts, dem Gegner zugewandt. Folge gewesen. Nach der napoleonischen Lauf. Der zunehmende Autoverkehr machte
Niederlage behielten viele Staaten Europas die Situation auf Österreichs Straßen noch
Egal ob Keule, Säbel, Degen oder Feuer- den Rechtsverkehr bei, aber bei Weitem unfallträchtiger. Mit dem sogenannten
waffe, meist hingen diese an der linken nicht alle. Die Staaten der Donaumonarchie „Anschluss“ an Nazi-Deutschland endete
Seite des Trägers und konnten so mit der stellten sofort nach Abzug der feindlichen die politische Diskussion um die richtige
rechten Hand gezogen und geführt werden. Truppen wieder auf Linksverkehr um, aber Seite auf den Straßen. Die deutschen Be-
Ob in römischer Zeit oder dem Mittelalter, nicht im gesamten Hoheitsgebiet. So ist es satzer setzten das Rechtsfahrgebot auch
das Pferd war das bevorzugte Trage- bzw. zu erklären, dass dieses stolze Alpenland in der Tschechoslowakei und Ungarn durch.
Reittier. Bestieg nun der Reiter das Pferd, erst mit dem Einzug von Adolf Hitler ge- Da auch die Sowjetunion rechts auf ihren
so wurde mit dem linken Fuß zuerst in den zwungener Maßen sich dem Rechtsverkehr Straßen fuhr, wurde dies auch nach dem
Steigbügel getreten. So war die Waffe nicht zuwandte. Aber wie die Österreicher so sind 2. Weltkrieg nicht mehr geändert.
im Weg und auch das Tier wurde nicht ver- und wie wir sie kennen und lieben, wurde
letzt. Um diese Bewegung auszuführen, auch dies nicht ganz ernst genommen, was Heute gibt es den Linksverkehr hauptsäch-
muss das Pferd mit dem Kopf links vom zu einigen Kuriositäten führte. lich in Staaten, die britischen Kolonien
Reiter stehen. Würde dieser nun in einen waren. Dazu gehören auch Indien und
Rechtsverkehr einscheren müssen, würde Nach der napoleonischen Niederlage durf- Australien. Die Rolle als Kolonialherren
dies eine 180°-Wende für Pferd und Reiter ten die Grenzgebiete wie Vorarlberg und übernahmen im ostasiatischen Raum die
bedeuten. Bis heute hat sich bei Reitern Tirol den Rechtsverkehr beibehalten. An Japaner, die bis heute am Linksverkehr
das Aufsteigen von links auf den geliebten der Landesgrenze Tirols musste also der festhalten. Die Gebiete, die von Japan
Vierbeiner erhalten. Gespannführer die Straßenseite wechseln, besetzt wurden oder unter japanischem
um sich regelgerecht im Salzburger Land zu Einfluss im Verlauf des 2. Weltkrieges ka-
Erst der Expansionsdrang Napoleon Bona- bewegen. Die Gebiete Dalamtien, Triest, men, ordneten sich den Machthabern unter.
partes führte zum Wechsel auf Rechtsver- Istrien, Görz und Kärnten durften ebenfalls Je nachdem, wer vor, während oder nach
kehr. In Frankreich war es üblich, dass sich bis 1914 ihren Rechtsverkehr beibehalten. dem Krieg Einfluss hatte, dessen Verkehrs-
Fußgänger rechts und Wagen links hielten. In diesem Jahr rang sich die K.u.K. Monar- leitlinien wurden übernommen.
Mit der französischen Revolution änderte chie zu einer Vereinheitlichung durch und
sich das grundlegend. Robespierres setzte entschied sich für das Linksfahren und Rei- Kanada, als ehemalige britische Kolonie,
durch, dass alle, auch Gespanne, Wagen ten. Wieder erhielt Vorarlberg aus Rücksicht führte flächendeckend 1947 den Rechtsver-
und Reiter nun auch die rechte Seite der auf die Grenze eine Ausnahmeregelung. Da- kehr ein, da einige Bundesstaaten, die ehe-
Straße benutzen müssen. Dies war sicher- mit ergab sich zum Ende des Ersten Welt- mals französisch waren, nie Linksverkehr
lich auch eine politische Geste, die die krieges die Situation in Europa, dass der hatten und die USA nach der Unabhängig-
Gleichheit aller unterstreichen sollte und Westen rechts fuhr und der Osten links. In keit nach und nach in ihren Bundesstaaten
die Fußgänger, an denen er sich orientier- den Nachkriegswirren entschieden sich im- rechts fuhren, auch um sich von den ver-
te, das gemeine Volk verkörperte. Als mer mehr Staaten für den Rechtsverkehr hassten Engländern abzugrenzen. Erst 1967
Napoleon einige Jahre später große Teile und so geriet auch das österreichische Par- entschied sich Schweden, den Rechtsver-
Europas unter seine Herrschaft brachte, lament unter Zugzwang. 1929 rang sich kehr einzuführen. Trotz der engen Bindun-
mussten die besiegten Nationen den das Parlament zu einem Grundsatzbeschluss gen an die Nachbarländer Norwegen und
Rechtsverkehr übernehmen. Diese Maß- für die „rechte Seite“ durch. Da aber die Finnland, in denen Rechtsverkehr herrschte,
nahme diente auch der Sicherheit auf den Hauptstadt Wien von ihren Straßenbahnen konnten sich die Schweden sehr schwer
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