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STADTKUNDE MÜNCHEN
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➔ BOTANISCHE GÄRTEN
Zwei grüne Oasen in München
Die Stadtverwaltung strebt bei der Vergabe von benachbarten Straßenbenennungen gehüllte Theresienwiese besuchen, so wird
nach thematischer Verwandtschaft, bei spiels weise im Viertel der Kriegsherren in der das ganze Ausmaß der Verschmutzung
Maxvorstadt mit seinen Straßen, die an Tilly, Wrede, Pappenheim, Deroy, Pranck oder klar.“ Damals herrschte die später verklärte,
gleich an den römischen Kriegsgott Mars erinnern. Nicht immer wollte dies aber „gute“, alte Zeit, und der „Märchenkönig“
gelingen, wie man etwa am Wittels bacher platz und der Wittelsbacherstraße, am Ludwig II. (1845–1886) regierte das Kö-
Maximiliansplatz und der Maxi milianstraße oder am Max-Joseph-Platz und der Max- nigreich Bayern. Statt in seiner Haupt- und
Joseph- Straße sieht. Glücklicherweise haben wir zwar die Ludwigstraße, nicht aber Residenzstadt hielt er sich vielleicht auch
einen Ludwigsplatz. Beim Alten Botanischen Garten, ebenfalls in der Maxvorstadt, aus diesem Grund lieber in der Einsamkeit
und dem Neuen Botanischen Garten in Nymphenburg verhält es sich ähnlich: seiner Traumwelt in den Bergen oder auf
Sie liegen nicht in geographischer Nachbarschaft, sondern weit voneinander ent- der Roseninsel im Starnberger See auf. Das
fernt. Und trotzdem werden sie oft miteinander verwechselt. „Bayerische Industrie- und Gewerbeblatt“
veröffentlichte 1887 einen Beitrag über
„Schweflige Säure und Schwefelsäure im
Alter Botanischer Garten, Elisenstraße in Richtung Westen. Mit der Eisenbahn Schnee.“ Darin hieß es, dass innerhalb der
gewann die Industrialisierung immer mehr Stadt München die meisten Nadelbäume
Auf einer Fläche von rund vier Hektar ent- an Fahrt und mit ihr die Nutzung der Koh- wegen der schwefligen Säure des Steinkoh-
stand zwischen 1804 und 1812 der (mitt- le. Im Jahr 1874 beispielsweise berichteten lenrauchs abgestorben, während die Laub-
lerweile Alte) Botanische Garten auf Befehl die „Münchner Neuesten Nachrichten“ über bäume widerstandsfähiger seien. Dies hän-
von König Max Joseph I. (1756–1825, Max- die Zustände in der Stadt: „In immer wei- ge damit zusammen, dass sie im Winter,
Joseph-Platz benannt 1805, Max-Joseph- terem Umkreise um unsere Stadt weichen wenn durch die Heizungen die Luftvergif-
Straße von 1807) nach den Plänen von die Wälder der fortschreitenden Kultur, mit tung besonders stark sei, keine Blätter trü-
Friedrich von Sckell (1750–1823, Sckell- ihnen aber auch die Spender und Erzeuger gen und das Gift nicht eindringen könne.
straße von 1876). Zum Stachus hin hat des belebenden Sauerstoffes, und an ihre
sich ein Portal erhalten, das auf Lateinisch Stelle wachsen immer mehr Schlote empor,
folgenden Satz des Dichterfürsten Johann die ihren erstickenden, größtenteils aus Luftverschmutzung und Flechten
von Goethe (1749–1832, Goethestraße von Kohlenstoff gebildeten Qualm in die Stra-
1865, Goetheplatz von 1876) trägt: „Der ßen der Stadt und ihrer Vorstädte nieder- Seit 1891 werden in München Moose und
Blumen über den Erdkreis zerstreute Gat- senden. Wenn wir etwa mit der Bahn Flechten als Umweltindikatoren beobachtet
tungen auf Geheiß des Königs Maximilian an gefahren kommen und halb betäubt und in Spezialkarten eingezeichnet. Der
Joseph 1812 [sind] hier vereint.“ Damit nicht schnell genug den vom Dampfrosse Botaniker Ferdinand Arnold (1824–1901),
waren Zweck und Ziel eines jeden botani- niederwirbelnden Rauchwolken entfliehen ein Pionier der diesbezüglichen Forschung,
schen Gartens zusammengefasst: Möglichst können, oder die von benachbarten Fabrik- schrieb um die Jahrhundertwende, dass „es
viele Pflanzen aus der gesamten Welt zu schloten in Rauch gehüllte Schwan thaler- an den Bäumen des Sendlinger-Tor-Platzes
erwerben, zu pflegen, Forschung zu ermög- straße durchwandern, oder die in Nebel durch die Sonnenstraße sowie im Hofgarten
lichen und ihren Bestand für die Zukunft
zu sichern.
Katastrophale Luftverschmutzung
Seit der Eröffnung des Botanischen Gartens
1812 wuchs die Zahl der Bewohner Mün-
chens in atemberaubendem Tempo. Man ar-
beitete, kochte und heizte mit Holz, Torf
und in zunehmendem Maße auch mit der
stark schwefelhaltiger Kohle aus den ober-
bayerischen Bergwerken in Hausham, Penz-
berg, Großweil (hier auch im Tagebau),
Peißenberg und Peiting. Seit 1839 verkehr-
ten dann die ersten, von Kohle angetriebe-
nen Züge vom jetzigen Hauptbahnhof aus
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