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STADTKUNDE MÜNCHEN
Fotos: istockphoto
➔ SCHWABING
Vom Dorf zum Stadtteil
Bis zum Jahr 1890 lag die Stadtgrenze Münchens nördlich der Georgenstraße und dem Siegestor, das als symbolisches Stadttor
1852 fertig gestellt wurde. Es sollte ebenso symbolisch die bayerische Armee in der königlichen Haupt- und Residenzstadt
willkommen heißen, wenn diese aus der Reichsfestung Ingolstadt kommend nach München marschiert kam. Die Ingolstädter
Straße erinnert heute noch daran. Doch bereits 1867 nahm die Bahnstrecke München-Ingolstadt den Verkehr auf und die Truppen-
bewegungen begannen und endeten an den verschiedenen Bahnhöfen.
Schwabing 1944 durch Bomben zerstört; das benach-
barte Neue Schloss Biederstein, errichtet
Zuerst um das Jahr 780 als Suuapinga, das 1830 und 1934 abgerissen; ein Adelssitz der
heißt „Dorf des Swapo“, urkundlich erwähnt, Familie Gohren, erbaut 1793 und erhalten
ist Schwabing wie alle nach München einge- (Gohrenstraße von 1961) an der Biederstei-
meindeten Ortschaften erheblich älter als ner Straße 19; ein Schloss im heutigen
München selbst, das erst 1158 zur Stadt Leopoldpark mit der Adresse Leopoldstraße
wurde. Die Gemeindebildung des Jahres 11–15, erbaut 1847 und 1935 abgerissen, in
1818 führte dann zum Zusammenschluss dem seit ihrer Hochzeit im Jahr 1873 Prinz
von Schwabing, der Hirschau, Biederstein Leopold (1846–1930) und Prinzessin Gisela
und Riesenfeld, das beim jetzigen Kölner (1856–1932) lebten – daher die beiden
Platz lag, zu einer einzigen Gemeinde. Straßenbenennungen.
Der Ortskern lag westlich der Kirche Sankt
Sylvester, die früher der heiligen Ursula ge-
weiht war, an der Biedersteiner Straße 1a, Die Kirche
doch dazu später. Die einsetzende Bautätig-
keit auf beiden Seiten der Leopoldstraße Über dem ehemaligen westlichen Isar-Ufer-
führte am 1. Januar 1887 zur Erhebung rand liegt an der Biedersteiner Straße 1a
Schwabings zur Stadt und diese junge Stadt auf einer hochwassersicheren Anhöhe die
wurde bereits am 20. November 1890 nach Schwabinger Dorfkirche, die vermutlich seit
München eingemeindet. Bestehen des Ortes existiert. Erstmals 1315
Ost.“ Der kreuzende Zaunweg, ebenfalls von urkundlich erwähnt und mehrfach außen
1952, wird erklärt mit: „Abgeleitet vom und innen umgebaut, war sie der heiligen
Das Gebiet ,Schwabinger Zaun’; hier endete im Osten Ursula geweiht. Das starke Anwachsen der
die Schwabinger Viehweide, die durch einen Bevölkerung Schwabings seit dem Ende des
Das alte Dorf Schwabing lag beim Wedekind- Zaun eingefriedet war entlang der Westseite 19. Jahrhunderts machte den Bau einer gro-
platz am Abhang zum Englischen Garten der heutigen Ungererstraße.“ ßen katholischen Kirche notwendig, die be-
hin, der früher zum Fließgebiet der Isar ge- reits 1897 am Kaiserplatz eingeweiht wurde
hörte, und den man heute noch am Abfallen und ebenfalls nach der heiligen Ursula be-
der Straßen in Richtung Osten erkennen Die Menschen nannt wurde. Erst seit dem Jahr 1921 steht
kann. Das Gebiet der Gemeinde erstreckte die alte Kirche nunmehr unter dem Schutz
sich vom Olympiagelände bis zum Engli- Die Menschen in Schwabing lebten haupt- des heiligen Sylvester und wird in der Liste
schen Garten. Die südliche Grenze lag etwas sächlich vom Fischfang und von der der Baudenkmäler geführt. Diese dörfliche
nördlich des scheinbar unmotivierten Na- Milchwirtschaft. Der bayerische Adel ent- Kirche und ihr idyllischer, ehemaliger Fried-
menswechsels von der Ludwigstraße zur deckte die Örtlichkeit als Rückzugsort vom hof inmitten der heutigen Großstadt sind
Leopoldstraße und im Norden zu Freimann höfischen Treiben in der Hauptstadt und immer einen Besuch wert. An der Außen-
dort, wo die Leopoldstraße in die Ingolstäd- ließ sich am Ortsrand kleine Schlösser er- wand findet man die Gräber der Familie von
ter Straße übergeht, entlang der Domagk- richten: Schloss Suresnes an der heutigen Gohren und erhält einen Eindruck vom ver-
und Crailsheimstraße. An der Domagkstraße Werneckstraße 24 entstand 1718 und wurde gangenen dörflichen Leben. Beispielsweise
liegt seit 1952 der unscheinbare Marchgra- etwas hochtrabend nach einem gleichnami- wird erinnert an Ökonomens-Eheleute, eine
benplatz, zu dem es in den Akten heißt: gen Anwesen beim französischen Versailles Milchmanns-Ehegattin, einen Wirt vom
„Der ,Marchgraben’ schied früher die Flur- benannt; das Alte Schloss Biederstein an der Milchhäusl sowie den Gast- und Tafernwirt
mark Schwabing von Freimann; er verlief in Biedersteiner Straße / Ecke Mannlichstraße, vom Milchhäusl, ein Bäckermeisters-Ehepaar
der Nähe der Alten Heide von West nach Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet und oder einen Metzgerssohn.
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