Page 28 - Taxikurier Juni 2020
P. 28

STADTKUNDE MÜNCHEN
                                                                                                                      Fotos: istockphoto




            ➔ SCHWABING


           Vom Dorf zum Stadtteil









           Bis zum Jahr 1890 lag die Stadtgrenze Münchens nördlich der Georgenstraße und dem Siegestor, das als symbolisches Stadttor
           1852 fertig gestellt wurde. Es sollte ebenso symbolisch die bayerische Armee in der königlichen Haupt- und Residenzstadt
             willkommen heißen, wenn diese aus der Reichsfestung Ingolstadt kommend nach München marschiert kam. Die Ingolstädter
           Straße erinnert heute noch daran. Doch bereits 1867 nahm die Bahnstrecke München-Ingolstadt den Verkehr auf und die Truppen-
           bewegungen begannen und endeten an den verschiedenen Bahnhöfen.


           Schwabing                                                           1944 durch Bomben zerstört; das benach-
                                                                               barte Neue Schloss Biederstein, errichtet
           Zuerst um das Jahr 780 als Suuapinga, das                           1830 und 1934 abgerissen; ein Adelssitz der
           heißt „Dorf des Swapo“, urkundlich erwähnt,                         Familie Gohren, erbaut 1793 und erhalten
           ist Schwabing wie alle nach München einge-                          (Gohrenstraße von 1961) an der Biederstei-
           meindeten Ortschaften erheblich älter als                           ner Straße 19; ein Schloss im heutigen
           München selbst, das erst 1158 zur Stadt                               Leopoldpark mit der Adresse Leopoldstraße
           wurde. Die Gemeindebildung des Jahres                               11–15, erbaut 1847 und 1935 abgerissen, in
           1818 führte dann zum Zusammenschluss                                dem seit ihrer Hochzeit im Jahr 1873 Prinz
           von Schwabing, der Hirschau, Biederstein                            Leopold (1846–1930) und Prinzessin Gisela
           und Riesenfeld, das beim jetzigen Kölner                            (1856–1932) lebten – daher die beiden
           Platz lag, zu einer einzigen Gemeinde.                              Straßenbenennungen.
           Der Ortskern lag westlich der Kirche Sankt
           Sylvester, die früher der heiligen Ursula ge-
           weiht war, an der Biedersteiner Straße 1a,                          Die Kirche
           doch dazu später. Die einsetzende Bautätig-
           keit auf beiden Seiten der Leopoldstraße                            Über dem ehemaligen westlichen Isar-Ufer-
           führte am 1. Januar 1887 zur Erhebung                               rand liegt an der Biedersteiner Straße 1a
           Schwabings zur Stadt und diese junge Stadt                          auf einer hochwassersicheren Anhöhe die
           wurde bereits am 20. November 1890 nach                             Schwabinger Dorfkirche, die vermutlich seit
           München eingemeindet.                                               Bestehen des Ortes existiert. Erstmals 1315
                                             Ost.“ Der kreuzende Zaunweg, ebenfalls von   urkundlich erwähnt und mehrfach außen
                                             1952, wird erklärt mit: „Abgeleitet vom   und innen umgebaut, war sie der heiligen
           Das Gebiet                        ,Schwabinger Zaun’; hier endete im Osten   Ursula geweiht. Das starke Anwachsen der
                                             die Schwabinger Viehweide, die durch einen   Bevölkerung Schwabings seit dem Ende des
           Das alte Dorf Schwabing lag beim Wedekind-  Zaun eingefriedet war entlang der Westseite   19. Jahrhunderts machte den Bau einer gro-
           platz am Abhang zum Englischen Garten   der heutigen Ungererstraße.“   ßen katholischen Kirche notwendig, die be-
           hin, der früher zum Fließgebiet der Isar ge-                        reits 1897 am Kaiserplatz eingeweiht wurde
           hörte, und den man heute noch am Abfallen                           und ebenfalls nach der heiligen Ursula be-
           der Straßen in Richtung Osten erkennen   Die Menschen               nannt wurde. Erst seit dem Jahr 1921 steht
           kann. Das Gebiet der Gemeinde erstreckte                            die alte Kirche nunmehr unter dem Schutz
           sich vom Olympiagelände bis zum Engli-  Die Menschen in Schwabing lebten haupt-  des heiligen Sylvester und wird in der Liste
           schen Garten. Die südliche Grenze lag etwas   sächlich vom Fischfang und von der   der Baudenkmäler geführt. Diese dörfliche
           nördlich des scheinbar unmotivierten Na-  Milchwirtschaft. Der bayerische Adel ent-  Kirche und ihr idyllischer, ehemaliger Fried-
           menswechsels von der Ludwigstraße zur   deckte die Örtlichkeit als Rückzugsort vom   hof inmitten der heutigen Großstadt sind
             Leopoldstraße und im Norden zu Freimann   höfischen Treiben in der Hauptstadt und   immer einen Besuch wert. An der Außen-
           dort, wo die Leopoldstraße in die Ingolstäd-  ließ sich am Ortsrand kleine Schlösser er-  wand findet man die Gräber der Familie von
           ter Straße übergeht, entlang der Domagk-   richten: Schloss Suresnes an der heutigen   Gohren und erhält einen Eindruck vom ver-
           und Crailsheimstraße. An der Domagkstraße   Werneckstraße 24 entstand 1718 und wurde   gangenen dörflichen Leben. Beispielsweise
           liegt seit 1952 der unscheinbare Marchgra-  etwas hochtrabend nach einem gleichnami-  wird erinnert an Ökonomens-Eheleute, eine
           benplatz, zu dem es in den Akten heißt:   gen Anwesen beim französischen Versailles   Milchmanns-Ehegattin, einen Wirt vom
           „Der ,Marchgraben’ schied früher die Flur-  benannt; das Alte Schloss Biederstein an der  Milchhäusl sowie den Gast- und Tafernwirt
           mark Schwabing von Freimann; er verlief in   Biedersteiner Straße / Ecke Mannlichstraße,   vom Milchhäusl, ein Bäckermeisters-Ehepaar
           der Nähe der Alten Heide von West nach   Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet und   oder einen Metzgerssohn.




           28 ⁄ TAXIKURIER ⁄ JUNI 2020
   23   24   25   26   27   28   29   30   31   32