Page 27 - Taxikurier Januar 2021
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zwischen Freimann und dem Harras geben werde gesperrt sein, er werde über den das Jahr 2000, von dem wir heute ebenso
werde. Mindestens eine weitere Nord-Süd- 70 Meter breiten Altstadtring mit seinen weit entfernt sind wie vom Jahr 1930, ist
Verbindung werde sich im Bau befinden. acht Fahrspuren fließen, wo sich eine eher noch schwieriger. Mit diesem Vorbe-
Hinsichtlich des Straßenverkehrs glaubte Reihe von Parkhäusern befinden werde. Die halt möchte ich über das München des
er, der voll ausgebaute Altstadtring und der Altstadt sei den Fußgängern vorbehalten, Jahres 2000 folgendes sagen.“ So viel lasse
lückenlose Mittlere Ring sowie Innenstadt- das Massenverkehrsmittel auf dem Altstadt- sich aber mit einiger Wahrscheinlichkeit
tangenten würden die Innenstadt vom ring sei der Bus. Der Mittlere und der sehr wohl vorhersagen: München werde
Verkehr entlasten und „Reservate“ für Äußere Ring wiesen dann ebenfalls jeweils 1,5 Millionen Einwohner haben, der Groß-
Fußgänger ermöglichen. Auf den großen acht Fahrspuren auf. Schnellstraßenbahnen raum 2,5 Millionen. Der Berufsverkehr
Hauptverkehrsstraßen werde der Verkehr würden von den Großsiedlungen rund um werde einigermaßen reibungslos durch die
dann elektronisch gesteuert. Weiterhin die Stadt zum Mittleren Ring führen. Paral- Vorortsnetze der Bundesbahn, die sich
prophezeite Luther: Die Mehrheit der Ar- lel zu diesem würde außerdem eine Hoch- zwischen Hauptbahnhof und Ostbahnhof
beitnehmer werde im Dienstleistungsbe- bahn den Personenverkehr aufnehmen. bündelten, abgewickelt werden. Dazu
reich tätig sein, im neuen Stadtteil Perlach kämen noch zwei, wenn nicht sogar drei
werden 60.000 bis 70.000 Menschen leben, U-Bahn-Strecken, die in den Außenbezir-
aber der für den Wohnungsbau benötigte Karl-Heinz Schaechterle (1879–1971) ken durch Straßenbahn- und Buslinien
Grund und Boden werde fast aufgezehrt ergänzt würden. Für den Individualverkehr
sein. Dennoch werde die Bautätigkeit in Der Bauingenieur und Verkehrsplaner Karl- stünden kreuzungsfreie Ringe und ausge-
der inneren Stadt nicht erlahmen, da im- Heinz Schaechterle aus Stuttgart sah für baute Ein- und Ausfallstraßen zur Ver-
mer wieder Erneuerungen nötig würden. das Jahr 2000 eine fast vollständige Moto- fügung. Innerhalb des Altstadtringes exis-
Man werde den Wert großer zusammenhän- risierung der Bevölkerung voraus. Auf diese tierten dann große Fußgängerzonen und
gender Grünflächen zur Gesunderhaltung Tendenz werde die Stadtverwaltung mit Parkgaragen mit 10.000 Stellplätzen. Eine
der versteinerten Stadt mehr und mehr zu einem verstärkten Ausbau des Schnellstra- zweite Universität und eine Fülle zusätzli-
schätzen wissen. Einen Beitrag zur Rein- ßennetzes antworten. Gleichzeitig sei das cher Forschungs- und Bildungseinrichtun-
haltung der Luft werde ein modernes Atom- Funktionieren des Großraumes München gen würden in der Stadt entstanden sein.
kraftwerk leisten. Ein Kongress- und Kul- von einem Schnellbahnnetz abhängig, das Der Oberbürgermeister schloss seine Pro-
turzentrum werde auf dem Gasteig stehen bereits existiere, als S-Bahn-System aller- phezeiung mit einer Erwartung, bei der er
und eine städtebauliche Dominante bilden. dings erst acht Jahre später, nämlich seit auf gar keinen Fall falsch liegen konnte:
Die Stadt Garching mit ihren wissenschaft- 1972. Im Stadtzentrum selbst werde sich „München wird ein kulturelles Zentrum und
lichen Instituten und der Technischen Uni- eine weitgehende Erneuerung durchsetzen: ein Treffpunkt Europas sein. Es wird sich
versität werde bald an das U-Bahn-Netz Neue Geschäftshäuser mit modernen, wie stets in seiner Geschichte dem Neuen
angeschlossen sein. Und: Man werde sich zweckdienlichen Fassaden hätten bis 2000 öffnen und das Alte bewahren.“
an das Großstadium auf dem Oberwiesen- den Altbaubestand ersetzt. Hierzu ist zu
feld gewöhnt haben, das dann tatsächlich bemerken, dass das Bayerische Denkmal-
ab 1968 als Olympiastadion errichtet wur- schutzgesetz erst seit 1973 verhindert, Von 2000 bis heute
de. Im Übrigen glaubte der Experte, dass dass Gebäude mit erhaltenswerter Fassade
München trotz seines dynamischen Wachs- bedenkenlos abgerissen werden können. Und wie sieht München jetzt, zwanzig Jah-
tums auch im Jahr 2000 keine Stadtma- re später, aus? Inwiefern hatten die promi-
schine, sondern immer noch das vom Geis- nenten Propheten Recht oder Unrecht? Die
tigen, Künstlerischen und menschlich Hans-Jochen Vogel (1926–2020) Beurteilung dieser Fragen sei allen privat
Beseelten „München“ sein werde. überlassen. Der deutsche Schriftsteller
Der Oberbürgermeister der Jahre 1960 bis Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832,
1972, Hans-Jochen Vogel, war sich der Ge- Goethestraße von 1865, Goetheplatz von
Karl Meitinger (1882–1970) fahr der ihm von der Süddeutschen Zeitung 1876) hatte pessimistisch gefordert: „Lass’
gestellten Aufgabe bewusst, weshalb er zu- die Vergangenheit vergangen sein!“ Wäh-
Der ehemalige Stadtbaurat Karl Meitinger erst einmal klarstellte: „Wer von uns könn- rend der chinesische Philosoph Konfuzius
meinte, die U-Bahn habe im Jahr 2000 den te sagen, er habe schon im Jahre 1930 (551–479 vor Christus) viel optimistischer
hauptsächlichen Personenverkehr übernom- eine zutreffende Vorstellung vom heutigen meinte: „Erzähle mir die Vergangenheit und
men. Der Autoverkehr durch die Altstadt München gehabt? Nun, eine Voraussage für ich werde die Zukunft erkennen.“ (BW)
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