Page 17 - Taxikurier Mai 2021
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Anhörungsbogen im Ordnungswidrigkeitenverfahren    gaben mit einem Freund gewettet, dass er sich nicht erneut von
            und Fahrtenbuchanordnung kann an GbR als Fahrzeug-  der Polizei anhalten lassen würde, nachdem er schon einige Tage
            halterin gerichtet werden                         zuvor kontrolliert worden war. Der Angeklagte fuhr deshalb mit
                                                              hoher Geschwindigkeit durch den Ort davon. Obwohl der Strei-
                                                              fenwagen bis auf 130 km/h beschleunigte und Anhaltesignale
            GbR muss Weiterleitung an verantwortliche         gab, mussten die Beamten schließlich die Verfolgung abbrechen,
            Person  sicherstellen                             um keine unbeteiligten Dritten zu gefährden. Kurze Zeit darauf
                                                              konnten die Beamten jedoch das Fahrzeug und damit auch den
            Der Anhörungsbogen in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren   Angeklagten ausfindig machen und ihn zur Rede stellen.
            und die Fahrtenbuchanordnung kann an die Gesellschaft des bür-
            gerlichen Rechts (GbR) als Fahrzeughalterin gerichtet werden.    Die Staatsanwaltschaft erhob aufgrund seiner Flucht Anklage ge-
            Es ist Sache der Gesellschaft, an ihren Geschäftssitz gerichtete   gen den jungen Mann zum Amtsgericht Meppen. Dieses sprach
            Schreiben an die verantwortliche Person weiterzuleiten. Dies hat   den Angeklagten im Sommer 2020 des verbotenen Kraftfahrzeu-
            das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden.  grennens und der Straßenverkehrsgefährdung schuldig. Es erlegte
                                                              ihm unter Anwendung von Jugendrecht eine Geldauflage von
            Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem mit ei-  1.000 Euro auf und verpflichtete ihn zur Teilnahme an einem
            nem Fahrzeug einer GbR die zulässige Höchstgeschwindigkeit von  Verkehrsunterricht. Zudem entzog es dem Angeklagten die Fahr-
            70 km ⁄ h außerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km ⁄ h über-  erlaubnis und verfügte eine Sperrfrist von einem Jahr für die
            schritten wurde und die Ermittlung des Fahrers des Fahrzeugs   Wiedererteilung. Das Amtsgericht wandte insoweit auf den Ange-
            nicht möglich war, erging an die GbR eine Fahrtenbuchanord-  klagten als zur Tatzeit Heranwachsenden Jugendrecht an, da sein
            nung. Im nachfolgenden Klageverfahren bemängelte die GbR un-  Verhalten offenkundig Ausdruck jugendlicher Unreife sei.
            ter anderem dies und den Umstand, dass der Anhörungsbogen
            ebenfalls an die GbR gesendet wurde.              Das Landgericht Osnabrück bestätigte nun auf die Berufung des
                                                              Angeklagten diese Entscheidung hinsichtlich der Teilnahme an
            Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschied, dass sowohl der   einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen und wertete dabei
            Anhörungsbogen als auch die Fahrtenbuchanordnung an die GbR   die Flucht des Angeklagten als Teilnahme an einem – unter Be-
            habe gerichtet werden dürfen. Es sei auch nicht zu beanstanden,   teiligung zweier Fahrzeuge veranstalteten – tatsächlichen Kraft-
            dass kein Vertreter der Gesellschaft benannt wurde. Es sei Sache   fahrzeugrennen (§ 315 d Abs. 1 Nr. 2 StGB). Sie ging damit über
            der Gesellschaft durch organisatorische Maßnahmen sicherzustel-  die Wertung der Staatsanwaltschaft in der Anklage und des
            len, dass an ihren Geschäftssitz gerichtete Schreiben an die ver-  Amtsgerichts in seinem Urteil hinaus. Beide hatten kein tatsäch-
            antwortliche Person weitergeleitet werden.        liches Rennen angenommen, sondern die Flucht des Angeklagten
                                                              rechtlich als verkehrswidrige und rücksichtlose Fortbewegung im
            (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen,                Sinne des § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB, also ein quasi „simuliertes
            Urteil vom 23.02.2021 – 14 K 3990 ⁄ 20)           Rennen“ ohne zweiten Teilnehmer eingeordnet. Die zuständige
                                                              Kammer erläuterte dazu, die Einordnung der Polizeiflucht als
                                                              nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen sei insgesamt bisher kaum
            Flucht vor der Polizei kann verbotenes            diskutiert worden. Es sei aber anerkannt, dass auch die Polizei-
              Kraftfahrzeugrennen sein                        flucht vergleichbar einem klassischen Rennen ein Wettbewerbs-
                                                              element aufweise, hier mit dem „Ziel“ der erfolgreichen Flucht.
                                                              Die Polizeiflucht berge daher dieselben Risiken wie ein ver-
            Illegales Straßenrennen mit einem rechtswidrig    abredetes oder spontanes Rennen mehrerer Kfz aus falsch ver-
            handelnden  Teilnehmer                            standenem „sportlichem Ehrgeiz“. Es entspreche deshalb dem
                                                                gesetzgeberischen Willen und auch dem Wortlaut des Gesetzes,
            Flieht ein Verkehrsteilnehmer mit seinem Pkw vor einem Strei-  die Polizeiflucht als nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ein-
            fenwagen, um einer Polizeikontrolle zu entgehen, kann dies den   zuordnen.
            Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeug rennens erfüllen. Das
            entschied das Landgericht Osnabrück.              Dabei liege ein tatsächliches Rennen vor, weil mit dem Polizei-
                                                              fahrzeug ein zweiter Pkw beteiligt gewesen sei. Für ein verbote-
            Angeklagt war ein zur Tatzeit 20 Jahre alter Mann. Er fuhr am   nes Rennen sei nicht erforderlich, dass alle Teilnehmer rechtswid-
            Abend des 10. Januar 2020 mit seinem Kleinwagen durch eine   rig handelten. Eine solche Einschränkung ergebe sich weder aus
            Gemeinde im Emsland. Dort fiel er durch seine Fahrweise einer   dem Wortlaut noch dem Zweck des Gesetzes. Daher spiele es kei-
            Polizeistreife auf. Der Angeklagte hatte jedoch nach eigenen An-  ne Rolle, dass die Polizei zur Verfolgung und zur Nichteinhaltung






                                                                                          MAI 2021 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 17
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