Page 14 - Taxikurier September 2022
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           RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Hälftige Haftung bei Unfall auf Parkplatz eines Baumarktes


           Bei Fahrgassen eines Baumarktparkplatzes gilt nicht die
           „rechts vor links”-Regel

           Auf Fahrgassen eines Parkplatzes, die vorrangig der Parkplatzsuche
           dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt nicht die Vorfahrtsre-
           gel „rechts vor links“. Die Fahrer sind vielmehr verpflichtet, defensiv
           zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen.
           Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat eine hälftige
           Haftungsquote für die Unfallfolgen auf einem Parkplatz eines Bau-
           marktes ausgesprochen.
           Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrs-
           unfall. Der Unfall ereignete auf dem Parkplatz eines Baumarktes in
           Wiesbaden. Der Betreiber hatte die Geltung der StVO angeordnet.
           Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse mün-
           den von rechts mehrere Fahrgassen ein. Der Beklagte befuhr eine
           dieser von rechts auf die Ausfahrtfahrgasse einmündenden Fahr-
           gassen, an deren beiden Seiten sich im rechten Winkel angeordnete
           Parkboxen befanden. Auch die zur Ausfahrt führende Fahrgasse
             verfügt im linken Bereich über Parkboxen. Im Einmündungsbereich
           der Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen
           Fahrzeug. Das Landgericht hat der Klage auf Basis einer Haftung des
           Beklagten i.H.v. 25 % stattgegeben.


           OLG: Beteiligte haften zu je 50 Prozent
           Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers führte zu einer Abän-
           derung der Haftungsquote auf 50 %. Maßgeblich für die Höhe der
           Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sei, inwieweit der Scha-
           den vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden   Vorfahrtsrecht gilt nur bei Fahrspuren mit eindeutig und
           sei, betonte das OLG. Die Verursachungsbeiträge der Fahrer der un-  unmissverständlichem Straßencharakter
           fallbeteiligten Fahrzeuge seien hier als gleichgewichtig anzusehen
           und der durch den Unfall verursachte Schaden zu teilen. Der Beklag-  Etwas Anderes gelte nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig
           te könne nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt   und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits
           wurde. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öf-  aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von frei-
           fentlich zugänglichen Privatparkplätzen wie hier grundsätzlich an-  en Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge.
           wendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen seien jedoch keine dem flie-  Für einen solchen Straßencharakter könne etwa die Breite der Fahr-
           ßenden Verkehr dienenden Straßen und gewährten deshalb keine   gassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie
           Vorfahrt. „Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende     Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben. Derartige straßentypische
           Fahrgassen eines Parkplatzes ..., gilt für die herannahenden Fahr-  bauliche Merkmale fehlten hier. Die Fahrgassen dienten ersichtlich
           zeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme ..., d. h.   nicht dem fließenden Verkehr, da an ihnen jeweils Parkboxen ange-
           jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die   ordnet waren. Da es am Straßencharakter auch für die vom Kläger-
             Verständigung mit dem jemals anderen Fahrzeugführer zu suchen“,   fahrzeug befahrene Fahrgasse fehle, habe der Beklagte auch nicht
           unterstreicht das OLG.                             die hohen Sorgfaltsanforderungen beim Einfahren auf eine Fahrbahn
                                                              (§ 10 StVO) erfüllen müssen.

                                                              (Oberlandesgericht Frankfurt am Main,
                                                              Urteil vom 22.06.2022 – 17 U 21 ⁄ 22)






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