Page 7 - Taxikurier Juli 2023
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recht kompakt
VERKEHRSRECHT
DIE NACHRANGIGKEITSKRITERIEN
BEI DER ERTEILUNG VON NEUBEWERBER-GENEHMIGUNGEN
In vielen Städten – nicht nur in München, sondern bun- im Wesentlichen einer anderen Tätigkeit nachgeht und den
desweit – werden Antragsteller von der Genehmigungs- Taxibetrieb für die juristische Person nur ein Nebenbetätigungs-
behörde darüber informiert, dass sie auf der Warteliste feld ist .
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einen Platz erreicht haben, der sie berechtigt, nun eine
Genehmigung für den Taxenverkehr erhalten zu können. Man mag den Sinn der Regelung angesichts dessen, dass das
Hintergrund ist offenbar, dass viele bisher betriebene Taxiangebot insgesamt wegen der genannten Gründe zum Teil
Genehmigungen mangels Fahrpersonals oder aber auch nur noch eingeschränkt angeboten wird, als unzeitgemäß und
wegen Umsatzeinbußen aufgrund der unzureichend be- anachronistisch bewerten. Der Wortlaut des Gesetzes ist aber
aufsichtigten Unlauter-Konkurrenz aus dem Mietwagen- so eindeutig, dass die Gerichte – auch jüngst wieder – zu
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bereich zurückgegeben werden. Damit öffnet sich zwangs- keinem anderen Ergebnis kommen können. Auch die Behörden
läufig die Liste. im Vorfeld haben kein Ermessen, sondern müssen so entschei-
den („wird nachrangig behandelt“ ist wie „muss nachrangig
Bedeutet dies, dass die Antragsteller nur noch die subjektiven behandelt werden“).
Voraussetzungen wie vor allem Fachkundigkeit und Leumund be-
legen müssen und dann als Taxiunternehmen loslegen können? Es wäre Sache der Verbände, zu diskutieren, ob man an dem
Nein, das bedeutet es jedenfalls für die Antragsteller von der rechtspolitisch einmal durchaus sinnvollen Ansatz weiter
Neubewerber-Liste nicht. Denn da die Wartelisten weiter bestehen, fest halten will oder ob man bei diesem Punkt angesichts der
müssen die Behörden die Nachrangigkeitskriterien des Gesetzes geänderten Rahmenbedingungen, die das öffentliche Verkehrs-
beachten. Und es gibt die Vorschrift, wonach ein Antragsteller interesse eher gefährden als schützen, eine Änderung bzw.
unabhängig von dem Zeitpunkt der Antragstellung nachrangig komplette Streichung initiieren will.
behandelt wird, wenn er das Taxengewerbe nicht als Hauptbe-
schäftigung zu betreiben beabsichtigt. Nachrangig zu behandeln Wo steht’s im Gesetz? § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 PBefG
heißt, dass erst andere Listenbewerber vorzuziehen sind. Das
hört sich für einen Antragsteller, der sich teilweise vor zehn und Welches Gericht hat so entschieden?
mehr Jahren auf die Liste hat setzen lassen und natürlich die 1 OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 08.03.2007 – 13 A 1417 ⁄ 05 –
Zeit nicht mit Daumendrehen ausgefüllt, sondern sich eine exis- und Beschl. v. 09.11.2017 – 13 B 1187 ⁄ 17 –
tenzsichernde Erwerbstätigkeit gesucht hat, grotesk an. Soll er 2 VG Augsburg, Urt. v. 20.09.2005 – Au K 05.327 –
seinen bisherigen Beruf einschränken oder gar zugunsten des 3 VGH Bayern, Beschl. v. 19.04.2021 – 11 B 21.491 –
Taxiunternehmertums ganz aufgeben?
Gehen wir der Sache weiter auf den Grund: Die Nachrangigkeits-
regelung dient der Wahrung der öffentlichen Verkehrsinteressen
an einem funktionierenden Taxiangebot. Der Grund für die nach-
rangige Behandlung von Bewerbern, die das Taxengewerbe nicht
als Hauptbeschäftigung betreiben wollen, besteht darin, dass ein
hauptberuflicher Taxiunternehmer nach der Ansicht des Gesetz-
gebers grundsätzlich besser geeignet ist, die öffentlichen Ver-
kehrsinteressen zu befriedigen. Als Hauptbeschäftigung betreibt
das Taxengewerbe, wer den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit Der Autor:
und Arbeitskraft dem Taxigeschäft widmet und dabei als Unter- Rechtsanwalt Thomas Grätz
nehmer all den Pflichten nachkommt, die sich für ihn aus den ist seit über 30 Jahren mit
Regelungen des Personenbeförderungsrechts ergeben. Deshalb Personenbeförderungsrecht
die Absage an einen Zahnarzt, der neben seiner Dentalbeschäfti- befasst und war Geschäftsführer
gung auch ein Taxi betreiben wollte . Bei demjenigen, der das vom damaligen Taxi-Bundes-
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Betätigungsfeld nur „nebenbei“ ausfüllen will, darf nach Ansicht verband BZP. Bekannt ist auch
des Gerichts auch verfassungsrechtlich unbedenklich unterstellt sein PBefG- Standardwerk
werden, dass er diesen Aufgaben nicht in gleicher Weise nach- „Fielitz ⁄ Grätz“.
kommen wird. Auch bei juristischen Personen, also bspw. einer
GmbH, ist nicht darauf abzustellen, ob eine ihrer Beschäftigten
den Taxenbetrieb hauptberuflich und in ihrer mehr oder vollen
Arbeitszeit wahrnimmt, sondern darauf, ob die juristische Person
ihren Hauptzweck der Ausübung des Taxenbetriebes widmet oder
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