Page 4 - Taxikurier September 2023
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Portraits: atelier-tacke.de
EDITORIAL
EIN MEILENSTEIN
Am Mittwoch, den 26.07.2023, hat der Stadtrat der Landes- die aber alle das Gleiche tun: Sie fahren taxiähnlichen Verkehr
hauptstadt München eine Änderung der Taxitarifordnung für die unter der Flagge Mietwagen im Ballungsraum München und
Landeshauptstadt München beschlossen. Diese Änderung hat nehmen unter irregulären Bedingungen an der Verteilung eines
eine Besonderheit. Es ist die Änderung einer Taxitarifordnung, Kuchens teil, der eigentlich dem Taxigewerbe vorbehalten sein
die keine Änderung der Fahrpreise mit sich bringt. Mit dieser sollte. Hier ist die Schranke der Taxitarif, der das Taxi mit den
Änderung wurde der Taxitarif in München strukturell den neuen Jahren ins Abseits gestellt hat. Insbesondere in den Nacht-
Möglichkeiten, die sich aus dem neuen Personenbeförderungs- schichten verzeichnen die Taxizentralen Fahrgastausfälle in
gesetz aus August 2021 ergeben, angepasst. Besonders stolz darf Höhe von bis zu 60 % und 70 %, weil das junge Publikum orien-
die Stadt München darauf sein, mit dieser Umsetzung sich die tiert am angebotenen Festpreis in die Mietwagensparte gewech-
erste Stadt in Deutschland zu nennen, die dieses Gesetz in der selt ist. Nach langen gewerbepolitischen Kämpfen konnte 2021
Praxis zur Anwendung bringt. Gemeint ist der so genannte Tarif- in der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes die Option er-
korridor. Viele wissen auf den ersten Blick mit diesem Begriff reicht werden, dass die Genehmigungsbehörden einen so ge-
nichts anzufangen. Deshalb möchten wir hier kurz erläutern, nannten Tarifkorridor und somit die Gestaltung von Festpreisen
was sich dahinter verbirgt. im Bestellwesen gestatten können.
Die Option, einen Tarifkorridor zu erlauben, bedeutet nichts Nun, zum 1. September 2023, sind wir die erste Stadt in
anderes, als dass über die Taxizentrale oder über die Bestell-App Deutschland, die diese Option gezogen und in die Praxis um-
der Taxizentralen für eine bestellte Taxifahrt mit definiertem gesetzt hat. Mit anderen Worten, das Taxigewerbe in München,
Fahrtziel ein verbindlicher Festpreis bereits bei der Bestellung einer der Städte, die am meisten unter dem Einfluss des Miet-
vereinbart werden kann. Viele, vor allem lang gediente ältere wagenwildwuchses leiden, bekommt ein Instrument an die Hand
Kolleginnen und Kollegen werden nun sagen „So ein Schmarr’n, gereicht, um mit einem Angebot auf Augenhöhe, sprich mit
des brauch ma grad no! Des war ja no scheener! verbindlichen Festpreisen bereits bei der Bestellung wieder
Fahrgäste zurück aus der Mietwagenszene in das klassische
Richtig, wir haben unseren Taxitarif im Taxameter, bezahlt wird, Taxi zurückzuholen.
was am Ende auf der Uhr steht. Blicken wir aber 10 Jahre zu-
rück, als ein neuartiger Mobilitätsvermittler mit einer App das Es ist uns bewusst, dass nicht alle im Gewerbe dieser Rege-
Taxigewerbe gehörig durcheinander wirbelte und später durch lung positiv aufgeschlossen gegenüberstehen werden. Gleich-
die Hinzunahme von Mietwagenvermittlungen immer mehr Fahr- zeitig möchten wir aber auch nicht verhehlen, dass genau
gäste aus dem Taxi in die Mietwagenschiene hinüberzog, vor diese Gruppierung, die jetzt diesen Tarifkorridor und die
allem mit dem schlagenden Argument, bei der Mietwagenbestel- Festpreise als Teufel an die Wand malt, genau die gleichen
lung bereits vor Fahrtantritt den exakten Preis für die gesamte Personen sind, die in den letzten Jahren den gewerbepoliti-
Strecke zu wissen. Genau diese verlässliche Preisgestaltung war schen Vertretern in München und in Bayern immer wieder
für unzählige Taxikunden das Argument, fortan nicht mehr mit vorgeworfen haben, nichts gegen UBER und Co. zu unterneh-
dem Taxi, sondern mit dem Mietwagen zu fahren, weil bereits men. Mit der Einführung der Festpreisregel im Korridor haben
bei der Bestellung der finale Fahrpreis bekannt ist. Was daraus wir nun die erste tatsächliche Regelung, die es uns ermög-
folgte, wissen wir alle nur zu gut. Von etwa 300 Mietwagenfahr- licht, den Kampf um die Fahrgäste mit offenem Visier wieder
zeugen, die im Jahr 2014 im Großraum München zugelassen aufzunehmen.
waren (viele davon nur in der Krankenbeförderung) hat sich
explosionsartig die Anzahl bis heute auf etwa 1.700 Fahrzeuge
erhöht mit Betriebssitzen in den unterschiedlichsten Regionen,
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