Page 38 - Taxikurier Oktober 2023
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
Ausweisung einer neuen Fußgängerzone –
Keine Beschränkung des Verkehrs ohne qualifizierte
Gefährdungslage
Fußgängerzone „Deutzer Freiheit” in Köln
voraussichtlich rechtswidrig
Die Ausweisung einer Fußgängerzone in der Straße „Deutzer
Freiheit” und die damit verbundene weitgehende Sperrung der
Straße für den Kraftfahrzeugverkehr ist voraussichtlich rechts-
widrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden.
Bereits im Juni 2022 hatte die Stadt Köln Teile der Straße „Deut- Qualifizierte Gefährdungslage für die Sicherheit oder
zer Freiheit” als Fußgängerzone ausgewiesen. Diese Entscheidung Leichtigkeit des Verkehrs nicht dargelegt
ging zurück auf einen Bürgerantrag der Bürgerinitiative „Deutzer
(Auto)Freiheit” aus dem Jahr 2019 und auf einen Beschluss der Eine solche qualifizierte Gefährdungslage für die Sicherheit oder
Bezirksvertretung Innenstadt aus Dezember 2021. Danach sollte Leichtigkeit des Verkehrs hat die Stadt Köln jedoch nicht ansatz-
durch den ursprünglich für 12 Monate angesetzten Verkehrsversuch weise dargelegt. Die Erhöhung der allgemeinen Lebens- und Auf-
getestet werden, wie sich die autofreie „Deutzer Freiheit” auf die enthaltsqualität sowie die Belebung der Geschäfte und Gastrono-
Lebensqualität der Anwohner in Deutz, auf die zukunftsfähige mie sind keine straßenverkehrsrechtlich relevanten Schutzgüter.
Entwicklung des Veedels und auf die Belebung der Geschäfte und Das dokumentierte Unfallgeschehen mit vier bis fünf Unfällen pro
Gastronomie auswirkt. Zudem erwartete man einen positiven Jahr ist ebenfalls unauffällig, zumal unter Berücksichtigung der
Beitrag zum Klimaschutz durch die Reduktion des motorisierten Tatsache, dass die Straße „Deutzer Freiheit” in der großstädtischen
Individualverkehrs. Innenstadtlage der Stadt Köln liegt. Gegen den Beschluss steht
den Beteiligten die Beschwerde zu, über die das Oberverwaltungs-
gericht in Münster entscheiden würde.
Einsatz straßenverkehrsrechtlicher Instrumente
nicht gerechtfertigt (Verwaltungsgericht Köln,
Beschluss vom 02.08.2023 – 18 L 823 ⁄ 23)
Dem hiergegen eingelegten Eilantrag eines Anliegers aus Mai 2023
hat das VG nun stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die
Stadt Köln hat die Fußgängerzone im nach wie vor andauernden Fehlende Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs hindert nicht
Verkehrsversuch mittels mehrerer verkehrsrechtlicher Anordnungen Wirksamkeit eines Kaskoversicherungsvertrags
eingerichtet und sich damit straßenverkehrsrechtlicher Instrumen-
te bedient. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen lagen je-
doch nicht vor. Denn die Straßenverkehrsbehörden können die Anspruch auf Versicherungsschutz
Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken nur aus Grün-
den der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder Die fehlende Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs hat keinen
verbieten und den Verkehr umleiten. Beschränkungen und Verbote Einfluss auf die Wirksamkeit eines Kaskoversicherungsvertrags.
des fließenden Verkehrs dürfen zudem nur angeordnet werden, Daher besteht Anspruch auf Versicherungsschutz auch dann,
wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine quali- wenn das versicherte Fahrzeug nicht zulassungsfähig ist. Dies
fizierte Gefahrenlage besteht. Besondere örtliche Verhältnisse, hat das Oberlandesgericht Celle entschieden.
die zu der genannten Gefahrenlage führen, können z.B. die Stre-
ckenführung, der Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingte In dem zugrunde liegenden Fall beanspruchte der Eigentümer ei-
Einflüsse (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), die dort anzutref- nes Motorrads seine Teilkaskoversicherung wegen des angeblichen
fende Verkehrsbelastung und die daraus resultierenden Unfall- Diebstahls des Motorrads. Die Versicherung lehnte eine Schadens-
zahlen sein. regulierung unter anderem mit dem Hinweis ab, dass das Motorrad
für den Straßenverkehr nicht zulassungsfähig gewesen sei. Der
Versicherungsvertrag sei daher unwirksam. Das Landgericht Verden
folgte dieser Ansicht und wies daher die Klage des Versicherungs-
nehmers ab. Dieser legte Berufung ein.
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