Page 21 - Taxikurier Juni 2024
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recht kompakt


            VERKEHRSRECHT


             ➔ TAXI IST AUCH ÖPNV



            Wieso ist der Taxiverkehr öffentlicher Verkehr    genheitsverkehrseinsatz öffentliches Verkehrsmittel und damit
            und der Mietwagenverkehr nicht?                   Teil des ÖPNV ist. Das gilt aktuell weiterhin. Zuletzt hat der
                                                              BGH sich der Ansicht angeschlossen, dass gerade in großen
              Mit dem Brustton der Überzeugung heißt es vielstimmig in     Städten der Autobesitz wegen mangelnden Parkraums, aber auch
              der Branche: „Ganz klar, Taxi ist auch ÖPNV“. Das stimmt,    aus finanziellen Gründen rückläufig sei, so dass allen Formen
              aber wer kann auch herleiten, dass es so ist? Wahrscheinlich   des  öffentlichen Personennahverkehrs einschließlich der Taxen
              wenige, dem soll dieser Beitrag abhelfen:       gesteigerte Bedeutung zukomme .
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            Kommen wir erst mal dazu, was man unter öffentlichem Perso-  Betrachten wir noch, was in derselben grundlegenden Entschei-
            nennahverkehr, also abgekürzt ÖPNV, gemeinhin versteht. Der   dung aus dem Jahr 1960 zum Mietwagenverkehr gesagt worden
            Gesetzgeber definiert den ÖPNV als die allgemein zugängliche   ist: „Seine (des Mietwagenverkehrs; Anm. d. Verf.) Beförderungs-
            Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr,   leistungen werden nicht öffentlich angeboten; sie beruhen auf
            die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im   einem Vertrag, dessen Inhalt der Benutzer nach seinen persön-
            Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen, was im   lichen Wünschen bestimmt. Mietwagen sind keine öffentlichen
            Zweifel der Fall ist, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle   Verkehrsmittel, unterliegen deshalb weder der Beförderungs-
            eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder   pflicht noch der strengen Bindung ihrer Beförderungspreise; sie
            die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt . Hier muss   erbringen Leistungen des normalen wirtschaftlichen Verkehrs. Es
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            man also erst mal feststellen, dass Taxiverkehr schon deshalb   lässt sich also nicht sagen, dass an Existenz und Funktionieren
            nicht unter diese Grunddefinition des Gesetzgebers fällt, weil er   dieser Form des Gelegenheitsverkehrs ein überragendes Interesse
            kein Linien-, sondern Gelegenheitsverkehr ist. Schauen wir mal   der Allgemeinheit besteht. “
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            weiter in die Gesetze, so finden wir auch Bestimmungen über
            den Taxiverkehr: ÖPNV ist auch der Verkehr mit Taxen oder Miet-  Die Taxibranche kann also mit Fug und Recht selbstbewusst in
            wagen, der eine der Verkehrsarten des Linienverkehrs ersetzt,   jede Diskussion mit Bevölkerung, Behörden und Politik mit den
              ergänzt oder verdichtet . Nur dann, also bei direktem Verbund   Aussagen gehen: Taxis sind öffentliche Verkehrsmittel; Mietwa-
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            zum öffentlichen Linienverkehr sei Taxi auch ÖPNV. Eindeutiger,   gen haben ohne Frage auch ihre Bedeutung, sie betreiben aber
            aber auch noch nicht umfassend, heißt es an anderer Stelle: Der   normalen Wirtschaftsverkehr und sind deshalb kein ÖPNV!
            Verkehr mit Taxen ist öffentlicher Personennahverkehr im Sinne
            dieses Gesetzes, wenn er die Verkehrsnachfrage zur Beseitigung   Wo steht’s im Gesetz?
            einer räumlichen oder zeitlichen Unterversorgung befriedigt .   1  vgl. § 2 Satz 1 Regionalisierungsgesetz (RegG)
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            Festhalten muss man also leider, dass der Gesetzgeber sich bisher  sowie § 8 Abs. 1 PBefG;
            gedrückt hat, den Taxenverkehr in seinem kompletten Gelegen-  2  § 8 Abs. 2
            heitsverkehrseinsatz als öffentliches Verkehrsmittel anzuerken-  3  § 2 Satz 2 RegG;
            nen. Der Grund mag darin liegen, dass er Subventionierungs-
            ansprüche der Taxibranche von vorneherein abwehren wollte.   Welches Gericht hat so entschieden?
                                                              4, 6  Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 08.06.1960
            Glücklicherweise ist bereits vor über 60 Jahren das höchste deut-  5  Bundesgerichtshof, Urteil v. 13.12.2018 – UberBlack II –
            sche Gericht hier in die Bresche gesprungen: „Die Kraftdroschken
            sind in den größeren Städten, wo sie praktisch allein eingesetzt
            werden, die wichtigsten Träger individueller Verkehrsbedienung.   Der Autor:
            Im modernen Großstadtverkehr kann auf ihre Dienste nicht mehr   Rechtsanwalt Thomas Grätz
            verzichtet werden; sie stellen die notwendige, von keinem an-  ist seit über 30 Jahren mit
            dern Verkehrsträger übernehmbare Ergänzung des öffentlichen     Personenbeförderungsrecht
              Linien- und des Straßenbahnverkehrs dar. Sie sind deshalb selbst   befasst und war Geschäftsführer
            öffentliche Verkehrsmittel und unterliegen der Beförderungs-  vom  damaligen Taxi-Bundes-
            pflicht; die Beförderungsentgelte werden behördlich festgesetzt.   verband BZP.  Bekannt ist auch
            Diese ihre Stellung im Rahmen des Verkehrsganzen rechtfertigt   sein PBefG- Standardwerk
            es, Existenz und Funktionieren dieses Zweiges des Gelegenheits-    „Fielitz ⁄ Grätz“.
            verkehrs als ein schutzwürdiges Gemeinschaftsgut im Sinne
            der Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsgrundrecht, Anm.
            d. Verf.) anzusehen. “ Nicht nur das Bundesverfassungsgericht,
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            sondern alle Höchst- und Instanzgerichte äußern sich immer
            wieder so, dass der Taxiverkehr auch in seinem originären Gele-






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