Page 23 - Taxikurier Juni 2024
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Der Kläger war im Oktober 2022 mit seinem Auto aus einer Hof-  Widersprüchliche Schilderungen
           einfahrt gefahren und ließ dieses kurz nach der Ausfahrt quer über
           Fußgänger- und Radweg stehen, um die händisch zu bedienende   Das Gericht hat zunächst, nachdem beide Parteien einer Partei-
           Schranke hinter dem Fahrzeug zu schließen. Zur gleichen Zeit   einvernahme der Gegenseite widersprochen hatten, beide Parteien
             näherte sich der Beklagte auf dessen Fahrrad. Der Beklagte musste   informatorisch angehört. Beide Parteien schilderten daraufhin
           dem Auto des Klägers auf dem Radweg ausweichen und hielt an.     detailreich, nachvollziehbar und flüssig den bereits schriftsätzlich
           Zwischen beiden Parteien kam es in der Folge zu einer Auseinan-  vorgetragenen Geschehensablauf. Beide Schilderungen widerspre-
           dersetzung, deren genauer Verlauf gerichtlich nicht geklärt werden   chen einander und sind logisch nicht miteinander in Einklang zu
           konnte. Der Kläger behauptete, der Beklagte habe mit seinem Fuß   bringen. Im Rahmen der informatorischen Anhörung konnte das
           gegen das Heck des Fahrzeugs des Klägers getreten und dieses   Gericht jedoch keine Feststellungen treffen, die darauf schließen
           hierdurch beschädigt. Überdies habe ihm der Beklagte mit der   ließen, dass die Aussage der einen Partei glaubhafter war als die
           Faust gegen den Kiefer geschlagen, wodurch seine Zahnspange   der anderen. Beide Parteien äußerten sich in sich schlüssig und
             beschädigt worden sei. Der Kläger machte insgesamt 2.558,38 Euro   widerspruchsfrei und erweckten überzeugend den Eindruck, von
           Schadensersatz und mindestens 600 Euro Schmerzensgeld  g eltend.     einer tatsächlich erlebten Begebenheit zu berichten. Auf Basis der
           Der Beklagte behauptete hingegen, der Kläger habe den Beklagten   Anhörung konnte das Gericht daher nicht von einem Beweis der
           im Laufe des Wortgefechts auf dessen Rad geschubst. Es habe    klägerischen Schilderung des Geschehens ausgehen.
           sich ansonsten zu jeder Zeit lediglich um eine verbale Ausein-
           andersetzung gehandelt. Der Beklagte habe stets Abstand zum
           Kläger gehalten und  weder gegen dessen Fahrzeug getreten noch   Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens
           den Kläger geschlagen. Ein gegen den Beklagten in dieser Sache     entbehrlich
           eingeleitetes strafrecht liche Ermittlungsverfahren wurde  bereits
           eingestellt.                                       Insbesondere hätte es hier auch nicht der Einholung eines weite-
                                                              ren Sachverständigengutachtens zu den Schäden am Kfz bedurft.
                                                              Auch hierfür gilt, dass einem solchen Gutachten keine konkrete
           Kein Schadensersatz ohne Beweise                   Aussage zum Geschehensablauf entnommen werden könnte.
                                                              In der strafrechtlichen Verhandlung war überdies bereits ein
           Das Gericht wies die Klage ab. Der Kläger konnte den ihm oblie-  Kfz-Sachverständiger gehört worden. Dieser war zu dem Schluss
           genden Nachweis des behaupteten, anspruchsbegründenden Ge-  gekommen, das Auto weise lediglich einen typischerweise beim
           schehensablaufs nicht führen. Das Gericht ist unter Berücksichti-  Rückwärtsfahren entstehenden Schaden auf, der keinesfalls auf
           gung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses   einen Tritt zurückzuführen sei. Die Klägerseite hat sich mit dieser
           der Beweisaufnahme nach seiner freien Überzeugung, § 286 Abs. 1   Feststellung im hiesigen Prozess nicht substantiiert auseinander-
           ZPO, nicht mit der erforderlichen Gewissheit, die Zweifeln Schwei-  gesetzt oder auf neue Erkenntnisse verwiesen, die eine abweichen-
           gen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom    de Beurteilung nahelegen würden. Zudem wurde das betroffene
           19. Juli 2019), davon überzeugt, dass der Beklagte wie vom Klä-  Kfz in der Zwischenzeit verkauft, sodass eine erneute Begutach-
           ger behauptet gegen dessen Fahrzeug getreten und ihn anschlie-  tung sich  lediglich auf die in der Akte vorhandenen Lichtbilder
           ßend mit der Faust gegen den Kiefer geschlagen hat. Nachdem   stützen würde. (Auch) vor diesem Hintergrund hat das Gericht von
           weitere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, war die Klage   der  Einholung eines erneuten Kfz-Gutachtens abgesehen.
           nach vollständiger möglicher Aufklärung aufgrund der verbleiben-
           den Zweifel des Gerichts abzuweisen.               (Amtsgericht München, Urteil vom 29.02.2024 – 161 C 14050/23)





             Werther   von Kummer   Nöker   Dr. Schwerdt

                                    Rechtsanwälte, Partnerschaftsgesellschaft       *
                                            Tätigkeitsschwerpunkte

                Monika Werther   *    Sven von Kummer     *      Nicola Nöker  *      Dr. Birgit Schwerdt  *
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