Page 30 - Taxikurier Februar 2020
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Militärgefängnisse                (1887–1980, Wilhelm-Hoegner-Straße von   NSDAP von 1920 war „die großzügige Hand-
                                             1981), berichtete in seinen Erinnerungen   habung der Todesstrafe“ gefordert worden
           Der Taschenturm an der heutigen Prälat-  über das damalige Gewerkschaftshaus an der   und so kam es 1933 dann auch und Reichart
           Zistl-Straße gehörte seit dem 14. Jahrhun-  Pestalozzistraße 40-42: „In München wurde   konnte fortan als hauptamtlicher Henker ar-
           dert zur Stadtbefestigung und diente seit-  das Geschrei der im Keller des Gewerk-  beiten. Allein in Stadelheim richtete er bis
           dem auch als Gefängnis. Unter Kurfürst Max   schaftshauses Gefolterten weit herum in der   zum April 1945 rund 1.200 Menschen – also
           Emanuel (1662–1726) wurde der Turm zu   Nachbarschaft gehört. Niemand wagte, sich   100 pro Jahr – hin, im gesamten Deutschen
             einem Arrestlokal für Soldaten hergerichtet,   zu beschweren.“ Dasselbe galt für das Ge-  Reich rund 3.000, entweder am Galgen, zu-
           und zwar „für schwere Verbrechen von Mili-  fängnis des Polizeipräsidiums an der Ett-  meist aber mit dem Fallbeil. Bei einem
           tärpersonal“, wie es hieß. Genutzt wurde es   straße, wo seit kurzem der Führer der SS,   Grundgehalt von 3.800 Reichsmark jährlich
           bis ins 19. Jahrhundert, dann entstand im   Heinrich Himmler (1900–1945), als Chef   erhielt er für jede Hinrichtung eine zusätz-
           Jahr 1898 im Kasernenviertel von Neuhau-  fungierte. Als Konsequenz aus diesen Zu-  liche Prämie, wodurch er auf ein durch-
           sen, an der Leonrodstraße 53, ein neues   ständen verkündete Himmler am 22. März   schnittliches Jahreseinkommen von 43.000
             Militärgefängnis der Königlich-Bayerischen   1933 auf einer international besetzten Pres-  Reichsmark kam und dementsprechend
           Armee, denn die allgemeine Aufrüstung vor   sekonferenz die Eröffnung des Konzentrati-    luxuriös leben konnte.
           dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) brachte   onslagers bei Dachau, wo man ungestörter
           immer mehr Rekruten in die Kasernen und   foltern und morden konnte.
           damit auch immer mehr Problemfälle. Hinter                          Ehemalige Gefängnisse des
           dem Gebäude befand sich, umgeben von ei-  Im 1944 zerstörten Wittelsbacher-Palais an   20. Jahrhunderts
           ner vier Meter hohen Mauer, das Arresthaus   der Brienner Straße 20 ging ebenfalls seit
           in Hufeisenform mit 96 Einzelzellen, jede   1933 die Geheime Staatspolizei (Gestapo)   Wie oben dargestellt, beherbergte bis zum
           3,40 Meter lang, zwei Meter breit und 3,60   unter Leitung des SS-Führers Reinhard   Anfang des 19. Jahrhunderts das Angertor
           Meter hoch. Im Erdgeschoss waren vierzehn   Heydrich (1904–1942) ihrer Tätigkeit nach.   das Münchner Zuchthaus, dann wurde es in
           Zellen für den Vollzug der Dunkelhaft einge-  Diese bestand aus der systematischen Ver-  das 1803 aufgelassene Kloster der Paulaner
           richtet und für besonders gefährliche Häft-  folgung politischer Gegner der Nationalsozi-  in die Au verlegt. Die Klostergebäude dien-
           linge wurden jeweils sechs spezielle Zellen   alisten. Ohne jede rechtliche oder politische   ten zunächst als Militärhospital, später wur-
           in jedem der drei Stockwerke vorgehalten.   Bindung und ohne Kontrolle führte die Ge-  den sie in ein Zuchthaus umgewandelt, das
           Lediglich das denkmalgeschützte Vorderge-  stapo ihre Aktionen durch. Sie konnte   Königliche Zuchthaus mit der Adresse Am
           bäude ist heute noch erhalten und dient mit   „Schutzhaft“ verhängen und „verschärfte   Neudeck 10. Der spätere Neubau aus dem
           45 Plätzen dem Vollzug für Freigänger, also   Vernehmungen“ bis hin zu Erschießungen   Jahr 1904 mit seinen 124 Haftplätzen dien-
           Häftlingen, die nur die Nächte im Gefängnis   durchführen, die dann in den Folterkellern   te als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt
           verbringen müssen.                des Palais stattfanden. Seit 1984 erinnert   Stadelheim bis zu seiner Schließung 2009
                                             eine Gedenktafel an das Gebäude und seine   als Gefängnis für Frauen und Jugendliche.
                                             wechselvolle Geschichte, das heute der Bay-
           Das Dritte Reich                  erischen Landesbank gehört. Die Tafel befin-  Die Bevölkerungszunahme führte auch zu
                                             det sich an der Ecke der Brienner Straße zur     einer verstärkten Kriminalität. An der Corne-
           Während des Dritten Reiches (1933–1945)   Türkenstraße. In Bayern amtierte Johann   liusstraße 33 öffnete daher 1883 das Ge-
           kehrten die lange überwunden geglaubten   Reichart (1893–1972) von 1924 bis 1945   fängnis des Landgerichtes München seine
           Methoden des Strafvollzuges wieder zurück.   als Scharfrichter, unter anderem in Stadel-  Pforten, im Jahr 1975 wich es schließlich
           So wurden beispielsweise die freien Gewerk-  heim. Während der Weimarer Demokratie bis   dem Gebäude des Europäischen Patentam-
           schaften am 2. Mai 1933 verboten und zer-  Anfang 1933 richtete er dort lediglich einen   tes. Infolge der steigenden Einwohnerzahlen
           schlagen und der spätere bayerische Minis-  einzigen Verbrecher pro Jahr hin, weshalb    gab es noch ein weiteres Gefängnis an der
           terpräsident der Jahre 1945–1946 und   er hauptberuflich als Gastwirt und Handels-  Baaderstraße 9, das von 1870 bis 1911 un-
           1954–1957 von der SPD, Wilhelm Hoegner   vertreter tätig war. Im Parteiprogramm der   freiwilligen Gästen offen stand.



                               Dr. Cichon & Partner                                     *


                                                 Rechtsanwaltskanzlei
                                          Tätigkeitsschwerpunkte

                                        M. Werther   *        S. v. Kummer   *        J. Buchberger   *
                   Dr. J. Cichon          Fachanwältin            Fachanwalt              Fachanwalt
                                         für Verkehrsrecht      für Familienrecht        für Strafrecht /
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