Page 12 - Taxikurier März 2022
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           RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Öffnen der Autotür: Beim Ein- und Aussteigen
           muss eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
             ausgeschlossen werden


           Das Amtsgericht München wies am 27.10.2021 die Klage    Gericht sieht alleinige Haftung bei der Klägerpartei
           einer Münchner Fahrzeughalterin gegen einen Münchner und
           eine Kfz-Versicherung ab.                          Im Urteil heißt es: „Das Gericht hat der Entscheidung eine alleini-
                                                              ge Haftung der Klagepartei zugrunde gelegt. Unstreitig kam es zur
           Der VW der Klägerin war am 03.03.2020 in einer Parkbucht auf   Kollision zwischen der Fahrertüre des Klägerfahrzeugs und dem im
           dem Parkplatz eines Supermarktes in München-Aubing abgestellt.   Einfahren in die Parklücke neben dem Klägerfahrzeug befindlichen
           Auf dem Fahrersitz saß der Ehemann der Klägerin. Der beklagte   Beklagtenfahrzeug. Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung
           Münchner parkte mit einem Opel in die Parkbucht links daneben   des Türöffners – hier des Fahrers des Klägerfahrzeugs – spricht der
           ein und stieß dabei mit der geöffnete Fahrertür des VW zusammen.  Beweis des ersten Anscheins. Gemäß § 14 StVO muss sich, wer in
                                                              ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefähr-
           Die Klägerin macht restliche Schadensersatzansprüche unter Berück-  dung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
           sichtigung einer teilweisen vorgerichtlichen Regulierung durch die
           mitbeklagte Versicherung geltend. Sie trägt vor, die Fahrertür ihres   Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein-
           Autos sei bereits mehrere Minuten erkennbar geöffnet gewesen, so   oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem un-
           dass die Kollision für ihren Mann unvermeidbar gewesen sei.  mittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen,
                                                              wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der
                                                              Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen
           Streit, ob Fahrzeugtür bereits offen war oder nicht  der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist
                                                              (…). Die Sorgfaltsnorm des § 14 StVO findet im vorliegenden Fall
           Die Beklagten behaupten hingegen, die Tür des VW sei noch ge-  zwar keine  unmittelbare Anwendung (…), nachdem sich die streit-
           schlossen gewesen, als der Opel ordnungsgemäß in die freie Park-  gegenständliche Kollision unstreitig auf einem nicht-öffentlichen
           lücke daneben eingefahren sei. Währenddessen sei die Fahrertür   Parkplatzgelände ereignete (…). Die Sorgfaltsnorm ist hier jedoch
           des VW plötzlich und unvermittelt geöffnet und gegen das Beklag-  im Rahmen einer Pflichtenkonkretisierung des allgemeinen Rück-
           tenfahrzeug gestoßen worden; die Klagepartei würde daher allein   sichtnahmegebots (…) zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr,
           für die Schäden haften und habe im Rahmen der vorgerichtlichen   als nach Auffassung des angerufenen Gerichts auf einem Parkplatz-
           hälftigen Regulierung bereits mehr erhalten, als ihr zustehe.  gelände – wie hier – für jeden Benutzer grundsätzlich jederzeit
                                                              mit Ein- und Aussteigevorgängen sowie mit Ein-, Auspark- und
           Das Gericht vernahm den Ehemann der Beklagten sowie eine unbe-  Rangiermanövern zu rechnen ist, sodass grundsätzlich erhöhtes
           teiligte Zeugin, hörte informatorisch den Beklagten und holte ein   Augenmerk auf derartige Vorgänge zu legen ist (…)."
           Sachverständigengutachten ein. Sodann gab es der Beklagtenseite
           recht. Der Vortrag der Klägerseite, dass die Tür des VW bereits für
           mehrere Minuten offen gestanden hatte, konnte nicht zur Über-  Auch langes Offenstehenlassen der Fahrzeugtür sorgfaltswidrig
           zeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Nicht weiterhelfen
           konnte insbesondere die Aussage der unbeteiligten Zeugin, die   „Ein Verschulden des Fahrers des Klägerfahrzeugs an der Kollision
           sich zu erinnern meinte, dass die Tür insgesamt nur 5 cm aufge-  steht im Rahmen des hier zur Anwendung zu bringenden Anscheins-
           standen habe – nach dem Sachverständigengutachten musste die   beweises gegen die Klagepartei fest. Lediglich der Vollständigkeit
           Tür bei der Kollision hingegen 60–70 cm geöffnet gewesen sein.   halber sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass nach Auffas-
           Auch vermeintliche Erinnerungen der Zeugin zur Geschwindigkeit   sung des angerufenen Gerichts auch ein – hier nicht nachgewiese-
           wurden mit dem Sachverständigengutachten widerlegt. Die Anga-  nes – über mehrere Minuten andauerndes Offenstehen Lassens einer
           ben des Ehemannes und des Beklagten widersprachen sich, ohne   Fahrzeugtür auf einem Parkplatzgelände erheblich risikobehaftet
           dass das Gericht den einen oder anderen Angaben einen höheren   und vor dem Hintergrund der Eingangs dargestellten Pflichten zur
           Erkenntniswert zumessen konnte.                    wechselseitigen Rücksichtnahme sorgfaltswidrig wäre."
                                                              (Amtsgericht München, Urteil vom 27.10.2021 – 343 C 106 ⁄ 21)











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