Page 15 - Taxikurier März 2022
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Jetzt erinnerte ich mich sogleich, dass die- Kleide nach. Ist es wohl bei solchen Tän- immer mehr Liebhaber, so dass die fi nanzi-
ser Karneval ein Überbleibsel des römi- zen möglich, sowohl die Tanzenden als ell stets klamme Regierung unter Herzog
schen Bacchanten-Festes ist: Denn sie ge- auch die Zuseher dabei vor manchen un- Wilhelm V. (1548–1626, Herzog-Wilhelm-
bärdeten sich alle, als wollten sie toll und liebsamen Rippenstößen und unhöfl ichen Straße von 1886) von den Braumeistern
rasend werden und als hätten sie alle zu Ellenbogen zu sichern? Und wenn man verlangte, eigene Starkbierrezepturen zu
viel vom Wein bekommen. Den einen dieser auch kein strenger Sittenrichter sein will, entwickeln. Die darauf erhobenen Steuern
Tänze nennen sie Langaus-Tanzen, welches verträgt sich das Fahren, Toben, Springen, fl ossen sodann in den Staatssäckel. Im
darin besteht, dass der Tänzer seine Tänze- Wüten wohl mit dem weiblichen Wohlstan- Münchner Kloster der Paulaner-Mönche un-
rin von einer Ecke des Saales mit zwei ent- de? Ist es nicht, als jage die wilde Horde terhalb des Nockherberges wurde seit Mitte
setzlichen Riesenschritten bis zur anderen mit einem Male wie das wütende Heer über des 17. Jahrhunderts Bier gebraut. Wäh-
Ecke mit fortreißt und, sooft er wieder Stoppel und Gräben den Tanzsaal hinauf? rend der 40-tägigen Fastenzeit zwischen
Raum fi ndet, das Nämliche wiederholt. Und zappeln sich nicht die Leute und die Aschermittwoch und Ostersamstag durfte
Dieses geschieht mit so einer Raserei, Frauenzimmer ab, wie – es ist gar nicht zu offi ziell kein Fleisch, sondern lediglich
dass man glauben sollte, es würde bei dem sagen wie. Ich wette darauf und ich hab’s Fisch und kalorienarme Nahrung zu sich
Ende des Tanzes das Ende der Welt erfol- auch gelesen, dass seit der Einführung die- genommen werden, was aber verständli-
gen. Als ich meine Verwunderung über ses Tanzes die Sterblichkeit der Jugend cherweise möglichst umgangen wurde.
sich vermehre, dass kein Karneval vorüber- Beispielsweise verspeisten die fi nanziell
ging, ohne mehreren jungen Leuten das Bessergestellten Biber, weil diese im Was-
Leben gekostet zu haben. Meine Auguste ser leben und daher gerne mit Fischen ver-
hatte das Glück oder vielmehr das Unglück, wechselt wurden. Ähnlich das Paulaner-
mit zwei Frauenzimmern bekannt zu wer- Kloster: Hier braute man seit 1751 speziell
den, wovon ihr eines selbst eingestanden, für die Fastenzeit ein überdurchschnittlich
dass es im verfl ossenen Jahre so rasend starkes Bier, das sogenannte fl üssige Brot,
dieses Langausfahren und diesen Hops mit- das den Hunger stillte und dessen Verkauf
gemacht, dass es beinahe eine Lungenent- gleichzeitig die Kassen von Kloster, Kirche
zündung davongetragen, und das andere und Regierung füllte, denn Trinken war im
Frauenzimmer hüstelte und – dass es Gott Gegensatz zum Essen unbeschränkt erlaubt.
erbarme! – tanzte doch rasend mit!“ Diese Interessanterweise erhielt dieser Trunk als
Zeiten sind in München seit längerem vor- Zeichen des doch etwas schlechten Gewis-
bei, auch weil das Verkleiden und wilde sens die Bezeichnung „Salvator“, der Bein-
Tanzen – im Allgemeinen in Abwesenheit ame für Jesus Christus, was auf Deutsch
der Eltern – heute das ganze Jahr über „Erretter“ heißt. Auch andere Erklärungen
möglich ist, oder genauer gesagt: bis vor dieses Namens existieren. Das Fastenbier
zwei Jahren möglich war, was sich seitdem soll früher – vermutlich in der guten, alten
massiv nicht nur auf unsere Verdienstmög- Zeit – so stark gewesen sein, dass eine
lichkeiten ausgewirkt hat. Selbst die Fast- Bank, über die das Bier verschüttet worden
nachts- und Karnevalshochburgen im Wes- war, beim Aufstehen an der Lederhose
ten Deutschlands haben die Pandemie zu kleben blieb. So gehaltvoll wird es derzeit
spüren bekommen.
spüren bekommen. nicht mehr ausgeschenkt.
diese Bacchanten-Wut äußerte, lachte man
mir ins Gesicht. Ein anderer von diesen Fu-
rientänzen ist der Hops. Dieser kann Ihnen
aber schon aus einem sehr schönen und
heilsamen Aufsatz bekannt sein, welchen
ich in einem Hefte des Damenjournals las,
welches ich seit dem Jahre 1796 für meine
Starkbier
Tochter hielt, worin die Schädlichkeit und Starkbier
Unsittlichkeit dieses Tanzes mit den aller-
lebhaftesten Farben geschildert wird. Ich Der Begriff „Starkbier“ steht oft gleichbe-
habe mir diesen Hops doch nie so vorge- deutend mit „Bayern“, dabei stammt das
stellt, wie ich ihn gefunden. Es sind die lä- Starkbier gar nicht von hier, außerdem
cherlichsten tollen Bocksprünge, und mich kommt nur ein Drittel der deutschen Pro-
wundert, wie sich das Frauenzimmer dabei duktion aus Bayern. Ursprünglich wurde es
so ärgerlich herumhudeln und herumreißen in der Stadt Einbeck im heutigen Nieder-
lassen kann. Ich hatte dabei das Vergnü- sachsen gebraut – daher der Name „Bock-
gen, von meiner Tochter zu hören, dass ihr Bier“. Wegen seines hohen, konservieren-
dieser Hokuspokus ganz und gar nicht ge- den Alkoholgehaltes konnte es bei den
fi el. Ich hätte ihr gewiss ein neues Kleid damaligen Verkehrsverhältnissen über wei-
kaufen müssen, denn während wir darüber te Strecken exportiert werden, beispiels-
sprachen, schleppte schon ein Frauenzim- weise ins 560 Kilometer entfernte Mün-
mer einen ellenlangen Fetzen von ihrem chen. Dieses Einbeckische Bier gewann
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