Page 14 - Taxikurier Juli 2022
P. 14

RECHTSPRECHUNG
                                                                                                               istockphoto
             ➔ URTEILE




            Absehen vom Fahrverbot nur bei tragfähigen Feststellungen   Tragfähige Urteilsfeststellungen erforderlich
            zum Vorliegen einer besonderen Härte
                                                               Sei trotz eines Regelfalls die Verhängung eines Fahrverbots unange-
                                                               messen, könne zwar von einem Fahrverbot abgesehen werden. Dies
            Amtsgericht muss erneut Feststellungen über Vorliegen   sei etwa anzunehmen, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrver-
            besonderer Härte treffen                           bots der Verlust seines Arbeitsplatzes drohe. Insoweit fehlten je-
                                                               doch tragfähige Urteilsfeststellungen. Die Feststellungen des Amts-
            Das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mind.   gerichts beruhten allein auf den Angaben des Betroffenen. Aus
            41 km ⁄ h indiziert grundsätzlich die Verhängung eines Fahrverbots   welchen Gründen diese für glaubhaft erachtet wurden, um Miss-
            von einem Monat. Davon kann nur abgesehen werden, wenn An-  brauch auszuschließen und eine fundierte Grundlage zu schaffen,
            haltspunkte für eine außergewöhnliche Härte vorliegen. Der Verlust   sei nicht dargelegt. So sei auch nicht erkennbar, ob Zweifel am
            des Arbeitsplatzes kann im Einzelfall eine solche unverhältnismäßi-    Zutreffen dieser Angaben des Betroffenen aufgekommen seien.
            ge Härte darstellen. Dies bedarf jedoch der ausführlichen Begrün-  Das OLG hat die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, damit
            dung und Darlegung der zugrundliegenden Tatsachen. Die kritiklose   weitere Feststellungen zur Frage, ob das Fahrverbot im konkreten
            Übernahme der Einlassung des Betroffenen durch den Tatrichter oder  Fall eine besondere Härte darstellen würde, treffen kann.
            bloße Vermutungen genügen nicht. Das Oberlandesgericht Frankfurt
            am Main (OLG) hat ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben, mit   (Oberlandesgericht Frankfurt am Main,
            welchem das im Bußgeldbescheid verhängte Fahrverbot aufgehoben   Beschluss vom 26.04.2022 – 3  Ss-OWi  415 ⁄ 22)
            worden war. Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstge-
            schwindigkeit auf der A 3 im April 2021 um mindestens 43 km ⁄ h.
            Gegen ihn wurde deshalb im Mai 2021 nach der damals gültigen   Rechts aufgestelltes Temposchild gilt für sämtliche
            Bußgeldkatalogverordnung eine Geldbuße von 160 Euro und ein     Fahrbahnen der Autobahn
            Fahrverbot von einem Monat verhängt. Auf seinen Einspruch hin
            setzte das Amtsgericht Wiesbaden mit Urteil vom November 2021
            die Geldbuße auf 320 Euro fest und hob das Fahrverbot auf. Der   Keine Geltung nur für den Einfädelungs- bzw.
              Betroffene hatte u.a. darauf hingewiesen, seit dem 1.10.2021 als   Ausfädelungsstreifen
            Berufskraftfahrer zu arbeiten und sich noch in der Probezeit zu
              befinden. Ihm könne deshalb ohne Begründung gekündigt werden.   Ein an einer Autobahn rechts aufgestelltes Temposchild gilt für
            Dies sei zu befürchten, wenn ein Fahrverbot festgesetzt werde. Das   sämtliche Fahrbahnen der Autobahn und nicht nur für den Einfäde-
            Amtsgericht sah deshalb das Fahrverbot als besondere Härte an.  lungs- bzw. Aus fädelungs streifen. Dies hat das Oberlandesgericht
                                                               Düsseldorf entschieden. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrun-
                                                               de: In einer Nacht im Oktober 2020 überschritt ein Autofahrer auf
            Feststellungen des Amtsgerichts nicht ausreichend    einer Autobahn in Duisburg die zulässige Höchstgeschwindigkeit
            für Absehen von Fahrverbot                         von 80 km ⁄ h um 58 km ⁄ h. Zwar hatte er nach eigenen Angaben das
                                                               rechts aufgestellte Temposchild gesehen, jedoch angenommen, dass
            Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft   sich dieses nur auf den rechtseitig verlaufenden kombinierten Einfä-
            führte zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Die Feststellun-  delungs- und Ausfädelungsstreifen bezog und nicht auf die beiden
            gen des Amtsgerichts deckten nicht die Voraussetzungen für ein   Hauptfahrbahnen. Das links aufgestellte Temposchild sei von einem
              Absehen von einem Fahrverbot. Die festgestellte Ordnungswidrigkeit   anderen Fahrzeug verdeckt gewesen. Der Autofahrer wurde vom
            werde mit einer Regelgeldbuße von 160 Euro und einem Regel-  Amtsgericht wegen eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes
            fahrverbot von einem Monat belegt (§§ 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1   zu einer Geldbuße von 600 Euro und einem einmonatigen Fahrver-
            i.V.m. Nr. 11.3.7. BKatV). Bei dieser Zuwiderhandlung sei ein grober   bot verurteilt. Dagegen richtete sich seine Rechtsbeschwerde.
            bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert, dessen Ahndung, abgese-
            hen von besonderen Ausnahmefällen, eines Fahrverbots als Denk-
            zettel- und Besinnungsmaßnahme bedürfe, betonte das OLG.  Vorliegen eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes

                                                               Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt die Entscheidung des
                                                               Amtsgerichts. Der Regelungsbereich eines rechts aufgestellten Ver-
                                                               kehrszeichens umfasse im Sinne einer quer zur gesamten Fahrbahn
                                                               verlaufenden Linie sämtliche Fahrstreifen. Verkehrszeichen stehen
                                                               als Schilder regelmäßig rechts. Gelten sie nur für einzelne Fahrbah-
                                                               nen, seien sie in der Regel über diesen angebracht.







            14 ⁄ TAXIKURIER ⁄ JULI 2022
   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18   19