Page 29 - Taxikurier November 2022
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VERKEHRSRECHT



            TAXITARIFE – EIN WENIG AUFKLÄRUNG ÜBER EIN

            HÄUFIGES STREITTHEMA                  recht kompakt





              „Der Tarifantrag ist zu hoch!“, „Nein, der Antrag ist zu
              niedrig!“, „Außerdem hätte er schon längst gestellt                                             istockphoto
                werden müssen“ usw. – aus nachvollziehbaren Gründen
              sind die sich um den Taxitarif rankenden Begleitthemen
              einige der meistdiskutierten in der Branche. Hier sollten
              wir etwas mehr in die Tiefe gehen, denn vieles was
                diskutiert wird, entspricht nicht so ganz dem, was der
              Gesetzgeber tatsächlich vorgeschrieben hat.

            Um gleich mit einer der häufigsten Fehlannahmen aufzuräu-
            men: die von einer Zentrale, einem Ortsverband oder sogar von
            Unternehmern gestellten „Tarifanträge“ sieht das Gesetz gar
            nicht vor. Im Taxenverkehr ist vielmehr der gesamte Tarif durch
            Rechtsverordnung (Taxitarifverordnung) von der dazu ermäch-  Der Behörde ist es in jedem Falle anzuraten, sorgfältig zu
            tigten Behörde festzusetzen, von der auch die Initiative zu     prüfen und die dabei getätigten Überlegungen auch schriftlich
              Tarifanpassungen auszugehen hat. In der Praxis hat es sich   festzuhalten. Die bloße allgemeine Behauptung der Behörde,
              allerdings eingebürgert, dass meist seitens der Organisationen   eine Gewinnspanne für die Unternehmen ebenso wie die Auf-
            der Taxiunternehmerschaft ein „Tarifantrag” gestellt wird.   wendungen für notwendige Investitionen berücksichtigt zu
              Dagegen ist auch nichts einzuwenden, da die mit den „Tarif-    haben, ohne dies im Ansatz zu substantiieren bzw. nachvoll-
            anträgen“ einhergehenden Begründungen Daten über die   ziehbar offenzulegen, reicht jedenfalls nach aktueller Recht-
              Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage liefern, welche der   sprechung nicht. Ein damit unzureichend aufgestellter Taxitarif
              Behörde nicht permanent aktuell zur Verfügung stehen. Ein   vermag eventuell sogar Amtshaftungsansprüche zu eröffnen,
            Recht darauf, dass einem solchen Antrag – besser sollte man   wenn die Unternehmer Einnahmeverluste belegen können.
            von  Anregung sprechen – zugestimmt wird oder dass sich die   Die Taxentarifordnung ist in einem solchen Fall nach der
            Behörde damit überhaupt befasst, gibt das Gesetz nicht her.      wBewertung des Oberverwaltungsgerichts nämlich unwirksam.
            Die Behörde hat dies selbständig zu überprüfen, am besten
            in regelmäßigen (bspw. jährlichen) Abständen.     Wo steht’s im Gesetz?
                                                              § 51 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. §§ 14 Abs. 2 und 39 Abs. 2 PBefG
            Wenn sich dann die Behörde dazu entschieden hat, eine Tarif-
            anpassungsverfahren einzuleiten, heißt das nicht, dass in dem   Welches Gericht hat’s entschieden?
            dann durchzuführenden Anhörungsverfahren zwingend auch die   OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.06.2022,
            örtlichen Unternehmer anzuhören sind. Die Behörde kann dies   Aktenzeichen 3 K 196 ⁄ 19
            tun, ein Anhörungsrecht haben aber nur die Gewerbeaufsicht,
            die IHK, die Fachgewerkschaften und die Verkehrsverbände.
                                                              Der Autor:
            Bei der Festsetzung des Taxitarifs in der Taxitarifordnung ist   Rechtsanwalt Thomas Grätz
            wichtig, dass die Behörde die im öffentlichen Interesse ge-  ist seit über 30 Jahren mit
            wünschte Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Leistungswillig-    Personenbeförderungsrecht
            keit der Beförderer zu berücksichtigen hat. Das verlangt die   befasst und war Geschäftsführer
            Veranschlagung von angemessenen Gewinnspannen und Rück-  vom  damaligen Taxi-Bundes-
            lagen für Aufwendungen für notwendige technische Entwick-  verband BZP.  Bekannt ist auch
            lungen bei den Unternehmen, deren Höhe unter Berücksich-  sein PBefG- Standardwerk
            tigung herkömmlicher einschlägiger und repräsentativer     „Fielitz ⁄ Grätz“.
            Erfahrungswerte anzusetzen ist. Welche Entgelthöhe festge-
            setzt wird, welche tatsächlichen Ermittlungen oder welche
              betriebswirtschaftlichen Überlegungen anzustellen sind, ob-
            liegt allein der Genehmigungsbehörde. Sie kann sich dabei der
            Hilfe von Gutachtern bedienen, sie kann es aber auch allein
              bewerkstelligen.






                                                                                      NOVEMBER 2022 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 29
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