Page 31 - Taxikurier November 2022
P. 31
ihrer Flüchtlingsorganisation UNRRA (United Münchner Goldschmiedemeistern, deren Wer- geboren 17.3.1732 in Trostberg, gestorben
Nations Relief and Rehabilitation Administra- ke sich in Münchner Museen und Kirchen 8.11.1792 in München.“ Und dann kam
tion), für die Unterbringung von Displaced befinden.“ Man wollte im Wohnlager Frauen- noch am 15. September 1955 der heute noch
Persons übernommen. Bis Ende der 1940er holz gut klingende Straßenbenennungen bestehende Goldschmiedplatz hinzu: „Nach
Jahre waren im Lager Frauenholz ausschließ- schaffen, um die Armut der Anwohner we- einer Münchner Goldschmiedefamilie des
lich Russen und Ukrainer untergebracht, die nigstens adressmäßig zu kaschieren. Die de- 14. Jahrhunderts.“
sich um die Auswanderung nach USA, Kanada primierende Wohnumgebung sollte offenbar
oder andere nichtkommunistische Staaten aufgewertet werden, indem die Bewohner
bemühten. Im November 1951 übernahm der plötzlich mit traditionsreich und edel klin- Heute
Freistaat Bayern die Baracken als „Regie- genden Adressen aufwarten konnten. Die
rungslager für heimatlose Ausländer“. Nach neuen Namen waren, ohne dass die Wege Nach dem Bau der Siedlung Hasenbergl seit
dessen Auflösung 1953 kaufte das Wieder- jetzt befestigt worden wären: Andreas- 1960 wurden die Baracken nach und nach
aufbaureferat der Stadt München das Gelän- Dräxel-Weg, Bernhard-Peter-Weg, Graispach- abgerissen und ihre Geschichte endete da-
de und ließ die Baracken instand setzen. weg, Grossauerweg, Hans-Reimer-Weg, mit, aber nicht vollständig. Abgesehen da-
Hötzerweg, Jändelweg, Kesslerweg, Melper- von, dass sich die Bezeichnung „Frauenholz“
gerweg, Oxnerweg, Plannerweg, Schlickweg, noch auf Stadtplänen findet, entschied sich
Städtisches Wohnlager Frauenholz Schomerweg, Streißelweg, Velnhamerweg, der Stadtrat zu folgenden thematisch erin-
Weitmannweg sowie Zeillerweg. Auf Informa- nernden Straßenbenennungen, die heute auf
Ab August 1953 wies das Wohnungsamt tionen zu den einzelnen Geehrten kann hier dem Gelände des ehemaligen Barackenlagers
infolge der katastrophalen Wohnungsnot aus Platzgründen nicht näher eingegangen liegen:
obdachlose Familien ein. Das „Städtische werden. Diese sicherlich gut gemeinten Stra-
Wohnlager Frauenholz“ war mit bis zu ßenbenennungen für ein Viertel der Armut ➔ Fortnerstraße von 1963: „Andreas Fortner,
4.000 Personen in 75 Baracken belegt, das und der Not und der damit oft einhergehen- geboren 16.6.1809 in Prag, gestorben
größte seiner Art in der Bundesrepublik den sozialen Ausgrenzung von außen her 14.3.1862 in München, Meister der Klein-
Deutschland. Die Bewohner und Bewohnerin- konnten aber das Gegenteil bewirken und kunst (Gold- und Silberschmied)“;
nen des Wohnlagers Frauenholz genossen – leicht nach hinten losgehen, etwa wenn man
zu Recht und meist zu Unrecht – einen sich um eine Lehrstelle bewarb und dabei ➔ Wintersteinstraße ebenfalls von 1963:
denkbar schlechten Ruf, ihre trostlosen die Adresse angeben musste. Nur so viel sei „1) Heinrich und David Winterstein, Gold-
Behausungen starrten infolge der allgemei- gesagt: Von diesen Benennungen nördlich schmiede, nachweisbar in Augsburg 1585
nen Not vor Armut und Schmutz. Die Wege der heutigen Grohmann- und Aschenbrenner- bis 1634 beziehungsweise 1664 bis 1690,
zwischen den Baracken waren – wenig straße ist nach dem endgültigen Abriss des 2) Georg Winterstein, Holzschnitzer,
verwunderlich – weder gepflastert noch Lagers Ende der 1960er Jahre fast keine er- nachweisbar 1772“;
geteert, was zur allgemeinen Misere noch halten geblieben. Lediglich der Heinrich-
beitrug. Die Gebäude selbst waren durch- Braun-Weg vom 3. Februar 1955 macht eine ➔ Thelottstraße von 1968: „Johann Andreas
nummeriert. Ausnahme, auch weil er den Zusatz „Weg“ Thelott, geboren 10.4.1655 in Augsburg,
beibehalten hat. An ihm lagen die drei gestorben 25.6.1734 in Augsburg, dessen
Baracken der Schule, die zum Schuljahr Arbeiten als Goldschmied, Zeichner und
Straßennamen 1954/1955 ihren Betrieb aufnahm. Vorher Kupferstecher in den Museen fast aller
hatte der Unterricht in der Baracken-Gast- europäischen Hauptstädte zu finden
Der Stadtrat nun beschloss am 8. Juli 1954: stätte „Zum Frauenholz“ stattgefunden. sind.“
„In der Wohnanlage Frauenholz sind auch Außerdem hob sich der Heinrich-Braun-Weg
auf Wunsch des Bezirksausschusses die dorti- von den Goldschmieden ab, denn er erinnert Auf diese Weise bleibt uns das Viertel der
gen Wege zu benennen. Verwendet werden thematisch passend an: „Geistlicher Rat, Goldschmiede auf dem Straßenschild doch
Vorschläge nach berühmten deutschen und Professor, bayerischer Schulreformator, noch erhalten. (BW)
NOVEMBER 2022 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 31