Page 31 - Taxikurier Januar 2023
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sammelte sich eine große Anzahl von   der Stadt wurde der militärische Ausnahme-  Unruhen, die trotz der zeitlichen Entfer-
             Studierenden an der Hauptwache, dem   zustand ausgerufen und Reserven mobili-  nung erstaunliche Parallelen zu ihren Vor-
           Schrannenplatz und in die Kaufinger- und   siert. Aber es blieb unerwartet ruhig außer   läufern aufwiesen: die Schwabinger Krawal-
           Rosenstraße hinein. Sie vermehrten sich in   dass „ungefähr 16 Individuen, teils Stu-  le von 1962, die ersten Jugendunruhen in
           wenigen Minuten so sehr, dass sich deren   denten, teils Handwerksburschen, wegen   Westdeutschland, ebenfalls ausgelöst durch
           Zahl auf 200 bis 300 belaufen mag. Der   Schimpfens und tumultuarischen Betragens   einen anfänglich nichtigen Anlass. Am
             Sicherheit angemessen, rief ich anfangs    arretiert, wovon 5 bis 6 wegen Widerset-  5. Juni 1962 kam es am späten Abend an
           nur einige und mit der wachsenden Menge   zung leicht verwundet waren.“ Damit hatte   der Universität am Geschwister-Scholl-Platz
           sämtliche Wachmannschaften aus der   sich das Protest-Potential erschöpft und es   zu schweren Ausschreitungen zwischen der
           Wachstube und stellte sie unter das Ge-  kehrte Ruhe in der Stadt ein.  Polizei und dem Publikum, nachdem etliche
           wehr. Die Gendarmerie forderte die Studie-                          Personen aus der Zuhörerschaft eine dort
           renden auf, sich zu entfernen. Es war ver-                          auftretende Jazz-Musikgruppe gegen deren
           gebens, vielmehr wurden die Gendarmen    Die innenpolitische Bedeutung    Willen veranlassen wollten, nach Konzert-
           zu Fuß und Pferd von Studierenden ausge-  der Tumulte               schluss weiterzuspielen. Die Polizei bahnte
           lacht, verhöhnt und umringt, so dass ich                            sich den Weg durch die brodelnde und pfei-
           sechs Soldaten den Befehl gab, auf die   König Ludwig I. befahl am 29. Dezember   fende Menge, befreite die Musiker und fand
           Masse zuzureiten. Es entstand von Seite   1830 die Schließung der Universität bis   die Reifen ihrer Streifenwagen zerstochen
           der Studenten ein ungeheurer Tumult.“ Als   zum 1. März 1831 und verbot den Nicht-  vor. In ihrer Bedrängnis erschien es der Po-
           dem Kommandanten gemeldet wurde, dass   münchnern unter den Studenten den Auf-  lizei schließlich notwendig, das Überfall-
           ein Teil der Studenten möglicherweise be-  enthalt in der Stadt  für diesen Zeitraum.   kommando zur Verstärkung zu rufen. Inzwi-
           waffnet sei, ließ er einen Bereitschaftszug   Dies hätte einen herben wirtschaftlichen   schen war die Menge auf 2.000 Menschen
           aus der Isarkaserne durch das Tal anrücken   Rückschlag bedeutet, weswegen der Magis-  angewachsen, aus der heraus die Polizei-
           und die Menge zerstreuen. Für den Rest der   trat eine Rücknahme dieser Anweisung   fahrzeuge angegriffen und deren Scheiben
           Nacht streiften Patrouillen zu Fuß und zu     erreichte. Der Philosoph Friedrich von   mit Steinen zerschmettert wurden. Am
           Pferd durch die Stadt.            Schelling (1775–1854, Schellingstraße von   Ende konnte sich die Polizei durchsetzen
                                             1857) hielt am Abend des 29. Dezember    und die Personalien etlicher Unruhestifter
                                             in der Universität eine warnende Rede an   überprüfen. Der „Münchner Merkur“ beob-
           Die Sicherheitsmaßnahmen für      die Studentenschaft: „Es ist Blut geflossen   achtete: „Hier kam es den Krawallmachern
           den 28. und 29. Dezember          und, was noch niederschlagender ist, Sie   jedoch gar nicht so sehr auf Jazz an, son-
                                             selbst waren es, die den gräulichen Zustand  dern sie wollten auf jeden Fall eine Gaudi
           Es kam das Gerücht auf, dass sich ein Teil   der Gewalt hervorgerufen haben. Es ist nur   (wenn man das so nennen kann).“ Seit die-
           der Studenten in einer Gaststätte in der   noch ein Schritt, es ist die heutige Nacht,   sen Vorfällen blieb die Stimmung in der
           Sendlinger Straße sammle, um in der kom-  und das Los ist geworfen. Tun Sie diesen   Maxvorstadt und in Schwabing gespannt.
           menden Nacht das städtische Zeughaus,   Schritt nicht mehr vorwärts und retten Sie
           das heutige Stadtmuseum am Sankt-Jakobs-   sich, Ihre Zukunft, die Universität selbst!“
           Platz, zu überfallen und sich mit den dort   In München kam es danach zu keinen Vor-  Auslöser
           aufbewahrten Gewehren zu bewaffnen und   fällen mehr, auch weil das Militär in den
           dann doch noch die Hauptwache zu erstür-  Straßen präsent blieb.    Anfang der 1960er Jahre hatte sich mit
           men. Daraufhin erhielten alle Soldaten und                          dem Beat eine Musikform entwickelt, bei
           Polizisten das Verbot, mit Dienstschluss                            der auch  sozialkritische Texte eine Rolle
             ihren Feierabend zu beginnen oder die Ka-  Die Schwabinger Krawalle 1962  spielten, die Vielen aus der älteren Genera-
           sernen zu verlassen. Dort wurden bereits                            tion gegen den Strich und auf die Nerven
           provisorische Arrestzellen für die zu erwar-  Knapp 132 Jahre nach den Weihnachts-  ging. Am Abend des 20. Juni 1962 nun, ei-
           teten Massenverhaftungen eingerichtet. In   tumulten von 1830 kam es in München zu   nem Mittwoch, spielten am Wedekindplatz




             Werther   von Kummer   Nöker   Dr. Schwerdt

                                    Rechtsanwälte, Partnerschaftsgesellschaft       *
                                            Tätigkeitsschwerpunkte

                Monika Werther   *    Sven von Kummer     *      Nicola Nöker  *      Dr. Birgit Schwerdt  *
              Fachanwältin: Verkehrsrecht  Fachanwalt: Familienrecht   Fachanwältin: Arbeitsrecht   Fachanwältin: Strafrecht
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                     Zivilrecht              Erbrecht             Fahrerlaubnisrecht
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