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STADTKUNDE MÜNCHEN
➔ ORIENTIERUNG UND STÄNDIGER WANDEL
Die Straßen- und Platznamen – Von Benedikt Weyerer
Die Straßen- und Platznamen einer Gemeinde dienen nicht nur der Orientierung, vielmehr sind sie auch ein schier unend liches
Feld der Diskussion. Sie sind das Gedächtnis der Stadt im Speziellen und ein Spiegel der Geschichte ihres Landes im Allgemeinen,
außer die Stadtverwaltung entscheidet sich für Banalitäten wie Pflanzen und Tiere, was lange Zeit leider häufig genug geschah,
auch in München. Alle Straßenbenennungen können hier aus Platzgründen nicht beleuchtet werden, daher muss sich die Darstel-
lung auf einige zentrale Aspekte beschränken.
Der TAXIKURIER veröffentlicht also Natürliche Straßennamen vorgezogen. Die zweite Umbenennung die-
eine Reihe von Beiträgen, die sich mit ser Art ist der Max-Joseph-Platz von 1803,
den Straßen- und Platznamen in Mün- Als natürliche Straßennamen bezeichnet davor der Residenzplatz, befohlen von Kur-
chen beschäftigen, beginnend mit der man Benennungen, die sich auf natürliche fürst Maximilian IV. Joseph (1756–1825),
Entstehung solcher Benennungen. Gegebenheiten beziehen, beispielsweise seit 1806 König Maximilian I. Joseph. Bis
den Ort, zu dem sie führen: Sendlinger mindestens ins Jahr 1860 entstanden Neu-
Straße, Rosenheimer Straße, Würmtalstra- und Umbenennungen von Verkehrsflächen
STRASSENNAMEN ⁄ TEIL 1 ße, Hachinger-Bach-Straße oder Thalkirch- auf Befehl des Königs. Erst die Gemein-
ner Straße, um nur einige zu nennen. Oder deordnung von 1869 legte ein geregeltes
geografische Gegebenheiten wie das Tal, Vorgehen fest: Der Münchner Magistrat be-
Entstehung die Theresienhöhe, die Hochstraße, Am schloss auf Anregung von privater oder be-
Nockherberg. Dann die Namen, die ein hördlicher Seite hin Straßenbenennungen
In München gibt es rund 6.900 Straßen benachbartes Gewerbe oder eine Tätigkeit und teilte diese der Kammer des Innern der
und Plätze. Infolge des Wachstums der bezeichnen: Bräuhausstraße, Schulstraße, königlichen Regierung von Oberbayern mit.
Stadt werden es jedes Jahr mehr, beispiels- Herzogspitalstraße, Müllerstraße, Erzgieße- Von hier aus gelangten die Vorschläge an
weise 2020 zwölf neue, 14 neue im Jahr reistraße, Bad Brunnthal, Pulverturmstraße, das Königliche Staatsministerium des In-
2021, aber im Jahr 2022 lediglich vier Rennbahnstraße, Sternwartstraße oder nern. Dieses nun stellte fest, ob der König
neue Benennungen, die kurz vor Baubeginn Salzstraße. Ebenso verhält es sich bei Kir- mit den Vorschlägen einverstanden war,
vergeben werden. Die Zahl der Neubenen- chen: Frauenplatz, Heiliggeiststraße, Maria- was meistens der Fall war, denn die Vor-
nungen spiegelt auch immer die wirtschaft- hilfplatz, Pfarrstraße oder Kirchenstraße. schläge waren dementsprechend stromlini-
liche Entwicklung der Stadt wider: So ent- enförmig ausgewählt worden. Die Entschei-
standen beispielsweise zwischen 1900 und dung ging den umgekehrten Amtsweg
1914 Hunderte neuer Namen, während des Verfahren der Benennung zurück ins Münchner Rathaus, wo der Ma-
Ersten Weltkrieges (1914–1918) dann in- gistrat den Beschluss über das Inkraft-
nerhalb der damaligen politischen Grenzen Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ergaben treten der neuen Benennungen fasste, und
Münchens zwar 37 neue Straßenbenennun- sich Straßen- und Platznamen aus natürli- zwar „Allerhöchst genehmigt mit Entschlie-
gen, wo dann allerdings nur spärlich ge- chen Gegebenheiten, Überlieferung etc. ßung des königlichen Staats-Ministeriums
baut wurde, weil das Geld in die Rüstung Gleichzeitig mit dem Entstehen des moder- des Innern“. Diese Prozedur behielt ihre
floss, und ähnlich während des Zweiten nen Bayern und dem Beginn des Königrei- Gültigkeit bis zum Ende des Königreiches
Weltkrieges (1939–1945). In den anschlie- ches Bayern im Jahr 1806 begann das herr- im November 1918. Mit der Revolution im
ßenden Jahren 1945 bis 1948 entstanden schende Fürstenhaus der Wittelsbacher, November 1918 erlangten die Kommunen
wiederum Hunderte neuer Straßennamen, Platz- und Straßenbenennungen zu politi- im nunmehr republikanischen Freistaat
aber es waren dies Umbenennungen poli- sieren und ihre Umbenennung nach sich Bayern eine erweiterte Selbstständigkeit
tisch belasteter Bezeichnungen oder Um- selbst zu befehlen. Ein Beispiel dafür sind und der nunmehrige Stadtrat konnte seine
benennungen, die durch die Eingemein- die Ludwig- und Theresienstraßen, die in Straßenbenennungen eigenständig bestim-
dungen notwendig wurden. Nach der zahlreichen bayerischen Städten entstan- men, ohne eine übergeordnete Behörde um
Währungsreform von 1948 ging es dann den, etwa in Straubing, Ingolstadt oder Erlaubnis bitten zu müssen. Bald allerdings
wieder aufwärts: In München lebten Ende Würzburg. In München machte Kurfürst Karl erhob eine neue Autorität den Anspruch
1948 800.000 Bewohner, Ende 1958 wurde Theodor (1724–1799) den Anfang, als er auf das letzte Wort: Mit der Machtübergabe
die Millionengrenze überschritten und heu- 1797 befahl, die inoffizielle, umgangs- an die Nationalsozialisten am 30. Januar
te sind es knapp 1.600.000 Menschen. Die sprachliche Bezeichnung Stachus in Karls- 1933 verloren die Kommunen wieder weite
Zahl der Straßen- und Platznamen nahm platz zu ändern. Dieses Unterfangen gelang Bereiche ihrer Selbstbestimmung an die
ständig zu und daran wird sich auch nichts bekanntlich nur unzureichend, denn noch Berliner Zentralbehörden. Der Stadtrat trug
ändern. heute wird die alte Bezeichnung der neuen seit 1935 den Fantasienamen „Versamm-
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