Page 27 - Taxikurier Mai 2023
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lung der Ratsherren“ und Oberbürgermeis-  nierte man unter anderem alle militäri-
           ter Karl Fiehler (1895–1969) entschied ge-  schen Namen, also auch Straßennamen,
           mäß dem „Führerprinzip“ alleine über die   die sich auf die Zeit des Ersten Weltkrieges
           Straßenbenennungen. Über ihm stand al-  bezogen, also auf die Zeit nach dem
           lerdings noch eine allerhöchste Institution:   1. August 1914. In der Praxis traten die
           Der Münchner Bürger, Ehrenbürger und   US-Behörden bei den Straßenbenennungen
           „Führer“ Adolf Hitler (1889–1945) amtierte   seitdem immer stärker in der Hintergrund,
           auch als „Beauftragter der NSDAP“ für   da sie sich des demokratischen Charakters
             seine Heimatstadt und beanspruchte seit   des Münchner Stadtrates sicher waren. Zum
           1935 in dieser Funktion für sich das letzte   letzten Mal am 2. Dezember 1954 geneh-
           Wort auch bei den Straßenbenennungen, so  migten die US-Behörden einen Entschluss
           dass alle Entscheidungen ihm zur Genehmi-  des Münchner Stadtrates, nämlich die Stra-
           gung vorgelegt werden mussten. Infolge   ßennamen ihrer US-Siedlung im Perlacher
           seiner behaupteten Arbeitsüberlastung   Forst.
           griff er auf dem Gebiet der Benennungen
           aber nur manchmal auch selbst ein. Nach                             unproblematischen, neutralen Namen nach
           ihrem Einmarsch in München am 30. April   Straßennamen als Ehrung   der Hauptstadt von Niederbayern. Während
           1945 forderte die US-Besatzung die Stadt-                           des Ersten Weltkrieges (1914–1918) wurde
           verwaltung am 25. Juni 1945 auf, bis spä-  Besonders verdiente Persönlichkeiten er-  sie 1917 in Hindenburgstraße umbenannt
           testens 4. Juli 1945 sämtliche Plätze und   halten oft eine Straßen- oder Platzbenen-  nach dem Generalfeldmarschall und Chef
           Straßen, die an Personen oder Motive des   nung – und genau da liegen das Problem   der Armee Paul von Beneckendorff und
           Dritten Reiches erinnerten, umzubenennen   und die Ursache für eine nicht enden woll-  Hindenburg (1847–1934). Während der
           und bis zum 31. August 1945 mit neuen   ende Diskussion und sogar öffentliche   Weimarer Demokratie weiterhin hoch ge-
           Schildern zu versehen. Am 1. August 1945     Aufregung. Denn je nach den politischen   achtet, wurde der bekennende Antidemo-
           setzten die US-Behörden einen neuen   Systemen, die gerade in Deutschland be-  krat 1925 sogar Reichspräsident und er-
           Stadtrat ein. Gleichzeitig beanspruchten   reits öfter gewechselt haben, erachten vie-  nannte als solcher 1933 Adolf Hitler zum
           sie das Recht der Genehmigung aller Neu-   le Menschen eine bereits geehrte Person   Reichskanzler. Nach dem Dritten Reich und
           und Umbenennungen, weil demokratisierte   einer Straßenbenennung für würdig bezie-  dem Zweiten Weltkrieg hielt man Hinden-
           Straßennamen bei der Entnazifizierung eine  hungsweise unwürdig: Königreich Bayern   burg verständlicherweise nicht mehr eines
           wichtige Rolle spielten. Am 13. Mai 1946   bis 1918, Weimarer Demokratie von 1919   Verkehrsweges für würdig und daher kehrte
           verlangten die US-Behörden die vollständi-  bis 1933, Drittes Reich von 1933 bis 1945   1946 die Landshuter Allee auf die Straßen-
           ge Beseitigung deutscher Denkmäler und   und schließlich die demokratische Zeit bis   schilder zurück. Ein eigenes Kapitel wird
           Museen militaristischen  Charakters bis   heute. Als Beispiel soll die Landshuter Al-  sich mit dem Thema der Umbenennungen
           zum Januar 1947. Als militaristisch defi-  lee dienen: Im Jahr 1902 erhielt sie ihren   beschäftigen. ➔




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