Page 31 - Taxikurier Mai 2024
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recht kompakt
VERKEHRSRECHT
➔ TAXITARIFERHÖHUNG
Hat die Behörde von sich aus eine Taxitariferhöhung Nun zur Auflösung der Frage in der Überschrift:
durchzuführen? Auf jeden Fall! Oder doch nicht?
Im Taxiverkehr wird der gesamte Tarif durch Rechtsverordnung
Muss die Genehmigungsbehörde die Taxitarife regelmäßig von der ermächtigten Behörde festgesetzt, von der auch die
oder erst auf Antrag des Landesverbandes, der Zentrale oder Initiative zu Tarifanpassungen auszugehen hat (ob es ein Klage-
sogar einzelner Unternehmer erhöhen? Eine der Fragen, die recht auf Tarifüberprüfung gibt, ist allerdings umstritten).
im Gewerbe zu heftigsten Diskussionen führt, ist zwangsläufig In der Praxis hat es sich allerdings eingebürgert, dass örtliche
wegen der Auswirkungen auf die Umsatzsituation jedes Unter- oder Landesorganisationen der Taxiunternehmen einen „Tarif-
nehmers die Taxitarifanpassung. Was steht dazu im Gesetz, antrag“ stellen. Dagegen ist nichts einzuwenden, da die mit den
das wollen wir uns hier mal anschauen: Tarifanträgen zu verbindende Begründungen Daten über die
Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage übermitteln, die der Be-
Das rechtliche Instrument zur Festsetzung des Taxitarifs, also der hörde trotz ihrer Aufsichts- und Prüfungsbefugnisse nicht aktuell
Bestimmung der Tarifkomponenten und der Einzelheiten, wann permanent zur Verfügung stehen. „Tarifanträge“ von einzelnen
welche Tarifstufe anzuwenden ist, ist die Taxitarifordnung. Diese Unternehmern oder aber von Organisationen außerhalb der an-
soll grundsätzlich von der jeweiligen Landesregierung erlassen wer- hörberechtigten Organisationen sind regelmäßig unbeachtlich,
den. Diese haben aber in den Flächenländern diese Aufgabe dele- da diesen die notwendige Nähe zur Erfassung der aktuellen Situ-
giert auf die Kreise und kreisfreien Städte, in manchen Bundeslän- ation des örtlichen Taxigewerbes fehlt (Bsp. Krankenkassen).
dern wie in Hessen sind sogar größere Gemeinden für den Erlass
der Taxitarifordnungen zuständig. Die Genehmigungsbehörde hat
die Beförderungsentgelte daraufhin zu überprüfen, ob sie unter Wo steht’s im Gesetz?
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmer, einer § 51 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 2 PBefG (letztere Vorschrift besagt,
ausreichenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und dass der Taxitarif unter Berücksich tigung der wirtschaftlichen
der notwendigen technischen Entwicklung angemessen sind. Das Lage der Unternehmer, einer aus reichenden Verzinsung und
Gesetz geht nämlich davon aus, dass bei aller Besonderheit der Tilgung des Anlagekapitals und der notwendigen technischen
Struktur des Personenbeförderungsverkehrs und der jeweiligen Entwicklung angemessen zu sein hat; über § 51 Abs. 4 i.V.m.
Wettbewerbs- und Marktverhältnisse die Wirtschaftlichkeit des § 14 Abs. 2 PBefG wird die Anhörung geregelt
Beförderungsvorgangs für die Unternehmer tendenziell am besten
geeignet ist, die Betriebssicherheit des Beförderungsvorganges und Welches Gericht hat so entschieden?
die Fähigkeit und Bereitschaft zu den vom Gesetz gewünschten 1 OVG Sachsen-Anhalt, Urteil. V. 16.06.2022 – 3 K 196/16 –;
Beförderungsleistungen unter Beachtung der öffentlichen Verkehrs- 2 OVG Hamburg, Beschluss v. 23.06.2009 – 3 Bf 62/06.Z –;
interessen zu gewährleisten . Deshalb müssen die Beförderungsent- 3 VGH Bayern, Urteil v. 13.05.1996 – 11 N 93.3637 –
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gelte so festgesetzt werden, dass nicht nur Kostendeckung, sondern
auch eine angemessene Gewinnspanne enthalten ist. Der Gewinn
ist notwendig für die Leistungswilligkeit des Unternehmers und
notwendige Investitionen.
Die Tariffestsetzung wie auch die Überprüfung des geltenden Tarifs
setzt eine aktuelle und prognostische Gesamtwirtschaftlichkeits-
betrachtung aller betroffenen Unternehmen voraus. Dies ist durch Der Autor:
die ermächtigte Behörde durchzuführen, die keineswegs dazu ver- Rechtsanwalt Thomas Grätz
pflichtet ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen . Aus der ist seit über 30 Jahren mit
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Einheitlichkeit der Entgeltregelung für alle Taxi unternehmer des Personenbeförderungsrecht
betreffenden Tarifbereichs folgt, dass die Wirtschaftlichkeit der befasst und war Geschäftsführer
Tarif regelung nicht mit dem Betriebsergebnis eines einzelnen Taxi- vom damaligen Taxi-Bundes-
unternehmens begründet werden kann. Ebenso wenig kann sie da- verband BZP. Bekannt ist auch
mit auch in Frage gestellt werden . Verschiedene Institutionen sind sein PBefG- Standardwerk
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zu dem Entwurf einer Taxitarifordnung gutachtlich zu hören, dies „Fielitz ⁄ Grätz“.
sind die Betriebssitzgemeinde, die zuständige Gewerbeaufsichtsbe-
hörde, die örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer, die
Fachgewerkschaften sowie die Verkehrsverbände. Nach Ermessen der
Tariffestsetzungs behörde können auch weitere Stellen (beispielswei-
se Umwelt- und Fremdenverkehrsverbände) angehört werden.
MAI 2024 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 31