Page 30 - Taxikurier Mai 2024
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Die Albertstraße wurde am 3. Oktober 1900
zur Heinrich-Vogl-Straße: „Berühmter
königlich bayerischer Kammersänger, ge-
storben 1900“, die Ottostraße zur Mendels-
sohnstraße: „Felix Mendelssohn-Bartholdy,
berühmter Komponist, geboren 3. Februar
1809 zu Hamburg, gestorben 4. November
1847 zu Leipzig.“ Dessen jüdische Herkunft
diente spätestens seit 1933 oft als Stein
des Anstoßes, so dass die Straße seit dem
29. April 1937 ihre heutige Bezeichnung
Pössenbacherstraße trägt: „Münchner
Künstlerfamilie der Rokokozeit“. Seit dem
17. November 1927 gibt es schließlich die
Gerblstraße: „Eugen Gerbl, letzter Bürger-
meister der ehemals selbständigen Gemein-
de Thalkirchen, geboren 1847, gestorben
20.4.1901 in München-Thalkirchen“, seit
1965 Gerblweg. Und am 28. April 1955 kam
dann noch die Littmannstraße hinzu:
„Geheimer Hofrat Max Littmann, Münchener Gern: Gescheiterte Erpressung Bürger des Bezirkes eine Straße ‚Ballauf-
Architekt, geboren 3.1.1862 auf Schloss straße’ benannt wird.“ Der zuständige
Chemnitz, gestorben 20.9.1931 in Mün- Der Turn- und Sportverein Neuhausen- Wohnungsreferent Karl Preis (1884–1946,
chen“. Alles nicht so einfach auf dem Nymphenburg stellte am 7. Oktober 1928 Karl-Preis-Platz von 1946) teilte am 5. De-
weiten Feld der Straßennamen. den Antrag, die Schlagintweitstraße in zember 1929 mit, Ballaufs Rechtsanwalt
Gern in Johann-Ballauf-Straße umzubenen- hätte hingegen mitgeteilt, sein Mandant
nen. Zur Begründung hieß es, dass die habe den wohlverständlichen Wunsch, dass
Nymphenburg: Schlau eingefädelt Familie Ballauf seit über 100 Jahren die die Schlagintweitstraße zur Johann-Ballauf-
größten Grundbesitzer in Gern seien und Straße, nicht nur zur Ballaufstraße werde.
Der Landwirt und Großgrundbesitzer dass nun Johann Ballauf (1860–1930) be- Er, Preis, glaube, die Schenkung sei von
Johann Eisenböck (1835–1906) aus Neu- reit sei, zur Ausübung des Turn- und Sport- rein egoistischen Motiven diktiert. Den-
hausen ließ zwischen Neuhausen und gedankens, zur körperlichen und geistigen noch würde er diese Umbenennung aus-
Schloss Nymphenburg eine vornehme Ertüchtigung der Jugend dem Sportverein nahmsweise befürworten, da – unabhängig
Villenkolonie errichten. Der Mittelpunkt ein zwei Tagwerk [= 7.000 Quadratmeter] von Ballaufs Motiven – die Öffentlichkeit
der Siedlung wurde 1880 das edel klingen- großes Grundstück im Wert von 120.000 eine Ablehnung nicht verstehen würde,
de Rondell Neuwittelsbach aus Anlass des Reichsmark an der Tizianstraße 104 schen- wenn der Allgemeinheit ein solcher Geldbe-
700-jährigen Regierungsjubiläums des kungsweise zu überlassen. Oder anders trag geschenkt werde. Im Übrigen wolle er
bayerischen Herrscherhauses der Wittels- ausgedrückt: Ballauf wollte die Stadt er- noch mitteilen, dass am Vormittag die no-
bacher. Auf diesem Grund entstand eine pressen, nicht etwa, indem er Geld von tarielle Verbriefung bereits stattgefunden
private Hauptverkehrsstraße, die später ihr forderte, sondern im Gegenteil, indem habe mit dem Vorbehalt, dass der Stadtrat
in öffentlichen Besitz überging. Und hier er ihr einen geldwerten Vorteil anbot. eine Johann-Ballauf-Straße schaffe. Stadt-
zeigte sich Eisenböcks Schläue, denn er Auf dem Grundstück stand die Sporthalle rat Eduard Schmid (1861–1933, Eduard-
benannte die Straße nicht nach sich selbst. des Vereins, in der auch Kinder städtischer Schmid-Straße von 1946) sagte zum
Er wusste, wer für Baugenehmigungen aller Schulen unterrichtet wurden. Schluss der hin und her wogenden Debatte:
Art letztverantwortlich zuständig war, näm- „Die Sache ist sehr einfach. Der Turnverein
lich der Vorstand des Königlichen Bezirks- Das Schulreferat zeigte sich in einer möchte das Grundstück haben und hat
amtes München links der Isar, Rudolph Stellungnahme von der Idee angetan: „Die Ballauf gesagt, wir werden schauen, dass
Ernst Philipp August Freiherr von Roman wertvolle Schenkung macht dem Ökonom eine Straße nach dir benannt wird, und du
(1836–1917), der in seinem Amt darüber Ballauf alle Ehre und würde sowohl vom gibst uns dann das Grundstück. Das hat
hinaus auch der Vorgesetzte der Neuhauser Schul- wie auch vom Sportreferat freudig sich Ballauf nun in den Kopf gesetzt und
und Nymphenburger Bürgermeister war. begrüßt.“ Oberbürgermeister Karl Scharnagl macht zur Bedingung der Schenkung, dass
Und so kam es 1879 nicht zur privaten (1881-1963, Karl-Scharnagl-Ring von die Straßenbenennung nach seinem Namen
Eisenböckstraße, sondern zur Romanstraße, 1964) wandte dagegen ein: „Herr Ballauf vorausgeht. Das können wir nicht machen.“
die mit den Eingemeindungen von Neuhau- wäre darauf aufmerksam zu machen, dass Darauf erklärte Preis die Angelegenheit für
sen 1890 und Nymphenburg 1899 von der die Benennung von Straßen nach lebenden beendet und Scharnagl meinte, man werde
Stadt München übernommen wurde. Doch Persönlichkeiten mit Rücksicht auf die Kon- schauen, ob sich nicht eine andere Rege-
damit nicht genug: Der Eßlingerplatz er- sequenzen unmöglich durchgeführt werden lung finden lasse. In Ballaufs Brust obsieg-
hielt 1902 seinen heutigen Namen Roman- kann. (...) müsste man Ballauf die spätere te schließlich seine soziale Ader und er
platz. Ehrung [= nach seinem Tod] andeuten. schenkte dem Sportverein das Grundstück,
Besser wäre es, wenn er sich überhaupt ohne dass er im Gegenzug von der Stadt
begnügen würde, dass zum Andenken an die Umbenennung der Schlagintweitstraße
seinen verstorbenen Vater als angesehenen erpresst hätte.
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