Page 26 - Taxikurier August-September 2024
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RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Drohender Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertigt   Keine existenzvernichtende Härte durch Fahrverbot
             grundsätzlich kein Absehen vom Regelfahrverbot
                                                              Schließlich sah das Amtsgericht auch keine existenzvernichtende
                                                              Härte durch das Fahrverbot. Der Betroffene sei als Bauleiter mit
           Unzulässiges Berufen auf Notwendigkeit der Fahrerlaubnis      Asbestberechtigung hoch spezialisiert und dementsprechend begehrt.
           bei bewusstem Riskieren eines Fahrverbots
                                                              (Amtsgericht Landstuhl,
             Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertigt grundsätz-  Urteil vom 09.02.2024 – 3 OWi 4211 Js 11910 ⁄ 23)
             lich kein Absehen vom Regelfahrverbot. Wer bewusst durch
             mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, die Fahrerlaubnis zu ver-
             lieren, kann sich auf deren Notwendigkeit nicht nachträglich   Kolonnenspringen mit hoher Geschwindigkeit
             berufen. Dies hat das Amtsgericht Landstuhl entschieden.  und bei enger Fahrbahnbreite stellt Überholen bei
                                                              unklarer Verkehrslage dar
           Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2023 über-
           schritt ein Autofahrer in einem Baustellenbereich auf der A 62 in
           Richtung Trier die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km ⁄ h   Keine Pflicht zum Fahren am äußersten rechten Fahrbahnrand
           um 53 km ⁄ h. Der daraufhin im August 2023 erlassene Bußgeld-  zwecks Ermöglichung von Kolonnenspringen
           bescheid legte dem Autofahrer nicht nur eine Geldbuße, sondern
           auch ein Regelfahrverbot von einem Monat auf. Gegen den Buß-  Das Kolonnenspringen mit hoher Geschwindigkeit und bei enger
           geldbescheid ging der Autofahrer gerichtlich vor. Er verwies da-  Fahrbahnbreite stellt ein Überholen bei unklarere Verkehrslage
           rauf, dass er aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis ange-    gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO dar. Es besteht keine Pflicht, am
           wiesen ist. Ohne diese werde er seinen neuen, im November 2023     äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren, um das riskante Über-
           angetretenen Job verlieren.                        holen einer Kolonne zu ermöglichen. Dies hat das Landgericht
                                                                Ellwangen entschieden.

           Kein Absehen von Regelfahrverbot wegen unzumutbarer Härte  Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einem Nachmit-
                                                              tag im Juli 2022 kam es auf einer Kreisstraße zwischen Gaggstatt
           Das Amtsgericht Landstuhl entschied gegen den Betroffenen. Ein   und Wallhausen zu einem Verkehrsunfall als ein Teslafahrer eine
           Absehen vom Regelfahrverbot wegen einer unzumutbaren Härte   Fahrzeugkolonne überholte. Beim Versuch drei Fahrzeuge auf ein-
           komme nicht in Betracht. Es sei zu beachten, dass der Betroffene   mal zu überholen, beschleunigte der Tesla auf 95 km ⁄ h und kolli-
           einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Geschwindigkeitsbegren-  dierte mit einem in der Kolonne befindlichen Opel Astra. Die Kreis-
           zung begangen habe. Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot   straße war an der Stelle etwa 5 m breit. Sie verfügte weder über
           durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, könne nicht geltend   eine Mittellinie noch über ein Bankett. Zudem verlief die Straße
           machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein. Es stelle keine   in einer Rechtskurve bergab und anschließend in einer Linkskurve
           unzumutbare Härte dar, wenn ein Kraftfahrzeugführer in Kenntnis   bergauf. Der Teslafahrer klagte gegen den Fahrer und den Halter
           der Notwendigkeit der Fahrerlaubnis für seine Berufstätigkeit   des Opel sowie dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von
           durch verkehrswidriges Verhalten seine Berufstätigkeit gefährdet.  Schadensersatz. Er führte an, dass sich der Opelfahrer nicht an das
                                                              Rechtsfahrgebot gehalten habe. Das Amtsgericht Langenburg wies
                                                              die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
           Möglichkeit der Ableistung des Fahrverbots vor Antritt
           der Arbeitsstelle
                                                              Kein Anspruch auf Schadensersatz
           Zudem verwies das Amtsgericht darauf, dass es dem Betroffenen
           möglich war, das einmonatige Fahrverbot vor Antritt der Arbeits-  Das Landgericht Ellwangen bestätigte die Entscheidung des Amts-
           stelle abzuleisten. Dazu sei er auch verpflichtet gewesen. Er hätte   gerichts. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu.
           seinen Einspruch auf die Höhe der Geldbuße bei gleichzeitiger   Er hafte für die Unfallfolgen allein. Dem Kläger sei ein grob fahr-
             Akzeptanz des Fahrverbots beschränken können, um seinen neuen   lässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO anzulasten. Zwar
           Arbeitsplatz nicht zu gefährden.                     dürfe eine Kolonne grundsätzlich überholt werden. Jedoch hätte
                                                              dem Kläger unter Berücksichtigung des Umstands, dass sein Fahr-
                                                              zeug etwa 2,1 m breit war, einleuchten müssen, dass ein Überho-
                                                              len trotz seiner extremen Beschleunigungsfähigkeit allenfalls mög-
                                                              lich sein würde, wenn alle überholten Fahrzeuge am äußersten






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