Page 34 - Taxikurier August 2020
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STADTKUNDE MÜNCHEN
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            ➔ SPUREN IM STADTBILD


           Der Architekt Gabriel von Seidl









           Am 9. Dezember 1848 wurde in der Theatinerstraße 33 ein Junge geboren, der aus prominenter und reicher Familie stammte
           und später selbst berühmt und reich werden sollte: Gabriel Seidl. Seine Mutter Therese war die Tochter des Bierbrauers
           Gabriel Sedlmayr (1811–1891) von der Spatenbrauerei, seinem Vater Anton Seidl (1806–1869) gehörte die gleichnamige
             Bäckerei, die sich zu den Hoflieferanten zählen durfte.



           Zunächst studierte Seidl am Münchner   matstil des später 19. und frühen 20. Jahr-  me, Türmchen und eine verschachtelte
           Poly technikum, der heutigen Technischen   hunderts entwickelte schnell seine eigene   Dachlandschaft hinzufügte. Betritt man
           Universität an der Arcisstraße 12, Maschi-  Dynamik und eigene Stilformen. Nun ge-  durch das neuromanische Tor das Innere
           nenbau und arbeitete anschließend als   hörten Erker, Fachwerk, Türmchen, Schni t-  der Kirche, wird man von romanisch ausse-
             Maschinentechniker in Großbritannien,   zereien oder Dachlandschaften mit mehre-  henden Malereien empfangen.
             damals der Wiege des technischen Fort-  ren Achsen zum guten Geschmack. In
           schritts, um sich auf den Einstieg in die   seiner Heimatstadt München entwarf Seidl
           Brauerei seines Großvaters vorzubereiten.   eine Vielzahl von Gebäuden, die bis heute   Lenbachhaus, Luisenstraße 33
           Bald aber merkte er, dass sein eigentliches   das Stadtbild prägen. Die wichtigsten und
           Interesse der Architektur galt, und er   auffälligsten davon werden im Folgenden   Der Maler Franz Lenbach (1836-1904), seit
             studierte dieses Fach an der Münchner   in der zeitlichen Folge ihres Baubeginns   1882 Franz Ritter von Lenbach, portraitier-
           Kunstakademie an der Akademiestraße 2-4.   vorgestellt.             te berühmte Persönlichkeiten seiner Zeit,
           Und tatsächlich erlangte Gabriel Seidl als                          von Päpsten über Feldmarschälle und Köni-
           Architekt Ruhm und Anerkennung in ganz                              ge und Kaiser, aber auch sich selbst. Seine
           Deutschland und erhielt von Prinzregenten   Kirche Sankt Anna, Sankt-Anna-Platz  steigenden Ansprüche an seine eigene Per-
           Luitpold (1821–1912) im Jahr 1900 den Ti-                           son ließen in ihm das Bedürfnis reifen,
           tel Gabriel Ritter von Seidl. Noch im Jahr   Nachdem sich das Lehel seit Mitte des 19.   eine repräsentative Villa in bevorzugter
           seines Todes – 1913 – ernannte die Stadt   Jahrhunderts immer mehr von einer dörf-  Lage errichten zu lassen. In einem Brief
           München ihn zu ihrem Ehrenbürger.   lich geprägten Vorstadt zu einem dicht be-  ließ er 1885 wissen: „Ich gedenke mir ei-
                                             bauten Stadtteil entwickelte und damit die   nen Palast zu bauen, der das Dagewesene
                                             Einwohnerzahl wuchs, wurde die Klosterkir-  in den Schatten stellen wird; die machtvol-
           Heimatstil                        che Sankt Anna aus dem 18. Jahrhundert   len Zentren der europäischen großen Kunst
                                             bald zu klein. Auf dem gegenüberliegenden   sollen dort mit der Gegenwart verbunden
           Als Architekt entwarf Gabriel von Seidl Ge-  Grundstück sollte daher ein neues, großes   sein.“ Lenbach ließ sich dabei auch von
           bäude im so genannten Heimatstil, auch   Gotteshaus entstehen. Gabriel Seidl ge-  der Residenz des Malers Peter Paul Rubens
           als Historismus bekannt. Seit den 1870er   wann 1885 den Architektenwettbewerb und   (1577–1640) in Antwerpen beeinflussen,
           Jahren erfreute sich diese Art des Bauens   die neue Kirche entstand von 1887 bis   die er 1877 besucht hatte. Zu diesem be-
           in ganz Europa wachsender Beliebtheit.   1892. Seidl empfand die äußere Architek-  scheidenen Zweck kaufte er ein Grundstück
           Seinen Namen bezog der Heimatstil aus der   tursprache dem Stil der Romanik aus dem   gleich beim Königsplatz und beauftragte
           Rückbesinnung auf die frühere Architektur   12. und 13. Jahrhundert nach, allerdings   Gabriel Seidl mit dem Entwurf. Die Bauar-
           der jeweiligen Region, oder genauer ge-  mit dem großen Unterschied, dass er – un-  beiten dauerten von 1887 bis 1891 und es
           sagt, was man dafür hielt. Denn der Hei-  typisch für die tatsächliche Romanik – Tür-  entstand ein Gebäude im Stil der italieni-




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