Page 25 - Taxikurier Oktober 2021
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VIP IM TAXI
Svajone Kekyte
➔ MANFRED STECHER
Sucht man in der deutschen Kulturlandschaft einen Künstler, der riecht und der Fahrer pünktlich und im angemessenen Zeitrahmen
von Oper oder Operette und Musical, über klassischem Theater- die Fahrt ehrlich abwickelt. Einmal fuhr er in Buenos Aires mit
schauspiel bis hin zum Serienmimen alles bedienen kann, findet dem Taxi zum Hafen. Dort lag die „Deutschland“, das Traumschiff,
der Sucher Manfred Stecher. Ein Künstler mit so vielen Talenten, das er zu Dreharbeiten noch vor dem Auslaufen erreichen musste.
die er in Perfektion beherrscht, ist ein seltenes Phänomen. Der Taxifahrer fuhr sehr sehr langsam und die Fahrt zog sich da-
hin. Zu allem Unglück hatte der Fahrer auch noch das Radio in oh-
Aus einem musikalischen Elternhaus stammend, seine Mutter ist renbetäubender Lautstärke aufgedreht. Manfred Stecher entschloss
Italienerin und sein Vater Bayer, studierte er u.a. am Mozarteum sich, da der Fahrer auf seine Bitte um etwas weniger Lärm nicht
im Salzburg. Manfred Stecher sagt selbst, dass er glücklich ist, reagierte, das Radio leiser zu stellen.
dass er immer wieder als Sänger, Pianist und Schauspieler diese
Genres kombinieren konnte. Das Schauspiel findet er wunderbar Der Fahrer war fassungslos, berührte ständig sein um den Hals
und wenn er dies mit der Musik verbindet, ist er in seinem Ele- hängendes Kreuz und bekreuzigte sich bis zum Hafen unentwegt.
ment. Mit „Die Comedian Harmonists“ in der Komödie im Bayeri- Es hatte wohl vorher noch niemand gewagt, das Radio zu berüh-
schen Hof steht ein Stück auf dem Programm, das bereits 1998 ren. Lachend erzählt Manfred Stecher diese Geschichte und meint,
mehrere Jahre große Erfolge, nicht nur in München, feierte und dass der Fahrer ihn scheinbar für den Teufel gehalten habe, aber
preisgekrönt wurde. Manfred Stecher ist die Rolle des Harry eins hat er aus der Geschichte gelernt: Berühre niemals das Radio
Frommermann wie auf den Leib geschrieben. Trotz der längeren eines Taxifahrers. (BH)
Pause, in der er viele andere künstlerische Verpflichtungen hatte,
kann man ihn heute noch nachts wecken und er würde singen
und spielen, als ob er gerade mitten in einer Tournee mit dem Das Stück
Stück wäre. Er sagt selbst, dass das wie Fahrradfahren für ihn sei,
manche Dinge verlernt man einfach nicht. Berlin 1927: Ein Traum steht am Anfang und lässt die sechs
jungen Männer nicht mehr los. Sie wollen so singen wie keiner vor
Seine Vielseitigkeit hat den Künstler durch die ganze Welt geführt. Ihnen. Sie wollen berühmt werden mit dem Einzigen, was sie
Als Opernsänger hat er den Papageno in Mozarts „Zauberflöte“ haben: Mit ihren Stimmen, mit ihrer Musik. Viel Fleiß, viel Ent-
oder auch den Barbier in Schostakowitschs „Die Nase“ gegeben. täuschung, viel Entbehrung, viel Enthusiasmus führen sie endlich
Andererseits konnte ihn sein Publikum auch als Moor in Schillers zu ihrem ersten Engagement, zu ihren ersten Plattenerfolgen,
„Räuber“ bewundern. In Serien wie „Siska“ oder „Der Alte“, um schließlich zu unvergleichlichem Welterfolg. Doch der Traum zer-
nur einige zu nennen, belegte er Gastrollen. Dieser Vielseitigkeit platzt an dem Tag, an dem in Deutschland Diktatur und Rassenge-
ist es zu verdanken, dass sein Publikum, um nicht von Fans zu setze das Geschehen bestimmen: Drei der „Comedian Harmonists“
sprechen, alle Schichten der Bevölkerung abdeckt. Jeder kann sich sind Juden und müssen emigrieren, die Gruppe ist zerschlagen.
„seinen“ Manfred Stecher herauspicken. Diese Vielseitigkeit hat für Welthits wie „Veronika, der Lenz ist da“ und „Mein kleiner grüner
den beliebten Künstler aber auch den Vorteil, dass er auf vielen Kaktus“ gehören der Vergangenheit an …
Standbeinen ruht und wenn die eine Sparte einmal nicht so viele
Angebote bereithält, kann er sich anderen Angeboten widmen. Das Beginnend mit jener legendären Anzeige in einer Berliner Zeitung,
kam ihm besonders in Coronazeiten zu Gute. Er hat sich auf seine in der Harry Frommermann „Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über
Lehrtätigkeit zurückgezogen, um überhaupt arbeiten zu können. 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen, für einzig da-
stehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit“
Manfred Stecher ist in Rosenheim geboren und lebt heute mit suchte, erzählt „Die Comedian Harmonists“ den Aufstieg und
seiner litauischen Ehefrau, einer Opfersängerin, im Chiemgau. Niedergang dieser außergewöhnlichen und unvergessenen
Er ist also seiner oberbayerischen Heimat immer treu geblieben. A-Cappella-Gruppe. Die Schauspieler singen live und lassen
Diese Bodenständigkeit vermittelt er auch im Gespräch. Manchmal das un vergleichliche Vokalensemble mit ihren weltberühmten
sind die Bayern zwar ein wenig grob und eigen, aber es lebt sich Hits auf der Bühne wieder auferstehen!
hier fast wie im Paradies. Egal ob das „in die Berge gehen“, Radeln
oder Schwimmen, alles ist möglich. Österreich ist nur einen Kat-
zensprung entfernt und in einer Stunde ist man am Brenner. ➔ Vorstellungen vom 16. September bis 24. Oktober 2021
Dabei schätzt der Mime auch die kulturelle Vielfalt seiner Heimat, (außer am 27. September sowie 3. und 22. Oktober 2021)
denn auch in kleinen Gemeinden gibt es viel Kultur zu entdecken.
Auf seinen Reisen fährt Manfred Stecher auch viel Taxi. Er sagt ➔ Mo. bis Sa. 19:30 Uhr, So. und Feiertag 18:00 Uhr
selbst, dass es überall „Solche und Solche“ Taxler gibt. Die Ber-
liner Taxler z. B. reden nicht gern, oder schimpfen auch einmal. Weiter Informationen unter:
Es ist ein schwerer Job und für ihn ist wichtig, dass das Taxi gut www.komoedie-muenchen.de
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