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HISTORISCHES MÜNCHEN
➔ ORDNUNG ANNO DAZUMAL
Von Benedikt Weyerer
Fiaker- und Droschken-Ordnung vom 3. Mai 1899 – Im Jahr 1899 waren in München 54 Kraftfahrzeuge zugelassen, die außer-
dem nicht schneller als zwölf Stundenkilometer fahren durften. Der erhebliche Lärm und das hektische Getriebe jener Zeit
stammten aber hauptsächlich vom Geklapper der Pferdefuhrwerke und Handkarren, die geräuschvoll über das Kopfsteinpflaster
holperten, sowie von den zahlreichen Handwerksbetrieben in den Hinterhöfen und den Trambahnen, die zwar elektrisch an-
getrieben wurden, aber in jeder Kurve und in jeder Weiche ein durchdringendes, metallenes Kreischen erzeugten.
Wenig Neues unter der Sonne an der damaligen Adresse Weinstraße 13, zwar Laim und Thalkirchen-Obersendling
dort wo heute nördlich des Neuen Rat- (beide eingemeindet kurz darauf 1900);
Die vielen Pferde bedeckten das Pflaster hauses der unbebaute Marienhof liegt. Es Fürstenried (1912); Berg am Laim mit
mit ihren Exkrementen, die sich bei Regen wurde unterschieden zwischen Droschke Zamdorf; Moosach, Milbertshofen und
zu einer glitschigen Masse verwandelten. und Fiaker: Der Begriff „Droschke“ stammt Oberföhring (alle 1913); Denning, Engl-
Würden sich Pferde nicht vegetarisch er- aus dem 17. ⁄ 18. Jahrhundert vom russi- schalking und Perlach (1930); sowie Frei-
nähren, wäre der Gestank noch intensiver schen Wort „drožki“ für „leichter Wagen“ mann (1931).
gewesen. Die Zeit war geprägt von massen- und fand in München Verwendung für ein
hafter Armut, hoher Kriminalität, dürftiger Pferdefuhrwerk für ein bis drei Personen.
Hygiene und bedrückenden Umweltbelas- Der Begriff „Fiaker“ bezeichnet ein Fuhr- Verhalten und Kleidung
tungen, insbesondere hervorgerufen durch werk für ein bis sechs Personen, hat sich der Wagenführer
das allgegenwärtige Verbrennen von min- dann aber auch auf den Lohnkutscher als
derwertiger Kohle aus den oberbayerischen Person ausgedehnt, der vorne hinter sei- Die Verordnung spricht ein Problem an, das
Bergwerken Hausham, Penzberg, Großweil nem Pferd, manchmal auch zwei Pferden, leider manchmal immer noch aktuell ist:
(hier auch im Tagebau), Peißenberg und auf dem Bock saß. Das Wort soll sich auf „Die Wagenführer haben ein anständiges,
Peiting. Es war dies die angeblich gute, das Pariser Hôtel Saint Fiacre beziehen, höfliches Benehmen gegen das Publikum
alte Zeit, die Prinzregentenzeit, benannt in dem im 17. Jahrhundert das erste Ver- zu beobachten. Das Zuwinken oder Anspre-
nach dem bayerischen Herrscher Luitpold mittlungsbüro für Lohnkutschen existierte. chen von Personen, dieselben zur Fahrt
von Bayern (1821–1912), der von 1866 Und schließlich die „Taxe“ für einen amt- oder zur Wahl eines Fahrzeuges zu bestim-
bis zu seinem Tod regierte (Luitpoldstraße lich festgelegten Preis, hier den Fahrpreis men, ist nicht gestattet.“ Weiter: „Kein
von 1843, Prinzregentenstraße von 1890, – englisch to tax oder französisch taxer Wagenführer darf vom Warteplatz aus die
Prinzregentenplatz von 1896). Später, nach für „mit einer Steuer belegen“ –, woraus Übernahme einer Fahrt innerhalb des oben
dem Ersten Weltkrieg (1914–1918), wurde sich das Wort „Taxi“ ergab. bezeichneten Fahrbezirks verweigern.
diese Epoche verklärt, nachdem es noch Ebenso ist auch außerhalb der Warteplätze
schlimmer gekommen war. In jener Zeit um jeder unbestellte Wagenführer zur Übernah-
die Jahrhundertwende verkehrten in Mün- Pflichtfahrgebiet me solcher Fahrten unbedingt verpflichtet.
chen 480 Pferdedroschken bei 460.000 Ein- Desgleichen sind die Wagenführer verbun-
wohnern, das war eine Droschke auf 960 Die Verordnung legte fest: „Das Fahrgebiet den, Vorausbestellungen anzunehmen, so-
Einwohner, heute liegt das Verhältnis bei der öffentlichen Fuhrwerke umfasst den fern sie nicht an der Ausführung der Be-
3.300 Taxis auf 1.500.000 Einwohner, also Stadtbezirk und die in den Tarifbestimmun- stellung durch Turnus-Dienst [siehe unter
1 zu 455, eine Verdoppelung. gen noch besonders bezeichneten Orte.“ „Verfügbarkeit“] verhindert sind. Werden
Zum Stadtbezirk gehörten die Altstadt, die Vorausbestellungen auf Wagen gemacht, so
Isarvorstadt, Ludwigsvorstadt, Maxvorstadt, ist der Wagenführer zur sofortigen Abgabe
Fiaker- und Droschken-Ordnung das Lehel und die Schwanthalerhöhe mit einer Fahrmarke und zur pünktlichen Aus-
der königlichen Polizeidirektion dem Westend. Hinzu kamen die im Jahr führung der Fahrt verpflichtet. Bei telefo-
vom 3. Mai 1899 1854 eingemeindeten Gebiete Au, Giesing nischer Bestellung eines Wagens mittelst
mit Harlaching und Menterschwaige sowie des am Warteplatz befindlichen elektri-
Diese Verordnung aus der Prinzregentenzeit Haidhausen; Ramersdorf (1864); Sendling schen Läutwerkes hat der zuerst aufgefah-
begann mit der unmissverständlichen Fest- (1877); Neuhausen und Schwabing (beide rene Wagenführer dem Rufe Folge zu leis-
stellung: „Der Betrieb der öffentlichen 1890); Bogenhausen (1892); Nymphenburg ten, sich den Bestellzettel zu holen und
Fuhrwerke setzt die Bewilligung der könig- mit Gern (eingemeindet kurz zuvor am sofort auf dem kürzesten Wege nach dem
lichen Polizeidirektion voraus. Diese Bewil- 1. Januar 1899). Zum Pflichtfahrgebiet ge- Bestellungsorte zu fahren.“ An den Stand-
ligung ist streng persönlich und stets wi- hörten außerdem „nachbezeichnete Orte im plätzen sorgte nämlich je ein Aufseher für
derruflich.“ Die Polizeidirektion befand sich Fahrgebiet der Taxameter-Droschken“, und Ordnung. Weiter: „Nur auf Verlangen des
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