Page 26 - Taxikurier März 2023
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HISTORISCHES MÜNCHEN

            ➔ ORDNUNG ANNO DAZUMAL





           Von Benedikt Weyerer



           Fiaker- und Droschken-Ordnung vom 3. Mai 1899 – Im Jahr 1899 waren in München 54 Kraftfahrzeuge zugelassen, die außer-
           dem nicht schneller als zwölf Stundenkilometer fahren durften. Der erhebliche Lärm und das hektische Getriebe jener Zeit
           stammten aber hauptsächlich vom Geklapper der Pferdefuhrwerke und Handkarren, die geräuschvoll über das Kopfsteinpflaster
           holperten, sowie von den zahlreichen Handwerksbetrieben in den Hinterhöfen und den Trambahnen, die zwar elektrisch an-
           getrieben wurden, aber in jeder Kurve und in jeder Weiche ein durchdringendes, metallenes Kreischen erzeugten.


           Wenig Neues unter der Sonne       an der damaligen Adresse Weinstraße 13,   zwar Laim und Thalkirchen-Obersendling
                                             dort wo heute nördlich des Neuen Rat-  (beide eingemeindet kurz darauf 1900);
           Die vielen Pferde bedeckten das Pflaster   hauses der unbebaute Marienhof liegt. Es   Fürstenried (1912); Berg am Laim mit
           mit ihren Exkrementen, die sich bei Regen     wurde unterschieden zwischen Droschke     Zamdorf; Moosach, Milbertshofen und
           zu einer glitschigen Masse verwandelten.   und Fiaker: Der Begriff „Droschke“ stammt   Oberföhring (alle 1913); Denning, Engl-
           Würden sich Pferde nicht vegetarisch er-  aus dem 17. ⁄ 18. Jahrhundert vom russi-  schalking und Perlach (1930); sowie Frei-
           nähren, wäre der Gestank noch intensiver   schen Wort „drožki“ für „leichter Wagen“   mann (1931).
           gewesen. Die Zeit war geprägt von massen-  und fand in München Verwendung für ein
           hafter Armut, hoher Kriminalität, dürftiger   Pferdefuhrwerk für ein bis drei Personen.
           Hygiene und bedrückenden Umweltbelas-  Der Begriff „Fiaker“ bezeichnet ein Fuhr-  Verhalten und Kleidung
           tungen, insbesondere hervorgerufen durch   werk für ein bis sechs Personen, hat sich   der  Wagenführer
           das allgegenwärtige Verbrennen von min-  dann aber auch auf den Lohnkutscher als
           derwertiger Kohle aus den oberbayerischen   Person ausgedehnt, der vorne hinter sei-  Die Verordnung spricht ein Problem an, das
           Bergwerken Hausham, Penzberg, Großweil   nem Pferd, manchmal auch zwei Pferden,   leider manchmal immer noch aktuell ist:
           (hier auch im Tagebau), Peißenberg und   auf dem Bock saß. Das Wort soll sich auf   „Die Wagenführer haben ein anständiges,
           Peiting. Es war dies die angeblich gute,   das Pariser  Hôtel Saint Fiacre beziehen,    höfliches Benehmen gegen das Publikum
           alte Zeit, die Prinzregentenzeit, benannt   in dem im 17. Jahrhundert das erste Ver-  zu beobachten. Das Zuwinken oder Anspre-
           nach dem bayerischen Herrscher Luitpold   mittlungsbüro für Lohnkutschen existierte.   chen von Personen, dieselben zur Fahrt
           von Bayern (1821–1912), der von 1866    Und schließlich die „Taxe“ für einen amt-  oder zur Wahl eines Fahrzeuges zu bestim-
           bis zu seinem Tod regierte (Luitpoldstraße   lich festgelegten Preis, hier den Fahrpreis   men, ist nicht gestattet.“ Weiter: „Kein
           von 1843, Prinzregentenstraße von 1890,   – englisch to tax oder französisch taxer    Wagenführer darf vom Warteplatz aus die
           Prinzregentenplatz von 1896). Später, nach   für „mit einer Steuer belegen“ –, woraus   Übernahme einer Fahrt innerhalb des oben
           dem Ersten Weltkrieg (1914–1918), wurde   sich das Wort „Taxi“  ergab.    bezeichneten Fahrbezirks verweigern.
           diese Epoche verklärt, nachdem es noch                              Ebenso ist auch außerhalb der Warteplätze
           schlimmer gekommen war. In jener Zeit um                            jeder unbestellte Wagenführer zur Übernah-
           die Jahrhundertwende verkehrten in Mün-  Pflichtfahrgebiet          me solcher Fahrten unbedingt verpflichtet.
           chen 480 Pferdedroschken bei 460.000 Ein-                           Desgleichen sind die Wagenführer verbun-
           wohnern, das war eine Droschke auf 960   Die Verordnung legte fest: „Das Fahrgebiet   den, Vorausbestellungen anzunehmen, so-
           Einwohner, heute liegt das Verhältnis bei   der öffentlichen Fuhrwerke umfasst den   fern sie nicht an der Ausführung der Be-
           3.300 Taxis auf 1.500.000 Einwohner, also   Stadtbezirk und die in den Tarifbestimmun-  stellung durch Turnus-Dienst [siehe unter
           1 zu 455, eine Verdoppelung.      gen noch besonders bezeichneten Orte.“   „Verfügbarkeit“] verhindert sind. Werden
                                             Zum Stadtbezirk gehörten die Altstadt, die   Vorausbestellungen auf Wagen gemacht, so
                                             Isarvorstadt, Ludwigsvorstadt, Maxvorstadt,  ist der Wagenführer zur sofortigen Abgabe
           Fiaker- und Droschken-Ordnung     das Lehel und die Schwanthalerhöhe mit   einer Fahrmarke und zur pünktlichen Aus-
           der königlichen Polizeidirektion    dem Westend. Hinzu kamen die im Jahr   führung der Fahrt verpflichtet. Bei telefo-
           vom 3. Mai 1899                   1854 eingemeindeten Gebiete Au, Giesing   nischer Bestellung eines Wagens mittelst
                                             mit Harlaching und Menterschwaige sowie   des am Warteplatz befindlichen elektri-
           Diese Verordnung aus der Prinzregentenzeit   Haidhausen; Ramersdorf (1864);  Sendling   schen Läutwerkes hat der zuerst aufgefah-
           begann mit der unmissverständlichen Fest-  (1877); Neuhausen und Schwabing (beide   rene Wagenführer dem Rufe Folge zu leis-
           stellung: „Der Betrieb der öffentlichen   1890); Bogenhausen (1892); Nymphenburg   ten, sich den Bestellzettel zu holen und
           Fuhrwerke setzt die Bewilligung der könig-  mit Gern (eingemeindet kurz zuvor am   sofort auf dem kürzesten Wege nach dem
           lichen Polizeidirektion voraus. Diese Bewil-  1. Januar 1899). Zum Pflichtfahrgebiet ge-  Bestellungsorte zu fahren.“ An den Stand-
           ligung ist streng persönlich und stets wi-  hörten außerdem „nachbezeichnete Orte im  plätzen sorgte nämlich je ein Aufseher für
           derruflich.“ Die Polizeidirektion befand sich   Fahrgebiet der Taxameter-Droschken“, und   Ordnung. Weiter: „Nur auf Verlangen des




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