Page 17 - Taxikurier Juni 2023
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Politisch bedingte Umbenennungen dienste um den Fortbestand der Botani- tionalsozialistischen Endsieg erringen. Weil
1946 schen Gesellschaft in München erworben. dies nicht gelang, flüchtete er in die Alpen,
Der Botanische Garten und das Botanische wo er sich zusammen mit seiner Frau vergif-
Die US-Armee marschierte am 30. April Institut liegen in der Nähe.“ ten wollte, was allerdings misslang. Darauf-
1945 in München ein und nur zwei Monate hin ließ er am 8. Mai 1945 sich selbst und
später begann ihre Militärverwaltung, dem seine Gattin von einem Offizier erschießen,
Oberbürgermeister Karl Scharnagl (1881– Schwabing: Scheidplatz dieses Mal mit dem erwünschten Ergebnis.
1963, Karl-Scharnagl-Ring von 1964) und Der Feilitzschplatz war seit dem 17. Novem-
dem Stadtrat zu befehlen, die zahlreichen Karl Scheid arbeitete als Oberarzt am ber 1927 benennt nach: „Max Graf von
Straßenbenennungen nach nunmehr abge- Schwabinger Krankenhaus und leitete seit Feilitzsch, Staatsrat, Staatsminister des
halfterten Nationalsozialisten sofort zu 1944 deren Ausweichquartier in Tegernsee. Innern, Exzellenz, geboren 12.8.1834 zu
beseitigen und durch politisch unbelastete Beim dortigen Anmarsch der US-Truppen Trogen, gestorben 19.6.1913 zu München.“
zu ersetzen. Allerdings gab es Anfang des wollte er die Einrichtung im Interesse sei- Am 7. Dezember 1933 wurde er zur Danzi-
Jahres 1946 immer noch einige Straßen, ner Patienten kampflos den US-Truppen ger Freiheit und am 26. Juli 1945 wieder
deren nationalsozialistische Namensgeber übergeben. Zu diesem Zweck verließ er das zum Feilitzschplatz. Das Kapitel „Danziger
der Münchner Stadtverwaltung als offenbar Krankenhaus, wurde von einem SS-Posten Freiheit“ wird einleitend behandelt und
nicht belastet erschienen oder schlicht zu seinen Absichten befragt, konnte auch deshalb hier übergangen. Am 3. Dezember
übersehen worden waren. In einigen Fällen passieren, wurde dann aber hinterrücks er- 1946 benannte der Stadtrat den Platz in
gab man Verkehrsflächen auch Namen nach schossen. Der Stadtrat erfuhr am 5. Februar Münchner Freiheit um, um auf diesem Weg
Opfern der nationalsozialistischen Herr- 1946, dass die Militärregierung eine eigene dem Widerstand gegen den Nationalsozialis-
schaft. Einige Beispiele zu viel befahrenen Verkehrsfläche in Schwabing nach dem von mus ein Denkmal zu setzen: „Zur Erinnerung
Örtlichkeiten: der SS ermordeten Arzt benannt sehen woll- an die bayerische Widerstandsbewegung,
te. Zu bemerken ist hier noch, dass das be- die wesentlich zum Sturz des Hitlerregimes
nachbarte Schwabinger Krankenhaus bis ins beigetragen hat.“ Das Protokoll vermerkt
Obermenzing: Karwinskistraße Jahr 1957 von der US-Armee genutzt wurde. dazu: „In den letzten Tagen der Hitlerherr-
Der Stadtrat beschloss daher am 5. Februar schaft setzte sich ein großer Kreis von Per-
Die Bürgermeister-Oberpriller-Straße war am 1946 die Umbenennung der Fläche in Dok- sonen dafür ein, diese Herrschaft zu besei-
1. Dezember 1938 mit Obermenzing einge- tor-Scheid-Platz: „Doktor Karl Scheid, gebo- tigen oder zumindest einzuengen. Befehle
meindet worden. Über ihren Namengeber ren 22.6.1906 in Frankfurt am Main, gestor- von Partei- und Militärdienststellen wurden
heißt es in der Festschrift anlässlich der ben 4.5.1945 in Tegernsee, Oberarzt der sabotiert, um eine rasche Beseitigung des
Eingemeindung: „In der Gemeinde Ober- Psychiatrischen Abteilung des Städtischen sinnlosen Widerstandes herbeizuführen
menzing war Georg Oberpriller in der Zeit Krankenhauses Schwabing und wurde als und weiteres Blutvergießen und weitere
von 1907 bis 1934, also fast ein Menschen- leitender Arzt (Stabsarzt) des Reserve-Laza- Zerstörungen zu verhindern. Ein Kreis von
alter, ununterbrochen teils als zweiter, teils rettes Tegernsee, Teil-Lazarett Überfahrt, damaligen Wehrmachtsangehörigen hat
als erster Bürgermeister tätig. In den ent- bei Ausübung seines Dienstes von einem sich besonders aktiv bemüht, Dienststellen
scheidenden Kampf- und Siegesjahren SS-Posten erschossen.“ Im Jahr 1959 wurde gänzlich auszuschalten. So konnte z. B. die
1924–1934 war er, ein aufrechter und ein- eine neue Endstation der Straßenbahn Freiheitsaktion Bayern den Münchner Sen-
satzbereiter Nationalsozialist, erster Bürger- durch die Belgradstraße beim Schwabinger der zeitweilig besetzen. Die von ihr dann
meister und es stand ihm Altparteigenosse Krankenhaus eingerichtet. Es ging auch um durchgegebenen Nachrichten haben die Wi-
Michael Ostertag bis 1931 als Gemeinderat eine unmissverständliche Bezeichnung des derstandskraft der Bevölkerung gegen das
und von da ab als zweiter Bürgermeister in Fahrzieles vorne und seitlich auf den Tram- Naziregime erhöht. Diese machte sich vor
kameradschaftlicher Mitarbeit zur Seite, um bahnen und die Stadtwerke drängten auf allem an den Randgebieten bemerkbar. In
nach Oberprillers Tod [1934] als erster Bür- etwas Kurzes und Bündiges. Der Stadtrat Anerkennung der Tätigkeit dieser Gruppen
germeister die Gemeinde bis zu ihrer Ein- beschloss also am 9. Juli 1959 den Namen und zur Erinnerung an den kundgegebenen
gliederung nach München zu leiten. Es ist Scheidplatz: „Dr. Karl Friedrich Scheid, Willen zur Befreiung vom Naziregime soll
ein besonderes Ruhmesblatt nicht nur für geboren 22.6.1906 in Frankfurt am Main, der Feilitzschplatz nun in ‚Münchner Frei-
diese beiden Männer, sondern auch für die erschossen am 4.5.1945 in Tegernsee, Ober- heit’ umbenannt werden. Das Andenken an
gesamte Bürgerschaft, dass Obermenzing so arzt, Opfer des Nationalsozialismus.“ den verstorbenen Minister Feilitzsch wird
frühzeitig eine Hochburg des Nationalsozia- durch die nach ihm benannte Feilitzsch-
lismus wurde. In den kritischen und bedeut- straße weiterhin aufrechterhalten.“
samen Jahren um 1923 war Ministerpräsi- Schwabing: Münchner Freiheit
dent Generalfeldmarschall Hermann Göring
Obermenzinger Bürger und schloss dort Am 28. April 1945, zwei Tage vor dem Ein- Maxvorstadt: Geschwister-Scholl-Platz
auch seine erste Ehe.“ Göring (1893–1946) treffen der US-Armee in München, versuchte und Professor-Huber-Platz
lebte in der Reginbaldstraße und besiegelte die Freiheitsaktion Bayern, durch Lahmle-
am 3. Januar 1923 mit der Schwedin Carin gen der nationalsozialistischen Befehls- Bereits am 5. Juli 1945 dachte die Verwal-
von Kantzow (1888–1931) in Obermenzing strukturen weitere Zerstörungen in München tung daran, möglichst schnell repräsentati-
den Bund fürs Leben. Seit dem 3. Januar zu verhindern. Der Aufstand brach zusam- ve Straßen oder Plätze nach den ermorde-
1946 heißt die Bürgermeister-Oberpril- men und Gauleiter Paul Giesler (1895–1945) ten Mitgliedern der Widerstandsgrupp
ler-Straße positiv besetzt Karwinskistraße: ließ viele Teilnehmer erschießen, denn er Weiße Rose zu benennen: „Es handelt sich
„Wolf von Karwinski, 1780-1855, war Bota- wollte München in ein „positives Stalin- um Persönlichkeiten, die 1943 durch Vertei-
niker und hat sich außerordentliche Ver- grad“ verwandeln, also von hier aus den na- len von Flugblättern, Plakatanschlägen und
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