Page 16 - Taxikurier Juni 2023
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Die Untere Grasstraße wurde am 9. Juni   Politisch bedingte Umbenennungen (2):   Politisch bedingte Umbenennungen (3):
           1938 zur Alois-Jegg-Straße: „Schreiner,   Adolf Hitler 1945         Allach 1945
             geboren 19.6.1852 in Burglengenfeld, ge-
           storben 21.11.1935 in München, Träger    Anlässlich der Verleihung der Ehrenbürger-  Der neue, im Jahr 1938 eingemeindete
           des Goldenen Ehrenzeichens der Partei und   würde an Hitler am 26. April 1933 hatte   Stadtteil Allach besaß 1945 eine Reihe
           einer der ersten Getreuen des Führers.“    Bürgermeister Hans Küfner dem Stadtrat   von Straßennamen, die nach dem Krieg
           Der 26. September 1945 brachte ihre Rück-  empfohlen: „Ich darf Ihnen dann noch wei-  bei den dann maßgeblichen Institutionen,
           benennung.                        tere Vorschläge machen, und zwar bitte ich   insbesondere den siegreichen US-Behör-
                                             Sie, um auch nach außen hin ein Zeichen   den, für Unmut sorgten. Allach wird hier
                                             der Ehrung zu haben, um auch die Bevölke-  beispielhaft für andere Stadtviertel aufge-
           Eingemeindungen 1938 und 1942     rung Münchens mit Anteil nehmen zu lassen  führt, etwa für Aubing, wo NS-Verbrecher
                                             an der Ehrung für unseren Volkskanzler   ebenfalls am 1. Juli 1945 unproblemati-
                                             Adolf Hitler, eine Straßen- bzw. Platzumbe-  schen nordbayerischen Burgen weichen
                                             nennung vorzunehmen.“ In München kam   mussten. Die nationalsozialistischen Stra-
                                             es noch nicht dazu, weil der „Volkskanzler“   ßennamen waren in den meisten Fällen in
                                             für seine eigene Straße größere Pläne heg-  Neubau gebieten entstanden, hatten also
                                             te, sehr wohl aber in einigen später einge-  ihrerseits selten Umbenennungen ver-
                                             meindeten Ortschaften. Nebenbei bemerkt,   ursacht. Sie passten inhaltlich gut nach
                                             erhielt Küfner nach dem Krieg 1964 seine   Allach, wohnten an ihnen doch viele
                                             Küfnerstraße: „Geheimrat Dr. Hans Küfner,     Menschen, die bei der Panzerschmiede
                                             geboren 17.6.1871 in Lehen bei Bayreuth,   Krauss-Maffei, bei den BMW-Flugmotoren-
                                             gestorben 24.2.1935 in München, rechts-  werken an der Dachauer Straße 665–667
           Bis zur Eingemeindung von Riem am 1. Ja-  kundiger 2. Bürgermeister der Stadt Mün-  (heute MTU und MAN) und den Flugzeug-
           nuar 1937 konnte der Stadtrat die in Mün-  chen vom 5.2.1918-1.3.1934.“ Der Ein-  werken Junkers an der Schöllstraße für
           chen bereits vorhandenen Straßennamen   marsch der 7. US-Armee am 30. April 1945   den Krieg produzierten. Auf Einzelheiten
           durch neue, unverwechselbare ersetzen.   beendete das Dritte Reich für München. Die   zu den NS-Personen und den neuen Namen
           Aber dann kamen 1938 bis 1945 der Zweite   Militärbehörden befahlen der Stadtverwal-  kann hier aus Platzgründen nicht einge-
           Weltkrieg beziehungsweise die Vorbereitun-  tung am 25. Juni 1945, bis zum 2. Juli   gangen werden, aber das Internet wird
           gen zu ihm dazwischen. Bereits zwei Tage   1945 alle nationalsozialistisch motivierten     sicherlich helfen können. Am 1. Juli 1945
           vor Kriegsbeginn verbot eine Verordnung   Straßenbenennungen durch unbelastete   wurden umbenannt:
           des Reichsinnenministers vom 30. August     Namen zu ersetzen und bis zum 31. August
           1939 alle Arbeiten zu Straßenbenennungen   1945 die neuen Straßenschilder anzubrin-  Schlageterstraße zu Behringstraße,
           und -umbenennungen als kriegsunwichtig.   gen. München wies im Jahr 1945 folgende   Hans-Schemm-Straße zu Blumenbachstraße,
           In einem Schreiben der Stadtverwaltung   Verkehrsflächen nach Adolf Hitler auf, die   Horst-Wessel-Straße zu Eversbuschstraße,
           vom 5. August 1940 hieß es siegesgewiss:   am 1. Juli 1945 umbenannt wurden:  Adolf-Wagner-Straße zu Franz-Nißl-Straße,
           „Es wäre sehr erwünscht zu erfahren, ob                             Adolf-Wagner-Platz zu Gleichplatz,
           die maßgebenden Stellen noch im letzten   Adolf-Hitler-Straße in Allach in Vesalius-  Maikowskistraße zu Gleichweg, Hermann-
           Stadium des Krieges die Umbenennung von   straße, Adolf-Hitler-Straße in Aubing in   Göring-Straße zu Langerhansstraße,
           Straßen betrieben haben wollen, zumal     Limesstraße, Adolf-Hitler-Straße in Loch-    General-Litzmann-Straße zu Löfflerstraße,
           gleich nach dem Krieg Straßenbenennungen   hausen in Schussenrieder Straße, Adolf-   Dietrich-Eckart-Platz zu Oertelplatz,
           im großen Maßstab (Neuerschließungen –   Hitler-Straße in Obermenzing in Verdistraße,   Hans-Dauser-Straße zu Prießnitzstraße,
           Eingemeindungen etc.) erfolgen werden.“   Adolf-Hitler-Platz in Pasing in Avenarius-    Ritter-von-Epp-Straße zu
           Bereits am 21. April 1938 hatte Oberbürger-  platz, Adolf-Hitler-Straße in Untermenzing
           meister Fiehler auf einen weiteren Aspekt   in Eversbuschstraße und die Adolf-Hitler-   Sertürnerstraße, Georg-Hirschmann-Straße
           aufmerksam gemacht: „(...) wird man sich   Allee in Solln in Diefenbachstraße.  zu Servetstraße sowie die Adolf-Hitler-
           auch umsehen müssen, ob nicht in diesen   In der bis 1938 selbstständigen Stadt Pasing  Straße zu Vesaliusstraße.
           neuen Stadtteilen Straßen nach Juden oder   beispielsweise hatte der diesbezügliche Be-
           sonstigen Staatsfeinden benannt sind.“    schluss des Stadtrates vom 27. April 1933   Als neue Namengeber kamen Ärzte zum
           Der Optimismus hinsichtlich eines baldigen   gelautet: „Der große Plan im Dreieck (…)   Zug. Zur Verdeutlichung sei lediglich die
           deutschen Sieges erscheint aus heutiger   wird Adolf-Hitler-Platz benannt und durch   Hans-Dauser-Straße genauer betrachtet:
           Sicht etwas voreilig, aber dass nach dem   freiwillige Arbeit von Verbänden und Bevöl-  Dauser (1877–1969) trat 1921 in die NSDAP
           Krieg – wann immer auch das hätte sein   kerungskreisen zu einer Anlage umgestaltet   ein. Er gehörte 1928 bis 1933 dem bayeri-
           mögen – umfangreiche Umbenennungen   zu Ehren des Volkskanzlers, des  Führers des   schen Landtag und von 1933 bis 1945 dem
           notwendig werden würden, war klar. Der   Volkes und der nationalen Erhebung, des   Reichstag an und amtierte darüber hinaus
           nunmehr demokratisch legitimierte Stadtrat   Wegbereiters einer deutschen Zukunft.“ Pa-  1933 bis 1944 als Staatssekretär im bayeri-
           beschloss am 14. Januar 1947 und 22. April   sings Oberbürgermeister hieß damals Alois   schen Wirtschaftsministerium. Vincenz
           1947 rund 850 Umbenennungen in den   Wunder, an den seit 1978 die Alois-Wunder-   Prießnitz (1799–1851) war ein autodidakti-
           1938 und 1942 eingemeindeten Orten. Auf   Straße neutral erinnert: „Dr. Alois Wunder,   scher Naturheiler, der die Kaltwasserkur als
           die inhaltlich unproblematischen Eichen-,   geboren 28.3.1878 in Zeyern, gestorben   Heilmethode entwickelte. Damit verschwan-
           Nelken-, Ludwig- oder Prinzregentenstraßen   14.7.1974 in Bad Reichenhall, von 1914   den im Münchner Westen Nationalsozialis-
           und ihre Umbenennungen kann hier aber   Bürgermeister und von 1928 bis 1938 Ober-  ten und wurden durch Helfer der Mensch-
           nicht eingegangen werden.         bürgermeister der ehemaligen Stadt Pasing.“  heit ersetzt.




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