Page 18 - Taxikurier Juni 2023
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dergleichen es versuchten, die Bevölkerung Maxvorstadt: Platz der Opfer denzen, worunter Statuen, Gedenkplatten,
zum Widerstand gegen die Hitlerregierung des Nationalsozialismus Erinnerungszeichen jeder Art, Plakate,
aufzurufen und das schlimmste Ende abzu- Em bleme, Bauten, Straßen- und sonstige
wenden. Sie büßten ihren Mut mit dem Der Stadtrat beschloss am 4. März 1946, Schilder mit Inschriften fallen, durch Besei-
Tode. Ihre Namen wurden im In- und Aus- den bislang namenlosen Platz zum Platz der tigung oder Umformung durchzuführen ist.“
land hierdurch bekannt, ja populär. (...), Opfer des Nationalsozialismus zu machen, Etwas verspätet, am14. Januar 1947, be-
dass nicht nur die Amerikanische Militär- und die US-Militärbehörden billigten dies. nannte der Stadtrat folgende weitere Stra-
regierung, sondern auch das Publikum eine Der geografische Anlass dafür war das be- ßenzüge um, die dieses Kriterium erfüllten:
Auszeichnung durch Straßenbenennungen nachbarte, 1944 zerstörte Wittelsbacher-
begrüßen würde.“ Am 5. Februar 1946 dis- Palais an der Brienner Straße 50 [Gedenk- ➔ Hindenburgstraße nach dem General-
kutierte man im Stadtrat die Benennung der tafel, heute 20, Bayerische Landesbank], Feldmarschall Paul von Hindenburg
beiden bislang unbenannten Plätze an der das seit 1933 als Hauptquartier der Gehei- (1847–1934); jetzt Georg-Reismül-
Universität nach den drei bekanntesten men Staatspolizei Zentrum der politischen ler-Straße: „Dr. Georg Reismüller, Direk-
Mitgliedern der Weißen Rose. Im Protokoll Verfolgung gewesen war. Die neue Bezeich- tor des Bayerischen Staatsbibliothek
heißt es: „Ich möchte heute bei den Stra- nung sorgte sofort für Unmut, artikuliert München, verdient um den teilweisen
ßenbenennungen den Wunsch aussprechen, beispielsweise in einer Zuschrift vom Umbau der Bibliothek, geboren
dass bei nächster Gelegenheit eine Straße 28. März 1946 an den Stadtrat: „Ich bin 11.5.1885 in Ingolstadt, gestorben
nach den Geschwistern Scholl benannt wird, weder ein Nazi, noch ein Parteigenosse, 12.5.1936 in Günzburg.“
die mit der Befreiung Münchens eng ver- auch kein verkappter Nazi, aber die Namen,
bunden sind und ein einmaliges Heroentum die jetzt manchmal aus der Taufe gehoben ➔ General-Ludendorff-Straße nach dem
bewiesen haben. Wir erfüllen damit nicht werden, erregen bei vernünftigen Menschen militärischen Führer des Ersten Welt-
nur eine persönliche Verpflichtung. mehr wie Kopfschütteln. Praktische Hilfe an krieges, Erich Ludendorff (1865–1937);
KZ-lern ist mehr wert wie Namensänderun- jetzt Pasteurstraße: „Louis Pasteur,
Es ist naheliegend, den jugendlichen Mut gen, die nur Hass und Unfrieden sähen.“ französischer Chemiker, Entdecker des
und die Opferbereitschaft der studierenden Der Unmut wurde aber auch bald in die Tat Schutzmittels gegen Tollwut, geboren
Geschwister Scholl mit der Universität in umgesetzt: Anlässlich des ersten Jahresta- 27.12.1822 in Dôle, gestorben
Zusammenhang zu bringen. Die platzartige ges der Befreiung Münchens, dem 30. April 28.9.1895 bei Paris.“
Erweiterung der Ludwigstraße vor der Uni- 1946, entfernten Unbekannte, denen diese
versität und vor dem Priesterseminar hat Befreiung offenbar als Niederlage erschien, Damit hatte man zwar bereits zahlreiche
eine besondere Benennung bisher nicht er- in der Nacht zum 2. Mai eines der neuen politisch belastete Straßennamen entfernt,
halten. Für den gegenüberliegenden Platz Namensschilder und schraubten eines mit aber immer noch einige übersehen. Deshalb
vor dem Priesterseminar möchte ich die dem Namen „Platz der Opfer demokratischer musste sich der Stadtrat am 22. April 1947
Bezeichnung Professor-Huber-Platz empfeh- Menschenverdummung“ an. Zum ersten erneut mit dem Thema beschäftigen:
len. Es ist naheliegend, den jugendlichen Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation
Mut und die Opferbereitschaft der studie- der Wehrmacht, dem 7. Mai 1946, ver- ➔ Bölckestraße: Oswald, 1891–1916,
renden Geschwister Scholl mit der Univer- schwanden in der Nacht zum 9. Mai schon Kampfflieger; jetzt Ertelstraße: „Trau-
sität in Zusammenhang zu bringen. Die wieder zwei Schilder und eines wurde durch gott Leberecht von, Inhaber des Rei-
platzartige Erweiterung der Ludwigstraße Überpinseln unleserlich gemacht. chenbach’schen mathematisch-mechani-
vor der Universität und vor dem Priesterse- schen Instituts in München, geboren
minar hat eine besondere Benennung bisher 29.9.1773 in Oberforchheim, gestorben
nicht erhalten. Für den gegenüberliegenden Politisch bedingte Umbenennungen 6.2.1858 in München.“ Wer weiß, wie
Platz vor dem Priesterseminar möchte ich Allach 1947 oft die benachbarten Oertel und Ertel
die Bezeichnung Professor-Huber-Platz bereits für Verwirrung gesorgt haben.
empfehlen.“ Seit jenem 5. Februar 1946 Nach dem Einmarsch der US-Armee in
gibt es also den Geschwister-Scholl-Platz: München am 30. April 1945 forderten ihre ➔ Admiral-Hipper-Straße: Franz von, 1863–
„Hans Scholl, candidatus medicinae, gebo- Besatzungsbehörden am 13. Mai 1946 die 1932, Admiral im Ersten Weltkrieg; jetzt
ren 22.9.1918 in Ingersheim, und Sophie vollständige Beseitigung deutscher Denk- Kupfferstraße: „Karl Wilhelm Ritter von,
Scholl, candidata medicinae, geboren mäler und Museen militaristischen Charak- Geheimer Rat, Universitätsprofessor,
9.5.1921 in Forchtenberg. Hingerichtet ters bis zum 1. Januar 1947. Als militaris- berühmter Anatom, geboren 14.11.1829
am 22.2.1943 wegen Verbreitung von Flug- tisch definiert wurden alle militärischen in Lesten, gestorben 16.12.1902 in
blättern gegen den Nationalsozialismus in Namen, Darstellungen etc., die sich auf die München.“
der Universität München am 18.2.1943.“ Zeit des Ersten Weltkrieges bezogen, also
Sowie den Professor-Huber-Platz: „Dr. Kurt auf die Zeit zwischen 1. August 1914 und ➔ Mackensenstraße: August von, 1849–
Theodor Ivo Huber, Universitätsprofessor, 11. November 1918. Das bayerische Staats- 1945, Generalfeldmarschall; jetzt Lau-
geboren 24.10.1893 in Chur (Schweiz), ministeriums für Unterrichtung und Kultus tenschlägerstraße: „Karl, Theatermeister,
hingerichtet am 13.7.1943 in München erließ daraufhin am 23. September 1946 Erfinder der Drehbühne, geboren
wegen Teilnahme an der Studentenrevolte eine Entschließung, in der es um die „Be- 11.4.1843 in Bessingen, gestorben
der Universität München am 18.2.1943.“ seitigung nationalsozialistischer und milita- 30.6.1906 in München.“
ristischer Tendenzen an Denkmälern“ ging.
Es wurde dort angeordnet, dass bis zum ➔ Immelmannstraße : Max, 1890–1916,
1. Januar 1947 „die Reinigung von milita- Kampfflieger; jetzt Mayrstraße: „Heinz.,
ristischen und nationalsozialistischen Ten- Professor und beratender Forstmann,
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