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GESCHICHTE
➔ AUF 6.564 METERN IN DEN WESTEN
Die Landsberger Straße – Von Benedikt Weyerer
Mit der Gründung Münchens im Jahr 1158 ging der Bau einer Stadtmauer einher. In westlicher Richtung
verließ beziehungsweise betrat man die junge Stadt durch das Kaufingertor, wo Zölle und Abgaben erhoben wurden.
Außerhalb des Tores führte die Neuhauser Straße nach Westen in Richtung des gleichnamigen Dorfes.
Infolge des starken Anwachsens Mün- Hochzeit des bayerischen Kronprinzen Lud- nannten Schlosserstraße, über die Rambal-
chens musste die Stadt erweitert werden wig gegen Therese von Sachsen-Hildburg- di berichtet: „Dieses engste Gäßchen
und das neue Tor der neuen Befesti- hausen – gegen, weil der Kronprinz und Münchens entstand im ersten Jahrzehnt
gungsanlagen im Westen war nun das spätere König keinerlei Anstalten machen dieses Jahrhunderts und hat seinen Namen
Neuhauser Tor, während die Neuhauser sollte, sich als anständiger Ehemann zu von dem Gewerbe eines Schlossers, das
Straße jetzt innerhalb der Stadt lag. verhalten, doch dies nur am Rande. Die anfänglich dort betrieben wurde.“ Oder die
Ausgehend vom Neuhauser Tor – seit Landstraße bis zur Erhebung des Hochufers Zweigstraße: „Der Name deutete früher an,
1792 Karlstor genannt – führte eine Land- der Isar erhielt anlässlich des Festes den dass sie erst der Teil einer Straße sei, wel-
straße in Richtung des Dorfes Moosach, Namen Bayerstraße, davor hatte sie Pasin- che noch ihrer Vollendung harrt. Diese ist
die Moosacher Straße, die seit einem ger Straße geheißen. Trotz des unerklärli- nun seit dem Sommer 1879 durchgeführt.
unbekannten Zeitpunkt als Dachauer cherweise fehlenden „n“ sollte die Straße Die ursprünglich vom Volke gewählte Be-
Straße bekannt wurde. Die Trasse der als Weg aus der Stadt zum Festgelände die nennung war seit (…) 1875 amtlich.“ Und
Straße nach Neuhausen wurde später neue Einheit aller Bayern in ihrem Namen dann noch die Adolf-Kolping-Straße, be-
zur Karl- und Blutenburgstraße und die tragen. Denn 1806 war Bayern vom Kur- nannt aber erst 1946 nach dem dortigen
heutige Landsberger Straße hieß bis fürstentum zum Königreich aufgestiegen Heim für Lehrlinge: „Diese einst ganz enge
1877 Friedenheimer Hauptstraße. und verzeichnete damit den enormen Zu- und dunkle Lokalität hieß ursprünglich
wachs von 144 Prozent an Fläche in Schwa- (…) als Sackgasse ,Schwarzwinkel‘ und hat
Karl Graf von Rambaldi (1842–1922, ben und Franken sowie 142 Prozent an Be- ihren jetzigen Namen Schommerstraße seit
Rambaldistraße von 1930) veröffentlichte völkerung hauptsächlich protestantischen 1831 nach einem Handelsmann Mathias
im Jahr 1894 sein Buch „Die Münchener Glaubens, während der Katholizismus wei- Schommer (1769–1830), der dort ein Haus
Straßennamen und ihre Erklärung“ und aus terhin Staatsreligion blieb. Ein Ausdruck besaß. Die Änderung der Benennung er-
ihm erfahren wir viele interessante Details dieses Zuwachses war die Hochzeit der bei- folgte, weil Strolche nächtlicherweise sich
zur damaligen Zeit. Zur Benennung der den künftigen Herrscher, denn Ludwig war dort mehrmals einen obszönen Spaß er-
Landsberger Straße schreibt er: „Bildet die Katholik und Therese Protestantin. Das laubt hatten.“ Und dies scheint bereits auf
Fortsetzung der Bayerstraße in genau heutige Oktoberfest sollte als nationales das 20. und 21. Jahrhundert hinzuweisen.
west licher Richtung und endet beim Fest das Zusammenwachsen von katholi-
Hirsch garten. Die Straße hat ihren Namen, schem Altbayern und den neuen Landestei-
weil man auf derselben über Pasing, len symbolisieren und befördern. Ludwigsvorstadt und Theresienwiese
Gilching und Inning nach Landsberg, der
alten oberbayerischen Grenzstadt am Lech, Die Ludwigsvorstadt bestand anfangs
gelangt.“ Zur Klärung: Die Ortsangabe Ludwigsvorstadt: die Anfänge hauptsächlich aus Wiesengründen, worauf
„beim Hirschgarten“ müsste korrekt heißen der Name Landwehrstraße von 1829 indi-
„auf Höhe des Hirschgartens“, der damali- Auch wenn die Verkehrswege der Ludwigs- rekt verweist. Rambaldi: „Der Name leitet
gen Stadtgrenze auf Laimer Seite. vorstadt bald in geometrischen Verläufen sich von einem großen Wiesenstück zwi-
geplant und in Teilen auch angelegt wur- schen der heutigen Schiller- und Mathil-
den, entstand noch lange nicht eine städti- denstraße ab.“ Die Landwehr, eine Bürger-
Bayerstraße sche Bebauung. Die damaligen Straßen- wehr zur Abwehr innerer und äußerer
namen lassen dies eindrucksvoll erkennen. Feinde der Stadt, unterhielt dort ihr
Anfang des 19. Jahrhunderts bedingten Be- Der Karlsplatz läuft umgangssprachlich un- Übungsgelände. Oder die Lerchenstraße
völkerungswachstum und Industrialisierung ter Stachus, benannt nach einem Gastwirt (seit 1850 Schwanthalerstraße): „In poeti-
das Abtragen der mittelalterlichen Stadt- Eustachius Föderl, dessen Wirtshaus seit scher Erinnerung an den Vogelgesang, der
mauern und außerhalb entstanden neue Mitte des 18. Jahrhunderts an der Ecke von den duftenden Klee- und Heuhaufen
Vorstädte, beispielsweise die 1804 erstmals Sonnen- ⁄ Bayerstraße stand. Hier verkehr- der nahen Wiesen zu guter Jahreszeit in
erwähnte Ludwigsvorstadt. Nun war auch ten nicht nur Bürger aus der Stadt, sondern die Lüfte stieg.“ Hierher passten thema-
Platz für das im Jahr 1810 zum ersten Mal auch aus der entstehenden Ludwigsvor- tisch auch die Singstraße (seit 1860
abgehaltene Oktoberfest anlässlich der stadt, beispielsweise aus der um 1810 be- Schillerstraße) und die Spatzenstraße (seit
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