Page 42 - Taxikurier November 2024
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
Mitverschulden des Klägers von 25 %
Alleinhaftung des Auffahrenden bei Zweitunfall
auf der Autobahn.
Bei Anzeichen für einen Unfall muss die Geschwindigkeit
reduziert und besonders aufmerksam gefahren werden. Wer
Anzeichen für einen Verkehrsunfall auf der eigenen Fahrbahn
ignoriert und mit voller Geschwindigkeit auf die Unfallstelle
zufährt, kann keinen Schadensersatz wegen einer Kollision
verlangen. Dies hat das Landgericht Lübeck entschieden.
Ein Mercedes-Fahrer kollidierte auf der Autobahn mit einem Reh.
Sein Fahrzeug verlor hierbei einige Teile auf dem linken Fahrstrei-
fen. Dort blieben auch Teile des Rehkadavers liegen. Mehrere Mi-
nuten nach dem Unfall erreichte ein Audi-Fahrer die Erstunfallstel- Richter: Zweitunfall wurde ganz überwiegend
le. Er fuhr auf dem linken Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit durch den Audi-Fahrer verursacht
von 130 km/h. Dabei bemerkte er eine Person, die 500 Meter vor
ihm ohne Warnweste auf seinem Fahrstreifen lief. Auf Höhe dieser Nach Ansicht des Gerichts wurde der Zweitunfall damit ganz über-
Person will der Audi-Fahrer mit Teilen des Reh-Kadavers kollidiert wiegend durch den Audi-Fahrer selbst verursacht. Indem er „die
sein, wodurch erhebliche Schäden am Fahrzeug entstanden sein ausreichende Absicherungsmaßnahme durch das Warndreieck und
sollen. die Bedeutung einer betriebsfremden Person auf der Autobahn
grob missachtet hat und darauf verzichtet hat, dies zum Anlass zu
nehmen, um besonders aufmerksam zu sein, seine Fahrgeschwin-
Audi-Fahrer: Unfallstelle war nicht abgesichert digkeit deutlich zu reduzieren und sich bremsbereit zu halten, hat
er jegliche Sorgfalt außer Acht gelassen, die in der durch ihn
Der Audi-Fahrer wollte diesen Schaden vollständig ersetzt bekom- selbst vorgetragenen Ausgangslage erforderlich gewesen wäre, um
men. Die Erstunfallstelle sei bei seinem Eintreffen nicht abgesi- sich vor Schäden zu bewahren". Er habe sich schließlich „sehen-
chert gewesen und er habe seine Geschwindigkeit bis hin zur Voll- den Auges ohne sachlichen Grund selbst in Gefahr begeben". Vor
bremsung reduziert, sobald er die Person auf seinem Fahrstreifen diesem Hintergrund hielt das Gericht eine Haftung des Mercedes-
bemerkt habe. Die Versicherung der Eigentümerin des Mercedes Fahrers und der Versicherung nicht für gerechtfertigt.
lehnte das ab. Darauf versuchte der Audi-Fahrer seinen Anspruch
vor dem Landgericht Lübeck gegen die Versicherung und den (Landgericht Lübeck, Urteil vom 29.12.2023 – 9 O 1 / 22)
Mercedes-Fahrer durchzusetzen.
Gurtpflicht ist eine drittschützende Norm und nicht
Landgericht weist die Klage ab angeschnallte Fahrzeuginsassen haften bei einem Unfall mit
Das Landgericht hat die Klage des Mannes abgewiesen. Nach An-
hörung von Zeugen des Wildunfalls und der Einholung eines Sach- Gesetzliche Anschnallpflicht soll auch andere
verständigengutachtens stand für das Gericht fest, dass die Unfall- Fahrzeuginsassen schützen
schilderungen des Klägers in wesentlichen Teilen nicht zutrafen.
Zwar konnten die Schäden am Audi mit dem Zusammenstoß mit Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass Fahrzeugin-
einem Rehkadaver erklärt werden. Dies aber nur bei einer Ge- sassen, die entgegen der Gurtpflicht gemäß § 21 a Abs. 1 der
schwindigkeit von etwa 130 km/h. Auch war die Unfallstelle vor Straßenverkehrsordnung nicht angeschnallt sind und dadurch
dem Eintreffen des Audi-Fahrers nach Aussagen der Zeugen, die andere Mitfahrer verletzen, selbst haftbar gemacht werden
das Gericht für glaubhaft gehalten hat, mit einem Warndreieck können. Bei der gesetzlichen Gurtpflicht handele sich um eine
abgesichert worden. Norm, die auch die anderen Fahrzeuginsassen schützen solle.
Das durch den Verstoß gegen die Gurtpflicht begründete Mit-
verschulden tritt hier im Fall aber hinter dem ganz überwiegen-
den Verschulden des Unfallverursachers zurück.
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