Page 18 - Taxikurier August 2020
P. 18

TITELTHEMA
                                                                                                                      atelier-tacke.de
























            ➔ HITZE UND WASSER




           Im Jahr 1966 veröffentlichte die US-Gruppe „The Lovin’ Spoonful“ ihr Lied „Summer in the City“, ein Ohrwurm,
           der auch heute noch – nach über einem halben Jahrhundert – gut klingt. Aus dem Englischen übersetzt, geht es im Text
           um eine tagsüber  unerträglich heiße Stadt, in der aber gegen Abend das ausgelassene Leben an Fahrt aufnimmt.
           Schauen wir, wie das im Sommer 2020 in München aussehen könnte, welche Angebote und Möglichkeiten sich hier für
           „Urlaub daheim“ ergeben, gerade heuer, da viele Geldbeutel infolge der Pandemie weniger gut gefüllt sind als sonst.


           Das Leben auf der Erde entstand aus dem   Biergärten in der Stadt
           Wasser, noch heute sind 71 Prozent der
           Erd oberfläche von Wasser bedeckt, weswe-  Vor der Erfindung der maschinellen Kühlung             istockphoto
           gen die Erde vom Weltall aus als Blauer   mittels elektrischen Stromes im Jahr 1876
           Planet erscheint. Ohne Wasser kann es kein   durch  Carl von Linde (1842–1934, Doktor-
           Leben geben, egal in welcher Form. Ein   Carl-von-Linde-Straße von 1982) wurde
           durchschnittlicher Erwachsener verliert bei   das Bier unter der Erde in Gewölben aus
           normaler Tätigkeit pro Tag rund 2,5 Liter   Ziegeln eingelagert. Um das Bier noch zu-
             Flüssigkeit und sollte daher mindestens   sätzlich vor der sommerlichen Sonne zu
           1,5 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen, der   schützen, wurden über den Kellern Bäume
           restliche Liter ist in der festen Nahrung   gepflanzt, und zwar die mit dem dichtesten
           enthalten. Wird zu wenig getrunken, so   Laub, die Kastanien. Die Keller dienten le-
           macht sich dies durch die Einschränkung   diglich der Lagerung des Bieres, es gab kei-
           der körperlichen und geistigen Leistungs-  ne Ausschankgenehmigung. Dennoch wurde
           fähigkeit bemerkbar.              hier unten illegal Bier verkauft und dieser
                                             weit verbreitete Zustand wurde erst 1812
           Bei höheren Temperaturen – gerade im   von König Maximilian I. Joseph (1756–
           Sommer – sollte die aktiv aufgenommene   1825, Max-Joseph-Platz von 1805, Maximi-
           Menge an Flüssigkeit natürlich höher liegen  liansplatz von 1808, Max-Joseph-Straße   abfallende Blüten abdecken sollte. Spätes-
           und dies muss nicht immer in der Form von   von 1859) allerhöchst abgesegnet. Da aber   tens seit 1812 also gehören die Biergärten
           Wasser geschehen, auch wenn Wasser die   weiterhin keine Speisen verkauft werden   zu München wie der Henkel zum Masskrug
           Grundlage einer jeden Flüssigkeit ist. Ärzte   durften, brachten die Besucher der Keller   und daher erstaunt es auch wenig, dass der
           weisen darauf hin, dass eine zu geringe   ihre Speisen selber mit. Im Sommer bot es   weltweit größte von ihnen hier in der Stadt
           Aufnahme von Flüssigkeit – wer hätte    sich an, das Treiben in den Kellern nach   liegt, nämlich der Hirschgarten mit seinen
           das gedacht? – zu Durstgefühl und Mund-  oben unter die schattigen Bäume zu verle-  8.000 Plätzen. Es gibt sehr große und gro-
           trockenheit führen kann, aber auch zu   gen. Und daher stammt die kundenfreundli-  ße, oft weltbekannte Biergärten, aber auch
             geschwollener Zunge, beschleunigtem   che Sitte, dass man in den Biergärten zwar   sehr viele kleinere und wenig bekannte, die
           Herzschlag, verdicktem Blut oder sogar zu   die Getränke beim Wirt kaufen muss, sich   sich kaum alle zählen lassen. Auf alle Fälle
           Verwirrung. Ein Zuviel dagegen an Wasser   aber das Essen selbst mitbringen kann. Da-  gehören sie alle zum Münchner Lebensge-
           oder anderen Getränken ist jedoch eben-  neben ist es aber auch möglich, Essen an   fühl. Auch der Berliner Maler Max Lieber-
           falls nicht ratsam. Hier können eintreten:   Ort und Stelle zu erwerben. Außerdem soll   mann (1847–1935, Max-Liebermann-Straße
           Atembeschwerden, Krämpfe, ebenfalls   der Boden eines richtigen bayerischen Bier-  von 1947) konnte sich diesem Gefühl nicht
             Verwirrtheit und selbst Bewusstlosigkeit    gartens mit Kies bestreut sein und Kastani-  entziehen und hat es im Jahr 1884 in sei-
           bis hin zum Koma. Und damit wären wir   en den notwenigen Schatten spenden. Und   nem Gemälde „Münchner Biergarten“ per-
           auch schon beim sommerlichen Thema   Bäume ganz allgemein haben leider den   fekt eingefangen: Der Blick fällt auf einen
           „Biergarten“.                     Nachteil, dass man die Getränke gegen her-  gut besuchten Biergarten. Unter den dich-




           18 ⁄ TAXIKURIER ⁄ AUGUST 2020
   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23