Page 16 - Taxikurier April 2022
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           RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Unzulässige Nutzung eines Mobiltelefons            während der Fahrt nicht allein durch die Schwerkraft auf dem
           durch Ablegen auf Oberschenkel                     Schenkel verbleiben könne. Vielmehr bedürfe es bewusster
                                                              Kraftanstrengung, um die Auflagefläche so auszubalancieren, dass
                                                              das Mobiltelefon nicht herunterfällt. Auch dies unterfalle dem
           Ablegen auf Oberschenkel stellt „Halten” des Mobiltelefons      Begriff des Haltens.
           im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO dar

           Legt ein Autofahrer sein Mobiltelefon auf seinen Oberschenkel ab,   Vorliegen eines erheblichen Gefährdungspotentials
           so liegt ein „Halten” im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO und somit
           eine Ordnungswidrigkeit vor. Dies hat das Bayerische Oberste Lan-  Nach Ansicht des Gerichts müsse auch der Sinn und Zweck von
           desgericht entschieden. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu-  § 23 Abs. 1a StVO berücksichtigt werden, der darin liege, dass
           grunde: Einer Autofahrerin wurde in Bayern vorgeworfen, im Juni     solche nicht mit dem Führen des Fahrzeugs im Zusammenhang
           2020 verbotswidrig ein Mobiltelefon genutzt zu haben, in dem sie     stehende Verhaltensweisen vermieden werden sollen. Die Kon-
           es auf ihren rechten Oberschenkel abgelegt und dabei die Wahl-  zentration auf das Verkehrsgeschehen solle nicht beeinträchtigt
           wiederholung mit dem Finger aktiviert hatte. Sie sollte eine Geld-  werden. Durch das Ablegen des Mobiltelefons auf den Ober-
           buße in Höhe von 100 Euro zahlen. Auf den Einspruch der Auto-  schenkel liege eine solche fahrfremde Tätigkeit mit erheblichem
           fahrerin wurde sie vom Amtsgericht freigesprochen. Dagegen   Gefährdungspotential vor. Es bestehe die nicht fernliegende Ge-
           richtete sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.  fahr, dass das Telefon vom Bein rutscht und der Fahrzeugführer
                                                              darauf unwillkürlich reagiert, um dies zu verhindern. Dadurch
                                                                würde der Fahrzeugführer vom Verkehrsgeschehen abgelenkt.

                                                              (Bayerisches Oberstes Landesgericht,
                                                              Beschluss vom 10.01.2022 – 201 ObOWi 1507 ⁄ 21)


                                                              Vorrang des Linienbusses an Haltestelle setzt rechtzeitige
                                                              Anzeige gegenüber sonst bevorrechtigtem fließenden
                                                              Verkehr voraus


                                                              Fehlende Ankündigung des Einfahrens in fließenden Verkehr
                                                              führt zur Kollision mit vorbeifahrendem Pkw

                                                                            Der Vorrang eines Linienbusses an einer Halte-
                                                                            stelle nach § 20 Abs. 5 StVO setzt voraus, dass
           Verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons                       das Einfahren in den an sich bevorrechtigten
                                                                            fließenden Verkehr rechtzeitig angezeigt wird.
           Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied zu Gunsten der    Fehlt es daran und kommt es zu einem Zusam-
           Staatsanwaltschaft. Die Autofahrerin habe das Mobiltelefon ver-  menstoß mit einem vorbeifahrenden Pkw, trägt
           botswidrig genutzt und somit eine Ordnungswidrigkeit begangen.   der Linienbusfahrer dafür das Verschulden. Dies
           Das Mobiltelefon sei durch das Ablegen auf den Oberschenkel      hat das Oberlandesgericht Celle entschieden.
             gehalten worden im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO.
                                                              Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2019
                                                              kam es in Verden zwischen einem Linienbus und einem Pkw zu ei-
           Ablegen eines Mobiltelefons auf Oberschenkel       nem Verkehrsunfall als der Bus von einer Haltestelle nach links in
           stellt Halten dar                                  den fließenden Verkehr einfahren wollte. Der Fahrer des Pkw erhob
                                                              gegen das Busunternehmen Klage auf Zahlung von Schadensersatz
           Nach dem Wortsinn liege ein Halten nicht nur dann vor, so das   in Höhe von über 10.000 EUR. Zwischen den Parteien bestand
           Bayerische Oberste Landesgericht, wenn ein Gegenstand mit der   Streit darüber, ob der Busfahrer das Einfahren in den fließenden
           Hand ergriffen wird, sondern zum Beispiel auch dann, wenn der   Verkehr rechtzeitig durch den Blinker angezeigt habe. Das Land-
           Gegenstand zwischen Ohr und Schulter oder Oberschenkel und   gericht Verden nahm eine hälftige Schadensteilung vor. Dagegen
           Lenkrad fixiert wird. Zudem sei zu beachten, dass ein Mobiltelefon   richtete sich die Berufung des Klägers.






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