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Straßen- und Wegebenennungen      und Breitensport ist Massenmord“ bestätigt   Städtebauliche Entwicklung
                                             zu sehen. Tatsächlich hatte dies bei eini-
           Die Ideale der Völkerfreundschaft, des Frie-  gen von ihnen aber einen ernsten Hinter-  Am 23. August 1964 hatten bereits die Ar-
           dens und des sportlich-fairen Wettkampfes   grund und auch hier zeigte sich wieder der   beiten für die U-Bahn begonnen, allerdings
           spiegelten sich auch in den Benennungen   Anspruch Münchens für das Jahr 1972,   erst für die Linie zwischen Goetheplatz und
           der Verkehrswege auf dem Olympiagelände     einen deutlichen Kontrast zu den Spielen   Kieferngarten, die am 19. Oktober 1971 er-
           wider. Im Jahr 1971 kamen Olympiateilneh-  1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin   öffnet wurde. Nach der Vergabe der Spiele
           mer und auch zwei Teilnehmerinnen aus   zu setzen: Rudolf Harbig, Toni Merkens und   1966 beschloss der Stadtrat die bevorzugte
           verschiedenen Nationen zu Ehren:  Luz Long starben als Soldaten im Zweiten   Fertigstellung des Zubringers von der
                                             Weltkrieg (1939–1945), Werner Seelen-  Münchner Freiheit zum Olympiagelände.
           ➔  Connollystraße (James C., USA,    binder wurde als Kommunist im Zuchthaus   Dieses war bereits vorher als stadtnahes
             1865–1957, Springer, 1896 Athen,    Brandenburg enthauptet und Janusz     Erholungsgebiet geplant worden und eine
             1900 Paris)                       Kusociski als polnischer Widerstands-  Attraktion sollte der Fernsehturm werden,
           ➔  El-Thouni-Weg (Khadr El-T.,    kämpfer von der deutschen Besatzungs-  dessen Bau schon im Jahr 1965 begonnen
             Ägypten, 1915–1956, Gewichtheber,    macht bei Warschau erschossen. Hanns   und der 1968 eröffnet wurde.
             1936 Berlin);                   Braun wiederum war als Soldat bereits im
           ➔  Hanns-Braun-Brücke (Deutschland,   Ersten Weltkrieg (1914–1918) gefallen.   Eigentlich war die Eröffnung der U-Bahn
             1886-1918, Läufer, 1908 London,    Doch nun zu weiteren, positiver besetzten   dorthin frühestens für das Jahr 1974 vor-
             1912 Stockholm)                 Benennungen:                      gesehen, Pessimisten hatten sogar mit
           ➔  Helene-Mayer-Ring (Deutschland,                                    einer Bauzeit von bis zu 14 Jahren gerech-
             1910–1954, Fechterin,           ➔  Der Austragungsort der 11. Olympischen   net, nun musste die Bauzeit auf sechs
             1928 Amsterdam, 1936 Berlin)      Winterspiele 1972, das japanische Sap-  Jahre verkürzt werden. Die Arbeiten began-
           ➔  Kolehmainenweg (Johannes K.,     poro, Münchens Partnerstadt seit 1972,   nen am 10. Mai 1967 und tatsächlich
             Finnland, 1889–1966, Läufer,      erschien bereits 1971 auf dem Straßen-  konnte die neue Strecke rechtzeitig am
             1912 Stockholm, 1920 Antwerpen)   schild als Sapporobogen.        8. Mai 1972 bis zum Bahnhof Olympia-
           ➔  Kusocinskidamm (Janusz K.,     ➔  Außerdem benannte der Stadtrat 1971   zentrum eröffnet werden. Ähnlich das
             Polen, 1907–1940, Läufer,         den Coubertinplatz. Pierre de Coubertin     bereits lange geplante S-Bahn-Netz: Die
             1932 Los Angeles)                 lebte von 1863 bis 1937 und amtierte   Arbeiten begannen am 15. Juni 1966 und
           ➔  Lillian-Board-Weg (Großbritannien,   1896 bis 1925 als zweiter Präsident des   unter dem Zeitdruck der Olympiade fuhren
             1948–1970, Läuferin,              1894 wieder belebten IOC.       seit dem 28. April 1972 die ersten Züge.
             1968 Mexiko)                    ➔  Im Jahr 1975 kam dann der Brundage-  Der S-Bahnhof Olympiastadion eröffnete
           ➔  Lovelockweg (John L., Neuseeland,   platz hinzu, benannt nach dem kürzlich   am 26. Mai 1972 westlich der Landshuter
             1910–1949, Läufer,                verstorbenen Avery B. (1887–1975),   Allee und blieb bis zum 26. Juni 1988 in
             1936 Berlin)                      Präsident des IOC von 1952–1972.   Betrieb. Seitdem hat er sich zum verwun-
           ➔  Luz-Long-Ufer (Deutschland,    ➔  Und 1998 außerdem der Willi-Daume-   schenen Biotop entwickelt.
             1913–1943, Springer, 1936 Berlin)  Platz nach dem Präsidenten des Natio-
           ➔  Martin-Luther-King-Weg           nalen Olympischen Komitees (NOC) der   In ganz München und Umgebung setzte zur
             (1929–1968, Friedensnobelpreis 1964,   Bundesrepublik Deutschland der Jahre   Olympiade eine hektische Bautätigkeit ein,
             war kein  Olympiateilnehmer)      1961 bis 1992. Daume lebte von 1913   die Stadt verwandelte sich in eine riesige
           ➔  Nadistraße (Nedo N., Italien,    bis 1996.                       Baustelle. Nachdem das Bayerische Denk-
             1893–1940, Fechter) 1912, Stockholm  ➔  Und nicht zu vergessen der Hans-Jochen-   malschutzgesetz erst am 1. Oktober 1973
           ➔  Roopsingh-Bais-Weg (Indien,      Vogel-Platz von 2021 mit der hier auf   in Kraft trat, fielen dabei zahlreiche histo-
             1910–1977, Hockeyspieler,         das Thema verkürzten Namenserläute-  rische Gebäude der Spitzhacke zum Opfer.
             1932 Los Angeles, 1936 Berlin)    rung: „Dr. Hans-Jochen Vogel, geboren   Das bekannteste Beispiel dürfte das Kauf-
           ➔  Rudolf-Harbig-Weg (Deutschland,    3. Februar 1926 in Göttingen, gestorben   haus Roman Mayr am Marienplatz gewesen
             1913–1944, Läufer, 1936, Berlin)  26. Juli 2020 in München, deutscher   sein. Ohne Notwendigkeit und aus dem
           ➔  Spiridon-Louis-Ring (Griechenland,   Politiker. (…) Von 1960 bis 1972 war er   Willen des Stadtrates heraus, in München
             1873–1940, Läufer, 1896 Athen)    Oberbürgermeister der Landeshauptstadt   etwas Modernes am zentralen touristischen
           ➔  Straßbergerstraße (Josef S.,     München. Er war maßgeblich an der   Platz haben zu müssen, wurde das histori-
             Deutschland, 1894–1950,           Münchner Bewerbung für die Olympi-  sche Gebäude abgerissen und von 1969 bis
             Gewichtheber, 1928 Amsterdam,     schen Sommerspiele 1972 beteiligt. Von   1972 durch den Kaufhof ersetzt. Sein archi-
             1932 Los Angeles)                 1966 bis 1972 war Vogel Vizepräsident   tektonischer Stil ist als „Brutalismus“ be-
           ➔  Toni-Merkens-Weg (Deutschland,    der Olympia-Baugesellschaft und im   kannt und wurde typisch für viele Bauten
             1912–1944, Radsportler,             selben Zeitraum Vizepräsident des Orga-  der Olympiazeit. Andere, ähnliche Gebäude,
             1936 Berlin)                      nisationskomitees für die Olympischen   die für die Olympiade errichtet wurden,
           ➔  Werner-Seelenbinder-Weg          Sommerspiele 1972.“ Vogels SPD ge-  sind beispielsweise das Hotel Arabella
             (Deutschland, 1904–1944, Ringer,    wann die Kommunalwahl am 27. März   (1967–1970), das Hotel Hilton-Park (1969–
             1936 Berlin)                      1960, zur Wahl vom 11. Juni 1972 trat    1972), das Hotel Sheraton (1970–1972)
                                               er nicht mehr an. Sein Nachfolger wurde   oder das Restaurant Tantris an der Johann-
           Bei den Daten etlicher Sportler fällt ihre   Georg Kronawitter (1928–2016, Georg-   Fichte-Straße 7 (1971), um nur einige we-
           kurze Lebensdauer auf, so dass man ge-  Kronawitter-Platz von 2018) ebenfalls   nige zu nennen. Auf drei wichtige Baumaß-
           neigt ist, sich im Motto „Sport ist Mord   von der SPD.             nahmen sei noch hingewiesen: Am 2. März




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