Page 18 - Taxikurier April 2023
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TITELTHEMA

            ➔ DAS WERKSVIERTEL





           Kartoffelknödel, Partymeile, Kunst, Kultur – Von Benedikt Weyerer



           Der Ostbahnhof nahm am 1. Mai 1871 seinen Betrieb auf. Die Gebiete beidseitig der Gleise entwickelten sich infolge der
           günstigen Verkehrsanbindung mit der Eisenbahn schnell zu einem bedeutenden Schwerpunkt für Industrie- und Gewerbe.
           Als in diesem Zusammenhang relevante Beispiele seien genannt die Optimolwerke an der Friedenstraße 10 sowie die
             Pfanniwerke an der Grafinger Straße 6.



           Optimol
           Die Firma zur Veredelung von Mineralölen
           wurde 1920 gegründet und kaufte im Jahr
           1932 das Grundstück an der Friedenstraße
           10, damals die Nummer 7.  Der Firmenname
           setzt sich zusammen aus den lateinischen
           Worten „optimum oleum“, auf Deutsch
           „bestes Öl“. Außer Schmierstoffen entwi-
           ckelte man auch Messtechnik, um die Quali-
           tät der produzierten Öle und Fette zu er-
           höhen. Die Optimolwerke entwickelten sich
           zum Weltmarktführer für Hochleistungs-
           Schmierstoffe und boten rund 150 Mitar-
           beitern in München sowie weiteren 200   männer sollte es erst viel später geben,      Unternehmer Wolfgang Nöth (1943–2021)
           weltweit Arbeit. Die Anlagen der Optimol-  und auch das nicht überall. Damit war der   ins Spiel. Sein Konzept der Musikklubs in
           werke wurden 1992 von den Besitzern, der   Grundstein für einen Markt gelegt, den es   großen Hallen veränderte seit den späten
           Familie Maltz, verkauft, während das Grund-  bis dahin weit über die deutschen Grenzen   1980er Jahren die Münchner Nacht- und
           stück im Familienbesitz blieb. Als Optimol   hinaus noch nicht gegeben hatte, und es   Partyszene entscheidend und prägte auch
           Instruments entwickelt das Unternehmen   begann die weltweite Erfolgsgeschichte    die bundesweite Klubhallen-Kultur erheb-
           heute am neuen Stammsitz an der Flößer-  der Pfanni-Werke, die bis zu 1.200 Mitarbei-  lich mit. Nöth galt als der „Hallenmogul“
           gasse 3 Messinstrumente für Spezial-   tende zählten und Europas größter Ver-  und „Hallenkönig“ schlechthin und das
           Schmierstoffe.                    arbeiter von Kartoffeln war. Aufgrund des   leerstehende Fabrikgelände in verkehrs-
                                             immer schärfer werdenden Wettbewerbes   günstiger Lage gleich beim Ostbahnhof
                                             mit internationalen Konzernen konnte   kam ihm dabei wie gerufen. Seit 1996
           Pfanni                              Pfanni allerdings als mittelständisches     entwickelte er aus der ehemals größten
                                               Unternehmen seine Selbstständigkeit nicht     Kartoffelfabrik des Kontinents das größte
           Im Jahr 1949 gründete Werner Eckart   mehr bewahren, wurde 1993 vom Eigen-  Vergnügungsgelände Europas und zog
           (1909–1997) die Pfanni-Werke an der   tümer Otto Eckart (1936–2016) an den   mit einer Vielzahl von Diskotheken, Bars,
             Glonner Straße 2 und 6, heute Grafinger     britisch-niederländischen Riesen Unilever   Restaurants, Spielhallen, zahlreichen
           Straße 6, der Name der Marke bezieht sich –   veräußert und die Produktion im Jahr 1996   Künstler ateliers  sowie Konzerten und
           wen wundert’s – auf die Pfanne zum Braten   nach Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpom-  Flohmärkten ein Millionenpublikum an. Bis
           und Bräunen. Die rasante Erfolgsgeschichte   mern verlagert. Das Betriebsgelände blieb   zu 250.000 Personen sollen es pro Monat
             begann 1949 mit dem ersten Pfanni-Produkt,   aber in Eckarts Eigentum.   und je nach Jahreszeit gewesen sein, davon
           dem vorgefertigten Kartoffelpuffer. 1950                            rund zur Hälfte die Berühmt-Berüchtigten
           folgte die Präsentation des ersten Pfanni-                          aus der Umgebung Münchens, die sich oft
           Kartoffelknödels. Das Besondere  daran: Das   Kunstpark Ost – Kultfabrik –   erfolgreich bemühten, es in der großen
           Kartoffelpulver konnte, je nach Flüssigkeits-    Optimolwerke       Stadt richtig krachen zu lassen, sowie jede
           zugabe, sowohl als Knödel wie auch als                              Menge Touristen aus nah und fern. Nach-
             Kartoffelpuffer verarbeitet werden. Die   Nun standen ein großes und ein sehr gro-  dem Otto Eckart Ende 2002 den Pachtver-
             Produktpalette wurde bald abgerundet von   ßes ehemaliges Fabrikgelände leer und   trag für den Kunstpark Ost nicht weiter ver-
           Kartoffelpüree und Reiberdatschi und traf     warteten auf eine sinnvolle Nachnutzung,   längerte,  sondern das Gelände nach dem
           damit genau den Nerv der Zeit, nämlich die   bis sich Eigentümer, Stadtentwicklung und   bewährten Konzept selbst unter der Marke
           Vereinfachung der Kochvorgänge und damit   Interessenten auf eine endgültige Gestal-  Kultfabrik weiterbetrieb, eröffnete Nöth
           die Zeitersparnis für die Hausfrau – Haus-  tung geeinigt hatten. Und hier kam der   am 31. Januar 2003 die Optimolwerke in




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