Page 15 - Taxikurier April 2023
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um ein überdurchschnittliches Fehlverhalten handeln, das von Berücksichtigung von Toleranzabzügen bei Geschwindig-
einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt sei. Gelegentli- keitsmessung aus nachfahrendem Fahrzeug mit Stoppuhr
che Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit würden hier-
für nicht genügen. Der Angeklagte habe sich hier zwar über das
Rechtsfahrgebot hinweggesetzt, dabei habe er aber nicht bewusst Feststellung zu den Sichtverhältnissen und den die Messtrecke
oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Straßenverkehrsteil- festlegenden Autobahnkilometrierungen
nehmern gehandelt, sondern lediglich aus Unachtsamkeit, nach-
dem er sich sieben Wochen in einem Land aufgehalten habe, in Eine Geschwindigkeitsmessung aus dem nachfahrenden Fahrzeug
dem Linksverkehr herrsche. mittels einer Stoppuhr ist grundsätzlich möglich. Für eine Verurtei-
lung ist aber erforderlich, dass das Gericht Feststellungen zu den
(Oberlandesgericht Zweibrücken, Sichtverhältnissen und den die Messtrecke festlegenden Autobahn-
Beschluss vom 28.11.2022 – 2 Ss 34 ⁄ 22) kilometrierungen macht. Zudem sind Toleranzabzüge zu beachten.
Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden. In dem zu-
grunde liegenden Fall wurde ein Autofahrer im Juli 2022 vom Amts-
Auch Beifahrer darf keine Blitzer-App nutzen gericht Delmenhorst wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässi-
gen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 400 Euro und
einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Die Geschwindigkeits-
Geldbuße auch bei Nutzung einer „Blitzer-App“ messung wurde bei Nacht auf einer Autobahn aus einem nachfahren-
durch eine Beifahrerin rechtens den Polizeifahrzeug mittels einer Stoppuhr vorgenommen. Gegen die
Verurteilung richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Die Nutzung einer Blitzer-App beim Autofahren ist auch dann ver-
boten, wenn ein Beifahrer die App auf seinem Handy laufen hat.
Das entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Urteil und Unzureichende Feststellungen zur Verurteilung
wies damit die Klage eines 64-jährigen Autofahrers aus dem
Rhein-Neckar-Kreis ab. Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied zu Gunsten des Betrof-
fenen. Die Feststellungen des Amtsgerichts reichen für eine Ver-
urteilung nicht aus. Für die Zuverlässigkeit einer Stoppuhrmessung
Geldbuße für Nutzung einer „Blitzer-App“ durch Beifahrerin sei zunächst wesentlich, dass am Beginn und am Ende der Mes-
sung eindeutiger Sichtkontakt der Polizeibeamten zum überwach-
Der Mann war Ende Januar 2022 von Polizisten angehalten wor- ten Fahrzeug und den die Messtrecke festlegenden Autobahnkilo-
den, als er deutlich zu schnell durch Heidelberg fuhr, wie das metrierungen bestehe. Dazu fehlen jegliche Angaben im Urteil.
Gericht mitteilte. Als die Beamten ihn kontrollierten, habe er
das Handy seiner Beifahrerin bewusst zur Seite geschoben. Die
Polizisten entdeckten die App dennoch, das Amtsgericht Heidel- Fehlende Ausführungen zu Beleuchtungsverhältnisses, Abstand
berg verhängte deswegen eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro und Ort der Kilometrierungsschilder
gegen den Autofahrer, die der Mann aber nicht zahlen wollte.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts seien Ausführungen zu
den Beleuchtungsverhältnissen auf der nächtlichen Autobahn, zum
Nutzungsverbot gilt für alle Fahrzeuginsassen Abstand des Polizeifahrzeugs zum Fahrzeug des Betroffenen sowie
zum Ort und Beschaffenheit der Kilometrierungsschilder erforderlich.
Das Oberlandesgericht entschied nun jedoch, die Strafe sei rech-
tens. Die Straßenverkehrsordnung verbiete nicht nur einem Fahrer
die Nutzung einer App mit Blitzerwarnungen. Verboten sei auch, Berücksichtigung von Toleranzabzügen
so eine App auf dem Handy eines anderen Fahrzeuginsassen aktiv
laufen zu lassen. Zudem sei nach Ansicht des Oberlandesgericht Toleranzabzüge wegen
optischer Fehlermöglichkeiten, Fehler bei der Vermessung der Auto-
(Oberlandesgerichts Karlsruhe, bahnkilometrierungen, Fehlergrenzen der verwendeten Stoppuhr und
Beschluss vom 07.02.2023, Az. 2 ORbs 35 Ss 9 ⁄ 23) Fehler beim Stoppen der Zeit mit der Hand zu berücksichtigen. Dazu
fehlen ebenfalls jegliche Angaben im Urteil des Amtsgerichts.
(Oberlandesgericht Oldenburg,
Beschluss vom 19.12.2022 – 2 Ss OWi 183 ⁄ 22)
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