Page 19 - Taxikurier April 2023
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unmittelbarer Nachbarschaft. Bereits ein-
gerahmt von Kränen und Baggern, bäumte
sich das ge samte Areal mit all seinen Lo-
kalitäten in der Nacht zum Samstag, dem
13. Januar 2018, zum letzten Mal auf und
wurde dann Geschichte.
Private Straßennamen 2003 bis 2018
Der Eingang zum Kunstpark Ost lag an der
Grafinger Straße 6. Damit auch alle wuss-
ten, wo sie waren, begrüßte ein in Deutsch-
land übliches Ortsschild die Ankommenden:
Auf gelbem Grund mit schwarzem Rand
stand in großen Buchstaben „KULTFABRIK“
und darunter in kleinen Buchstaben „Stadt
München“. Am selben Pfosten las man
auch, wessen Reich man nun betrat, näm-
lich das Straßenschild „Wolfgang-Nöth-
Bogen“, außerdem örtlich passend „Am
Werkstor“. Im Gelände erinnerte eine Reihe
von Straßennamen an die Getränke, die
es zu kaufen gab: „Jever-Düne“, „Paulaner-
Allee“, „Tucher-Gasse“, „Smirnoff-Highway“,
„Coca-Cola-Road“ sowie „Gerolsteiner Ring“.
Die letzten beiden dienten in vielen Fällen
ver mutlich zur Tarnung und Verdünnung
beispielsweise von hochprozentigem Smir-
noff-Wodka, denn das Gelände war bekannt
für seine Flatrate-Partys, wo man für einen
im Vorfeld zu bezahlenden Festpreis trinken
konnte bis zum Umfallen. Dann gab es noch
Straßennamen, die die Kartoffel-Vergangen-
heit des Kunstparks Ost wachhielten:
„Kartoffelgleis“, „Knödelgasse“, „Kraftwerk-
gasse“, „Lokweg“, „Püreelinie“, „Reiber-
datschiweg“, „Schwemmkanal“ und „Waag-
häuslbogen“. Ein letzter Straßenname sei
noch erwähnt, der „Zündappbogen“. Die
Dynamit AG baute von 1939 bis 1941 an
der Anzinger Straße 1-3 ein Werk zum Bau Werksviertel Offizielle Straßennamen seit 2015
von monatlich 100.000 Zündern für den
Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg stellte Seitdem hat sich das Gelände zu dem ge- Verschiedene der historischen Gebäude
hier seit 1950 die Firma Zündapp Mopeds, wandelt, wie wir es heute kennen, eine stehen zwar nicht unter Denkmalschutz,
Motorroller, Motorräder und Bootsmotoren Mischung aus Hotels, Büros, Gastronomie, haben sich aber erhalten. Ansonsten gibt
her. Im Jahr 1985 geschlossen, wurden die kleineren Unternehmen, Wohnungen, Ge- es weiterhin noch als privat benannte
Maschinen auf der Sibirische Eisenbahn in schäften, Kultur und sogar einem Riesen- Erschließungsstraßen: „Am Werkstor“, das
die Volksrepublik China zu ihrem dortigen, rad. Oder in der Sprache der Makler und „Kartoffelgleis“, die „Kraftwerkgasse“,
neuen Eigentümer transportiert. Investoren: „Eine Transformation vom den „Lokweg“, die „Püreelinie“ und den
Industriestandort zum zukunftsorientierten „Zün dappbogen“. Die offizielle Vergabe von
Stadtquartier.“ Das nunmehrige Werksviertel Straßennamen durch den Stadtrat begann
umfasst 39 Hektar, von denen sich 34 Hek- bereits 2015 mit der Atelierstraße und ihrer
tar in Privatbesitz befinden und fünf Hektar Erklärung, die sich auf die vergangene wie
der Stadt München gehören, und liegt auch die zukünftige Nutzung bezieht:
zwischen der Anzinger und Rosenheimer „Atelier” stammt aus dem Französischen
Straße, der Friedenstraße und der Grafinger und bedeutet Werkstatt, Fabrikhalle. Der
Straße. Das Werksviertel mit seiner teils Begriff ist das Synonym für die Künstler-
spektakulären Architektur soll nach seiner werkstatt (Filmatelier, Maleratelier, Mode-
Vollendung rund 7.000 neue Arbeitsplätze atelier).“ Dann kam 2017 die Speicher-
schaffen sowie ungefähr 1.000 Wohnungen straße hinzu: „Gebäude zum Aufbewahren
für etwa 3.000 Bewohner bieten. von Gütern; in den Jahren zwischen 1949
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