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STADTKUNDE MÜNCHEN
➔ DIE HEIDEMANNSTRASSE UND NEUFREIMANN
Vom militärischen Schwerpunkt zur zivilen Nutzung – Von Benedikt Weyerer
Mit der Eingemeindung von Freimann am 1. Oktober 1931 kam die Militärstraße nach München, erklärt mit:
„Die Straße führt zu den Militärschießständen.“ Dieses Übungsgelände der königlich bayerischen Armee lag seit
1880 auf dem Gebiet der heutigen Gruson- und Kieferngarten-Siedlungen.
Auf dem damals noch sehr billigen Grund Nach dem bald verlorenen Krieg 1919 end- Grusonstraße
und Boden am nördlichen Stadtrand betrie- gültig stillgelegt, verlegte die Deutsche
ben darüber hinaus auch einige Hühner- Reichsbahn seit 1925 ihr Ausbesserungs- Thematisch passend zum Zweck der Ver-
und Geflügelfarmer ihr Gewerbe, wie man werk für Lokomotiven entlang der Richel- dun-Kaserne, beantragte die Wehrmacht für
aus den zeitgenössischen Stadtadress- straße hierher. Nach 1933 wurde das Werk den Haupteingang den Namen Grusonstra-
büchern erfährt. Darüber hinaus war die erneut in die Rüstungsmaschinerie einge- ße. Der Stadtrat tat ihr am 4. April 1939
Straße seit den Planungen aus den späten bunden und weiter ausgebaut, weil die diesen Gefallen mit der Erklärung: „Her-
1920er Jahren als Teil des Münchner Auto- Reichsbahn eine zentrale logistische Funk- mann Gruson, Ingenieur, Begründer der
bahnringes vorgesehen, der dann in den tion in der Kriegs- und Vernichtungspolitik Schiffswerft Buckau und der Grusonwerke,
1930er Jahren auch tatsächlich begonnen, der Nationalsozialisten spielte, und trug Erfinder des Hartgusspanzers, der Hart-
aber kriegsbedingt nicht ausgeführt wurde. seit 1941 den Titel eines „nationalsozialis- gusspanzergranate, des Schnellfeuerge-
Erhalten hat sich davon heute noch gut er- tischen Musterbetriebs“. Damit passte das schützes und anderer, auf dem Gebiete des
kennbar die Unterführung der Heidemann- Werk zur Militärstraße, an die es im Norden Wehrwesens umwälzender Hilfsmittel. Ge-
straße unter der Autobahn Nürnberg, das grenzte. Heute unter Denkmalschutz ste- boren 13.5.1821 zu Magdeburg, gestorben
geplante Autobahnkreuz München-Nord. hend, haben sich die riesige, 1942 erbaute 30.1.1895 zu Magdeburg.“ Seit 1945
Fertig gestellt wurde in den Jahren 1940 und 37.000 Quadratmeter große Lokomotiv- benutzte die US-Armee die Kaserne als
bis 1942 immerhin die dortige Autobahn- halle, die Zenithhalle, das Kesselhaus sowie Will-Barracks und der Stadtrat verkürzte die
meisterei an der Heidemannstraße 219. der ehemalige Wasserturm an der Ecke zur Erläuterung der Namens am 14. Januar
Heidemannstraße erhalten, die Straße Am 1947 zum harmloser klingenden: „Hermann
Ausbesserungswerk von 2018 erinnert an Gruson, Ingenieur, Begründer der Schiffs-
Krupp-Werke die 1995 beendete industrielle Nutzung. werft in Buckau und der Grusonwerke, ge-
boren 13.5.1821 zu Magdeburg, gestorben
30.1.1895 zu Magdeburg.“ Damit konnte
SS und Wehrmacht man sich den bürokratischen Aufwand einer
Umbenennung ersparen und die neuen Nut-
Im Rahmen der Vorbereitungen zum Zwei- zer hatten offenbar auch keine Probleme
ten Weltkrieg (1939–1945) wurde seit 1934 damit.
der Münchner Norden zu einem bedeuten-
den Militärviertel ausgebaut. Abgesehen
von den weiterhin genutzten Militärschieß- Kriegende
ständen wurde die Panzerwiese zwischen
der Schleißheimer Straße und der Ingol- Der 30. April 1945 brachte das Kriegsende
städter Landstraße als Übungsplatz für für München. Man kann sich heute noch
diese Gefährte ausgelegt. Südlich davon gut vorstellen, wie die US-Armee, von Nor-
wuchs 1934 bis 1938 die Kaserne der den kommend, nach der Besetzung des
SS-Standarte „Deutschland“ an der Ingol- Militärflugplatzes Schleißheim auf der Pan-
städter Straße 193 aus dem Boden, an der zerwiese erschien. Ein Bericht beschrieb
Durch die Eröffnung des Eisenbahn-Umge- Heidemannstraße 50 von 1935 bis 1937 die den Tag: „Im Laufe des Morgens nahm
hung Münchens im Jahr 1901 (Am Nordring General-Wever-Kaserne für die Flugabwehr amerikanische Artillerie verschiedene Ka-
von 2005) verfügte das noch ländliche und zwischen 1936 und 1937 die Verdun- sernen im Norden Münchens, besonders in
Freimann über einen Gleisanschluss (Frei- Kaserne für Panzerjäger an der Gruson- Freimann, wo sich noch immer SS-Truppen
manner Bahnhofstraße eingemeindet straße 21. und notdürftig organisierte Reste von
1931). Dieser führte während des Ersten Wehrmachts- und Luftwaffeneinheiten in
Weltkrieges (1914–1918) im Jahr 1917 zur Gefechtsstellung befanden, unter Feuer.
Eröffnung der Geschützwerke Friedrich Immer mehr Panzer kamen aus den Wäl-
Krupp entlang der heutigen Lilienthalallee. dern, während die ‚Verteidiger der Stadt‘
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