Page 10 - Taxikurier August 2023
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RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Regelmäßig Entzug der Fahrerlaubnis
           bei Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter



           Trunkenheitsfahrt begründe eine Regelvermutung für
           die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen

           Eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter begründet die Regel-
           vermutung, ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu sein.
           Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann auch hier nur in Aus-
           nahmefällen abgesehen werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt
           am Main hat auf die Sprungrevision hin das Urteil des Amtsge-
           richts aufgehoben, mit welchem die Entziehung der Fahrerlaubnis
           und die Erteilung einer Sperrfrist abgelehnt worden war.

           Der Angeklagte befuhr im Frühjahr 2022 nach Mitternacht die Nie-
           denau in Frankfurt am Main. Seine Blutalkoholkonzentration lag
           bei mindestens 1,64 Promille. Er hatte sich nach einem vorausge-
           gangenen Barbesuch, bei dem er Wodka-Soda und Bier getrunken
           hatte, spontan dazu entschlossen, für die Rückfahrt ins Europa-
           viertel einen E-Scooter zu nutzen. Das Amtsgericht hat ihn wegen
           fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Ta-    Verordnungsgebers seien auch Elektrokleinstfahrzeuge – wie
           gessätzen zu je 20 Euro und einem Fahrverbot von sechs Monaten   E-Scooter – Fahrzeuge (§ 1 eKFV) und unterlägen damit den für
           verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde dem Angeklagten nicht entzo-  sie geltenden allgemeinen Vorschriften. Es überzeuge auch nicht
           gen. Hiergegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit ihrer   der Hinweis des Amtsgerichts, dass die Benutzung eines E-Scooters
           Sprungrevision.                                    durch einen betrunkenen Fahrer andere Menschen nicht in glei-
                                                              chem Maße gefährde wie die Trunkenheitsfahrt eines Kraftfahr-
                                                              zeugfahrers. „Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers infolge
           Fahrerlaubnisentzug nach Regelvermutung            eines Zusammenstoßes mit dem E-Scooter (könne) ganz erhebli-
           des § 69 Abs. 1 S. 1 StGB gerechtfertigt           che, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursachen“,
                                                              betonte das OLG und verwies zudem auf mögliche Ausweichmanö-
           Das OLG hat das amtsgerichtliche Urteil daraufhin insoweit auf-  ver stärker motorisierter Verkehrsteilnehmer durch alkoholbedingte
           gehoben, soweit es die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Be-  Fahrfehler eines E-Scooter-Fahrers.
           stimmung einer Sperrfrist für die Neuerteilung abgelehnt hat. Die
           Fahrerlaubnis sei zwingend zu entziehen, wenn die gesetzlichen
             Voraussetzungen hierfür gegeben seien (§ 69 Abs. 1 S. 1 StGB),   Amtsgericht muss Sache neu verhandeln
             begründete das OLG die Entscheidung. Dies sei der Fall, „wenn sich
           aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen   Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis solle nicht nur verhindert
           ungeeignet ist“. Es bestehe weder Raum für ein Ermessen des Tat-  werden, dass der Täter weiterhin betrunken Kraftfahrzeuge fahre.
           richters noch finde eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Die Be-  Bezweckt werde vielmehr ganz allgemein der Schutz der Sicherheit
           gehung einer Trunkenheitsfahrt – wie hier – begründe eine Regel-  des Straßenverkehrs. Der Angeklagte habe hier durch seine gedan-
           vermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von   kenlose Nutzung eines E-Scooters in erheblich alkoholisiertem Zu-
           Kraftfahrzeugen. Nur wenn sich die Tatumstände von denen eines   stand die Katalogtat der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt erfüllt und
           Durchschnittsfalls deutlich abheben würden, könne in seltenen Aus-  sich damit grundsätzlich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahr-
           nahmen von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgewichen werden.  zeugen erwiesen. Das Amtsgericht habe nun die Sache neu zu
                                                                verhandeln und zu entscheiden, da nicht ausgeschlossen werden
                                                              könne, dass der neue Tatrichter Feststellungen treffe, die die Re-
           E-Scooter-Fahrer mit Autofahrern vergleichbar      gelvermutung hier tragfähig widerlegen könnten. Die Entscheidung
                                                              ist nicht anfechtbar.
           Derartige Gründe habe das Amtsgericht hier zu Unrecht angenom-
           men: Der Umstand, dass der Angeklagte nicht Auto, sondern   (Oberlandesgericht Frankfurt am Main,
           E-Scooter gefahren ist, sei unerheblich. Nach der Wertung des   Urteil vom 08.05.2023 – 1 Ss 276 ⁄ 22)






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