Page 27 - Taxikurier August 2023
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Indes bat der Gasteig-Chef Max Wagner um ger Autos gemessen. Von der Einfahrt in Sendlinger-Tor-Platz auf eine Spur reduziert
Auflösung seines Vertrages zum 1. Novem- die Straße (vom Goetheplatz kommend) bis war. Die dortigen Arbeiten gingen, wovon
ber 2023, und die Stadtratsfraktion ÖDP ⁄ über die Ampel am Kapuzinerplatz maß er sich Schrotti höchstselbst mehrmals über-
München-Liste ließ mit dem Vorschlag auf- Zeiten zwischen 4:15 bis 5:12 Minuten, zeugen konnte, im München-typischen
horchen, den Gasteig gleich ganz an den wobei der Rückstau zur genannten Mittags- Tempo voran, also immer wieder mal tage-
Freistaat Bayern zu verschenken. Aber so zeit bei Sommerwetter „nur” etwa 300 Me- lang gar nicht, dann mal ein bisserl, und
blöd, schätzt der Schreiber, ist nicht mal ter lang war. Ist die ganze 480 Meter lange letztendlich kam zwischen der Fliegen-
die Söderei, sich neben dem im Ansatz Straße (benannt übrigens nach dem Arzt
gescheiterten teuren Rohrkrepierer namens Franz Xaver Häberl, 1759–1846) dicht, was
Konzertsaal (im Werksviertel) und dem im Berufsverkehr vorkommen soll, ist also
Milliardengrab der Zweiten Stammstrecke nur für dieses Teilstück der gesamten Um-
noch eine dritte tickende Bombe ans Bein leitungsstrecke mit sieben bis acht Minu-
zu binden. Ganz abgesehen davon will der ten vertaner Zeit im Dauerstau zu rechnen.
Schreiber, der im großen Saal des Gasteig Und die Ampelschaltung am Kapuzinerplatz
bei bestem Klang schon die Jazzer Gerry wurde offensichtlich auch nicht geändert,
Mulligan, Oscar Peterson und Al Jarreau um wenigstens so die Häberlstraße schnel-
live genießen konnte, die unfassbaren ler zu „entleeren”. Wenn man seitens der
Renovierungskosten nicht einsehen. Das Stadt diese Dauerkatastrophe verhindern
Haus ist keine 40 Jahre alt, nicht einsturz- wollte, böte sich diese Lösung an: ab der
gefährdet, und es regnet auch nicht rein. Kreuzung Lindwurm-Kapuziner halbrechts
Angeblich soll die Akustik nicht den aller- in die Adlzreiterstraße (vorübergehend Ein-
höchsten Ansprüchen genügen – ja und? bahnstraße Richtung Zenettiplatz) und
Dann sollen sich die Hohepriester des dann bevorrechtigt nach links in die Tum-
feinen Klanges, nicht selten im Alter zwi- blingerstraße zum Kapuzinerplatz. Und dort
schen Einbalsamierung und Wiederauferste- existiert sogar (noch) ein ampelfreier
hung befindlich, doch bessere Hörgeräte Rechtsabbieger Richtung Baldeplatz! Aber
kaufen! Oder nach Hamburg fahren, dessen das wäre zu einfach und würde doch glatt
komplett neu gebaute Elbphilharmonie bei so etwas wie eine Rücksichtnahme gegen-
der Fertigstellung 2016 (statt 2010) mit über den Autofahrern bedeuten. Lieber lie- straße und „Piano Hirsch” auf höchstens
866 Millionen Euro (statt geplanter 77) im- ßen sich unsere grünroten Stauproduzenten 20 Meter ein verbreiterter Gehweg mit
merhin noch teurer war als die derzeitigen freiwillig und ohne mit der Wimper zu zu- einem noch üppigeren Radweg heraus. Das
Sanierungs- Varianten des Gasteig. Wie cken als weiß Gott was beschimpfen, bevor war’s. Sonst nix. Und weils gerade so schön
kann denn da schon eine „Grundsanierung” sie den Autofahrern ein bisserl sinnlose ist, schauen wir uns noch schnell den Gie-
(Renovierung) über 600 Millionen kosten? Standzeit ersparen würden. Alles sehr um- singer Berg an. Denn der Stadtrat hat am
Goldene Wasserhähne, oder was? weltfreundlich! Übrigens, wenn’s jemanden 21. Juni beschlossen, dass die Martin-
interessiert: die Teilsperrung der Kapuziner- Luther-Straße schon ab Herbst 2023 vor-
straße gibt es deshalb, weil hier drei priva- läufig für ein Jahr auf je eine Fahrspur
KAPUZINERSTRASSE te (!) Baumaßnahmen (Haus-Neubauten begrenzt und stattdessen mit schönen,
bzw. -Umbauten) stattfinden. Und der 2.30 Meter breiten Radwegen bemalt wird.
Der Schreiber vermag nicht zu sagen, seit Schreiber bezweifelt ausdrücklich, dass die Da steht dann zwar auch ein Linienbus im
wann die Kapuzinerstraße baustellenbe- Stadt den Firmen vorgeschrieben hat, wie Stau, aber der Bus ist bekanntlich keine
dingt nur mehr in einer Richtung vom Ka- lange deren Baukräne höchstens den Ver- Trambahn und damit (wie alles, was keine
puzinerplatz zur Lindwurmstraße befahren kehr behindern dürfen. Vielleicht kriegen Trambahn ist) mega-pfui. SPD-Stadtrat
werden darf, also in der Gegenrichtung für die sogar eine Prämie, wenn sie sich extrig Nikolaus Gradl, der nicht glauben will, dass
Autofahrer gesperrt ist. Ein Jahr wird wohl Zeit lassen. Wen würde das noch wundern. der Rückstau bis „weit hinter den Wetter-
nicht reichen. Im Internet ist nichts dazu steinplatz” reichen wird (CSU-Fraktionschef
zu finden und gemerkt hat er es sich auch Manuel Pretzl in München-TV), hält sich
nicht. Aber die Auswirkungen sind grau- LINDWURMSTRASSE ebendort sicherheitshalber ein Hintertür-
sam, denn der Umweg über (nach links) chen offen und verweist darauf, dass der
die Lindwurmstraße stadteinwärts und Wir bleiben gleich in der Gegend und Stadtrat im Falle der Unzumutbarkeit des
dann am Goetheplatz nach rechts über die widmen uns der ebenfalls nach einem Arzt Versuches „in einem Jahr die Möglichkeit
Häberlstraße zum Kapuzinerplatz ist völlig benannten (Joseph von ...) Lindwurms- hat, eine andere bauliche Maßnahme zu
ungenügend. Und damit auch wirklich alle traße. Dort plant das städtische Mobilitäts- beschließen”. Dazu ein Zitat aus Wikipedia:
im Stau landen, wurde die Zufahrt von der referat einen durchgehenden Rückbau auf „Versuch und Irrtum oder Trial-and-Error,
Lindwurm- in die Adlzreiterstraße (Rich- jeweils eine Fahrspur mit dafür auf 2,50 ist eine heuristische Methode des Problem-
tung Zenettiplatz) auch gleich gesperrt. Meter verbreiterten Radwegen. Von den lösens, bei der so lange zulässige Lösungs-
Somit bleibt also wirklich nur mehr die Hä- bestehenden ca. 400 Parkplätzen würde möglichkeiten getestet werden, bis eine
berlstraße, um in die Kapuziner (Richtung die Hälfte entfallen. Die Pläne sollen 2024 geeignete Lösung gefunden wurde. Dabei
Baldeplatz) zu kommen. Der Schreiber hat als Beschlussvorlage in den Stadtrat einge- wird oft bewusst auch die Möglichkeit von
sich mal unter der Woche mittags gegen bracht werden. Einen Vorgeschmack hatten Fehlschlägen in Kauf genommen. In der
13 Uhr mit der Stoppuhr in der Häberlstra- wir im Frühjahr über mehrere Monate, als Umgangssprache bezeichnet man diese
ße malerisch platziert und die Zeiten eini- die Lindwurmstraße stadteinwärts vor dem Vorgehensweise als ,Ausprobieren’”. ➔
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