Page 26 - Taxikurier September 2023
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RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Art. 24 der UN-Behinderten rechts konvention begründet
           keinen Anspruch auf Übernahme von Taxikosten zur
           Schülerbeförderung


           UN-Behinderten rechts konvention beinhaltet nur Zielsetzung

           Art. 24 der UN-Behinderten rechts konvention (UN-BRK) begründet     Oberlandesgericht Celle entschieden. Dem Fall lag folgender Sach-
           keinen Anspruch auf Übernahme der Taxikosten für eine Schüler-  verhalt zugrunde: Im August 2018 kam es auf einer Autobahn in
           beförderung. Vielmehr beinhalt die UN-BRK lediglich Zielsetzungen   Niedersachsen zu einem Kettenauffahrunfall infolge eines Staus.
           bzw. Absichtserklärungen. Dies geht aus einer Entscheidung des   Dabei fuhr einem VW Golf ein von hinten kommendes Fahrzeug auf.
           Ober verwaltungs gerichts Nordrhein-Westfalen hervor.  Der VW Golf wurde daraufhin auf ein vor ihm stehenden Seat Ibiza
                                                              geschoben. Im VW Golf saß als Beifahrer ein zweijähriges Kind.
           In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Verwaltungsgericht   Dieses wurde bei dem Unfall schwer verletzt und klagte unter ande-
           Arnsberg seit dem Jahr 2020 darüber zu entscheiden, ob aus Art.   rem gegen den Halter des Seat Ibiza und dessen Haftpflichtversi-
           24 UN-BRK ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Schü-  cherung auf Zahlung von Schadensersatz.
           lerbeförderung mit dem Taxi besteht. Das Gericht verneinte dies
           mit der Begründung, dass sich aus der Regelung keine unbedingte
           Rechtspflicht ergebe, Schülerfahrtkosten zu übernehmen. Die Vor-  Landgericht wies Klage ab
           schrift sei lediglich auf ein vereinbartes Ziel ausgerichtet, ohne
           eine bestimmte Art und Weise der Zielerreichung festzulegen. Die   Das Landgericht Hannover wies die Klage ab. Es sah eine Fahr-
           Kläger beantragten nachfolgend die Zulassung der Berufung.  zeughalterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG für nicht gegeben, da der
                                                              Unfall nicht bei Betrieb des Seat entstanden sei. Dagegen richtete
                                                              sich die Berufung des Klägers.
           Kein Anspruch auf Übernahme der Schülerfahrtkosten

           Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen ließ die Berufung   Oberlandesgericht bejaht Gefährdungshaftung
           nicht zu. Es teilte die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach
           sich aus Art. 24 UN-BRK kein Anspruch auf Übernahme von Schü-  Das Oberlandesgericht Celle entschied zu Gunsten des Klägers. Ihm
           lerfahrtkosten ergibt. Die UN-BRK sei ein völkerrechtlicher Vertrag,   stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
           dessen unmittelbare Anwendung nur unter bestimmten Voraus-  Der Unfall sei bei dem Betrieb des Seat entstanden, so dass die
           setzungen möglich sei. Grundsätzlich sei eine Völkervertrags-  Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG greife. Das Fahrzeug habe
           bestimmung nicht geeignet, ohne Umsetzung die innerstaatliche   seiner Fortbewegungs- und Transportfunktion als Verkehrsmittel
           Rechtsalge zu gestalten.                           gedient als sich der Unfall ereignete. Es habe insofern im Sinne
                                                                einer Mitursächlichkeit durch seinen Betrieb zu dem Unfallgesche-
           (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen,       hen beigetragen.
           Beschluss vom 26.04.2023 – 19 A 2181 ⁄ 22)

                                                              Verwirklichung des typischen Gefährdungspotentials
           Fahrzeughalterhaftung des passiv unbeteiligten
           Fahrzeugs bei Kettenauffahrunfall                  Soweit die Beklagten anführten, dass der Unfall nichts mit der
                                                              spezifischen Gefährdung eines Fahrzeugs zu tun habe, folgte das
                                                              Oberlandesgericht dem nicht. Die Gefährdungshaftung des § 7 StVG
           Verwirklichung des typischen Gefährdungspotentials    ziele gerade darauf ab, das Gefahrenpotential zu erfassen, das ent-
           durch Auffahrunfall wegen Staus                    steht, wenn sich Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr bewegen. Gera-
                                                              dezu typische risikoreiche Situationen entstehen auf Autobahnen,
           Wird bei einem Kettenauffahrunfall infolge eines Staus auf einer   auf denen viele Verkehrsteilnehmer ihre Fahrzeuge mit hohen Ge-
           Autobahn ein Beifahrer auch dadurch verletzt, dass das Fahrzeug   schwindigkeiten fahren. Entsteht sodann am Ende eines plötzlich
           auf ein weiteres Fahrzeug aufgeschoben wird, so haftet dessen   aufgebauten Staus ein Auffahrunfall, habe sich genau das Risiko
           Fahrzeughalter nach § 7 Abs. 1 StVG. Bei einem Auffahrunfall   verwirklicht, für das die Vorschrift erlassen worden sei.
             wegen eines Staus verwirklicht sich das typische Gefährdungs-
           poten tial, weswegen § 7 Abs. 1 StVG erlassen wurde. Dies hat das   (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 10.05.2023 – 14 U 56 ⁄ 21)






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