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Schlachten                        Isarvorstadt

           Vier militärische Siege, auf denen die Wit-  Wie die Maxvorstadt wird die Isarvorstadt
           telsbacher auf der richtigen Seite standen,   erstmals am 14. Dezember 1812 genannt.
           geben Straßen ihre Namen. Einmal die Tür-  Ihr Name bezieht sich auf ihre Lage zwi-
           kenstraße von 1812, deren Bezeichnung an   schen der alten Stadt und der Isar. Auf
           den Großen Türkenkrieg (1683–1699) erin-    einer Stadtkarte von 1812 wird sie noch
           nert, insbesondere an die Eroberung der   als „Äußeres Angerviertel“ zum Anger-
           damals türkischen Festung Belgrad durch   viertel der Altstadt gerechnet. Ihre Grenzen
           bayerisch-österreichischer Truppen im Jahr   lagen zwischen der heutigen Zweibrücken-
           1688. Und dann 1826 zum Andenken an   straße, der Isar und der Fraunhoferstraße
           den bayerisch-französischen Krieg der Jah-  und sie ist die kleinste Vorstadt. Das be-
           re 1813 bis 1814 die Arcisstraße mit der   reits benannte Gebiet wurde erst ab 1830
           Erklärung: „Schlacht bei Arcis sur Aube in   von den Hofbankiers Simon (1787–1854)
           Frankreich 20. und 21.3.1814“, die Barer   und seinem Sohn Karl von Eichthal (1813–
           Straße: „Treffen bei Bar sur Aube in Frank-  1880, Eichthalstraße von 1945) gekauft,
           reich 26. und 27.2.1814“ sowie die Brien-  parzelliert, entwickelt und einzeln weiter-
           ner Straße: „Schlacht bei Brienne in Frank-  verkauft, daher auch seine Bezeichnung
           reich am 1.2.1814.“                 Eichthal-Anger. Die Straßen sind auf
                                             den Gärtnerplatz hin ausgerichtet und   Klenzestraße
                                               tragen die Namen verdienter Männer
           Bürgerliche                         mehrheitlich aus Architektur und Wissen-  Mit den neuen Benennungen wurden be-
                                             schaft.                           reits verstorbene Männer geehrt, die sich
           In diesem Viertel der adligen Selbstdarstel-                        um das Herrscherhaus der Wittelsbacher
           lung kamen seit 1857 auch Nicht-Adlige zu                           verdient gemacht hatten und deshalb als
           Straßenehren, sofern sie sich im Sinne des   Alte Straßennamen      Bürgerliche in den persönlichen, nicht ver-
           Adels verdient gemacht hatten. Den Anfang                           erbbaren Adel erhoben worden waren. Ein-
           machte 1857 die Schellingstraße, die auf   Auf dem Gelände existierten bereits vor   zig Leo von Klenze (1784–1864) und der
           Wunsch Königs Maximilians II. (1811–  seiner städtischen Bebauung Verkehrs-  Maler Peter von Cornelius (1783–1867) er-
           1864) entstand, benannt nach dem königli-  wege, die auf das ursprüngliche Gewerbe   lebten noch ihre Erhebung zu Straßenehr-
           chen Lieblingsphilosophen Friedrich Schel-  hinweisen. So bezieht sich die Kohlstraße   en, und zwar 1830 auf Befehl von König
           ling (1775–1854). Davor hatte sie seit   auf die dortigen Gärtnereien, die Morassi-  Ludwig I. Klenze, der langjährige Lieblings-
           1812 Löwenstraße nach dem bayerischen   straße auf eine gleichnamige, etwas un-  architekt des Königs, bedankte sich umge-
                              Wappentier ge-  durchsichtige Gastwirtschaft und die Bad-  hend: „Allerdurchlauchtigster Großmäch-
                              heißen. Auf eine   straße, 1877 zur Baaderstraße veredelt,   tigster König! Allergnädigster König und
                              ähnlich verwor-  auf ein entsprechendes Etablissement.    Herr! Eurer Majestät sehe ich mich ver-
                              rene Vergangen-  Die Buttermelcherstraße verweist auf dort   pflichtet, für die hohe Gnade und Auszeich-
                              heit blickte die   ansässige Milch waren-Händler und passte   nung zu danken, welche Allerhöchstdiesel-
                              Gabelsberger-  später gar nicht mehr zu den „guten“   ben meinem Namen durch die Benennung
                              straße: Seit     Adressen, wie folgendes, untertänig formu-  einer neuen Straße nach demselben ge-
                              1812 als Lud-  liertes Gesuch vom 24. Juni 1907 an den   währt haben. Als Künstler habe ich solche
                              wigstraße nach   Magistrat zeigt. Die sich als etwas Besse-  Auszeichnung bei meinen Lebzeiten noch
                              König Ludwig I.   res vorkommenden Hausbesitzer schrieben   nicht verdient, als wahrhaft treuer Diener
                              benannt, dann   an den „hochverehrlichen Magistrat“: „Die   Eurer Majestät aber, und Ihrer schönen Be-
                              in  Kasernstraße   überaus unschöne, keineswegs einladende
                              umbenannt nach   Straßenbezeichnung ‚Buttermelcherstraße’
                              der Türkenkaser-  gehört mit zu jenem Namen, welche ge-
                              ne, erinnert sie   eignet sind, von der Einmietung in dieser
                              seit 1862 an   Straße abzuhalten. Die ehrerbietigst un-
                              Franz  Xaver G.   terzeichneten Hausbesitzer dieser Straße
                              (1789–1849),   beehren sich deshalb an hochverehrlichen
                              den Erfinder   Stadtmagistrat die ehrerbietigste Bitte
                                einer Schnell-  zu stellen: Dieser Straße gütigst einen
           schrift. Neben anderen sei nur noch die   klangvollen Namen zu erteilen. Indem die
           Schraudolphstraße von 1867 erwähnt, be-  unterzeichneten Hausbesitzer der Butter-
           nannt nach Johann von S. (1808–1879),   melcherstraße ihrer Bitte gütigst zu will-
           der im Auftrag Ludwigs I. im ganzen   fahren ersuchen, geharren Ehrerbietigst
             Königreich Kirchen ausmalte, in München   nachverzeichnete Hausbesitzer: Friedrich
           etwa die Basilika des Klosters Sankt   Schneider, Schlossgutsbesitzer in Mün-
             Bonifaz, einer Gründung des Königs und   chen, Buttermelcherstrasse 6, (...)“ Wie
           seine eigene und seiner Frau Therese   wir Nachgeborenen jetzt wissen, blieb das
           (1792–1854) Grablege.             Gesuch erfolglos.




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