Page 27 - Taxikurier Oktober 2023
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recht kompakt

            VERKEHRSRECHT

            DIE FREISTELLUNGSVERORDNUNG –

            MANCHES IST VOR ALLEM POLITISCH BEGRÜNDET



              Aufgrund der Freistellungsverordnung zum PBefG    14. Beförderungen durch die Polizei mit eigenen Kraftfahrzeugen
              müssen die Betreiber der freigestellten Verkehre keinerlei   15.  die Mitnahme von umziehenden Personen in besonders für
              Pflichten, welche sich aus dem PBefG ergeben, erfüllen.   die Möbelbeförderung eingerichteten Fahrzeugen
              Ins besondere gilt, dass sie keiner Genehmigung bedürfen,   16.  Personen in Kraftfahrzeugen, die zur Leichenbeförderung
              die Fahrer noch nicht mal eine Fahrerlaubnis zur Fahrgast-    bestimmt sind.
              beförderung nachweisen müssen.
                                                              Manches hört sich skurril an, wie die freigestellte Leichenwagen-
            Immerhin ergeben sich aus der Betriebsordnung BOKraft für drei   mitnahme, manche der Fälle, wie Genehmigungsfreiheit bei
            der freigestellten Verkehrsformen, nämlich den Schüler-, Behin-  Streitkräfte- und Polizeibeförderungen, sind auch recht logisch.
            derten- und Kindergartenverkehr einige Gleichstellungen mit den   Richtig ärgerlich wird es bei den Schüler-, Behinderten- und
            PBefG-Verkehren (bspw. jährliche Hauptuntersuchung des Fahr-    Kindergartenfahrten, bei denen über die Freistellungsverordnung
            zeuges), aber auch nur dann, wenn dabei Kraftfahrzeuge einge-  Fahrer eingesetzt werden dürfen, die noch nicht mal eine Fahr-
            setzt werden, die nach Bauart und Ausstattung zur Beförderung   erlaubnis zur Fahrgastbeförderung haben. Sehr kritisch ist, dass
            von mehr als sechs Personen (inkl. Fahrzeugführer) geeignet und   ausgerechnet besonders schützenswerte, weil weitgehend sorge-
            bestimmt sind. Lassen Sie uns erst mal die ewig lange Liste von   bedürftige Personen Amateuren überlassen werden.
            Befreiungsfällen ansehen:
                                                              Warum gibt es überhaupt die 1962 eingeführte Freistellungs-
            1.   Beförderungen mit Kraftfahrzeugen außerhalb öffentlicher   verordnung in dieser Form? Nach der Ermächtigungsnorm
               Straßen und Plätze im Sinne des StVG           (§ 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG) dürften nur bestimmte Beförderungs-
            2.   Beförderungen mit Kfz in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit  fälle, die im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht besonders ins
            3.   Beförderungen mit Pkw, die nach ihrer Bauart und Ausstat-    Gewicht fallen, von den Vorschriften des PBefG befreit werden.
               tung zur Beförderung von nicht mehr als sechs Personen   Fakt ist aber, dass insbesondere der Schülerverkehr Umfänge
               (inkl. Fahrzeugführer) geeignet und bestimmt sind, es sei     erreicht, die natürlich auch im Rahmen des Gesamtverkehrs
               denn, dass für die Beförderung ein Entgelt zu entrichten ist    deutlich ins Gewicht fallen. Nun, jedwedes Anrennen der
            4.   Beförderungen von Berufstätigen mit Kfz zu und von ihrer   Taxi- und Mietwagenverbände über viele Jahrzehnte war ergeb-
                 Eigenart nach wechselnden Arbeitsstellen, insbesondere   nislos. Eindeutige Feststellung: Hier obsiegt politisches Kalkül
                 Baustellen, sofern nicht ein solcher Verkehr zwischen gleich-  („Schülerverkehr muss billig durchgeführt werden“) über die
               bleibenden Ausgangs- und Endpunkten länger als ein Jahr     Argumente der Sicherheit der Beförderten und die rechtlichen
               betrieben wird                                 Voraussetzungen werden einfach unter den Teppich gekehrt.
            5.   Beförderungen von Berufstätigen mit Kfz zu und von Arbeits-
               stellen in der Land- und Forstwirtschaft
            6.   Beförderungen mit Kfz durch oder für Kirchen oder sonstige
               Religionsgemeinschaften zu und von Gottesdiensten
            7.   Beförderungen mit Kfz durch und für Schulträger zum und
               vom Unterricht
            8.   Beförderungen von Kranken zum Zwecke der Beschäftigungs-
               therapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken durch
                 Krankenhäuser oder Heilanstalten mit eigenen Kfz
            9.   Beförderungen von Berufstätigen mit Pkw von und zu ihren   Der Autor:
               Arbeitsstellen                                 Rechtsanwalt Thomas Grätz
            10.  Beförderungen von körperlich, geistig oder seelisch   ist seit über 30 Jahren mit
                 behinderten Personen mit Kfz zu und von Einrichtungen,      Personenbeförderungsrecht
               die der Betreuung dieses Personenkreises dienen  befasst und war Geschäftsführer
            11.  Beförderungen von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber    vom  damaligen Taxi-Bundes-
               zu betrieblichen Zwecken zwischen Arbeitsstätten desselben   verband BZP.  Bekannt ist auch
               Betriebes                                      sein PBefG- Standardwerk
            12.  mit Kfz durch oder für Kindergartenträger zwischen      „Fielitz ⁄ Grätz“.
               Wohnung und Kindergarten (bei den Fällen 4 bis 12 fällt
               die Freistellung allerdings weg, wenn von den Beförderten
               ein Entgelt zu entrichten ist)
            13.  Beförderungen durch die Streitkräfte mit eigenen Kraftfahr-
               zeugen






                                                                                       OKTOBER 2023 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 27
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