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als Nichtsnutze erarbeiteten und finan- entstand und damit das Zeitalter der Eisen- sche Schwerpunkt der Stadt, in Neuhausen
zierten. Als Alternative zu dieser Umge- bahn im Münchner Westen in Richtung die Max-II-Kaserne zwischen Dachauer
hungsstraße diente die südlich parallel Augsburg begann. Die Holzkonstruktion Straße und Kasernstraße von 1883, seit
verlaufende Blutenburgstraße, auf der der brannte bereits 1847 ab, vermutlich durch 1905 die Leonrodstraße. Seit der Zerstö-
gesamte Personen- und Warenverkehr zwi- Brandstiftung durch Spediteure, die Waren rung im Krieg steht heute eine Wohnsied-
schen München und dem Dorf abgewickelt mit ihren Pferden auf den Straßen trans- lung auf dem Gelände. Außerdem 1862 das
wurde. Das Befahren der Nymphenburger portierten und nun um ihre Einkünfte Zeughaus, das militärische Lagerhaus, an
Straße zwischen der Residenz und dem bangten. Aber da gehörte das Marsfeld der Lothstraße Ecke Dachauer Straße, die
Schloss blieb nämlich bis 1806 dem Adel schon nicht mehr zu Neuhausen. Seit 1858 Artillerie-Fabrik 1866 entlang der Dachauer
vorbehalten. Ursprünglich hieß die Bluten- verkehrte die Bayerische Ostbahn durch das Straße gegenüber der Max-II-Kaserne, 1868
burgstraße Neuhauser Fahrtweg und dann Dorf in Richtung Landshut, ihre Trasse wur- die Militär-Reitschule an der Albrechtstra-
zwischen 1794 und 1877 Marsfeldweg, de dann 1892 nach Westen um den Schlos- ße, 1872 das Garnisons-Lazarett an der
denn das Marsfeld gehörte damals bis 1846 spark Nymphenburg herum verlegt. Was gleichnamigen Straße (heute Deutsches
noch zu Neuhausen, bevor es zur Maxvor- blieb, war die Fabrikstraße, deren Name Herzzentrum) sowie 1888 die Garnisons-
stadt kam. bereits 1866 entstand und die seit 1892 Verwaltung an der Lazarettstraße 4. Als
schnurgerade auf der Trasse der ehemaligen Exerziergelände diente das Oberwiesenfeld,
Ostbahn verlief. Im Jahr 1902 erhielt sie der heutige Olympiapark. Dafür waren nicht
Schulen den Namen Landshuter Allee. Noch heute nur viele Zivilangestellte nötig, sondern
kann man am Bürokomplex des Arnulfbo- auch die Wehrpflichtigen zählten nach Tau-
Am 23. Dezember 1802 wurde im Kurfürs- gens, der im 90-Grad-Bogen die Arnulf- senden. Deren militärische Vorgesetzte er-
tentum Bayern die allgemeine Schulpflicht straße mit der Landshuter Allee verbindet, laubten ihnen als Ventil für ihre Wut und
eingeführt. Alle Kinder zwischen sechs und die Abzweigung zur Ostbahn erkennen. Die ihren Frust angesichts ihres elendigen und
zwölf Jahren waren davon betroffen und Bezeichnung der Fabrikstraße bezog sich schikanierten Daseins, sich in ihrer knap-
weil ihre Eltern Schulgeld zahlen mussten, auf die Lokomotivfabrik Krauss & Co., pen Freizeit abzureagieren. Dadurch ent-
wurde diese Verpflichtung häufig umgan- heute die Mercedes-Benz-Niederlassung, standen in Neuhausen zahlreiche Kaschem-
gen, wo immer es ging, insbesondere in die von 1866 bis 1933 hier in Neuhausen men und Etablissements, deren Angebote
einem armen Dorf wie Neuhausen. Für alle produzierte. Westlich der Donnersberger- manchen Hafenstädten zu fragwürdiger
Kinder von zwölf bis 18 Jahren war darüber brücke entstand entlang der Richelstraße Ehre gereicht hätten.
hinaus der Besuch der Sonntagsschule zur seit 1871 die Centralwerkstätte der König-
religiösen Erziehung vorgeschrieben. lich Bayerischen Staatseisenbahnen, die Erst nach der Eingemeindung entstand
Die Schulpflicht bedeutete also, dass die bis zu 2.000 Mitarbeiter beschäftigte. dann im Jahr 1900 das notwenige Kriegs-
Kinder weniger Zeit für die Arbeit auf dem Seit 1927 verlegte die nunmehrige Deut- gericht plus Militär- Gefängnis an der
Feld oder im Stall hatten. Im Jahr 1840 sche Reichsbahn den Betrieb schrittweise Leonrodstraße 53, heute die Freigänger-
zählte Neuhausen rund 400 Einwohner, nach Freimann und heute steht auf dem Abteilung der Justiz-Vollzugsanstalt Mün-
deren Kinder vom Dorfschmied unterrichtet Gelände unter anderem die Direktion der chen-Stadelheim. Folgende Straßennamen
wurden. 1866 entstand das erste Schulhaus Bundesbahn. Die Belegschaft dieser beiden bezogen sich zur Zeit der Eingemeindung
der Gemeinde an der heutigen Volkart- Betriebe wohnte meist nahe am Arbeits- 1890 auf militärische Gegebenheiten: Aus
straße 4 für 88 Kinder, die in einer Klasse platz und dafür entstanden bereits vor der dem Kasernweg von 1860 wurde 1883 die
zusammengefasst waren. Auf dem 1902 Eingemeindung in Neuhausen Mietshäuser Kasernstraße, die Lazarettstraße erhielt
benannten Rotkreuzplatz lag der Dorfwei- im städtischen Stil. Deshalb gab es bereits ihren Namen 1876, ebenso die Nördliche,
her, umgeben von einigen Häusern und vor der Eingemeindung zahlreiche Straßen, Östliche und Südliche Lazarettstraße.
Bauernhöfen. Im Jahr 1872 schüttete man deren Bebauung einen städtischen Charak- Die Nördliche wurde 1886 zur inzwischen
das Gewässer zu und errichtete dort die ter zeigte: Alfonsstraße, Arnulfstraße, aufgelassenen Rauchstraße, aus der Östli-
zweite Dorfschule für nunmehr 150 Kinder. Birkerstraße, Blutenburgstraße, Elvira- chen wurde die Lothstraße und aus der
Bald lebten fast 7.000 Menschen im Dorf, straße, Fasaneriestraße, Klarastraße, Loth- Südlichen die Thorwaldsenstraße.
darunter 316 schulpflichtige Kinder – Aus- straße, Maillingerstraße, Rupprechtstraße
druck des rapiden Wachstums, der Industri- oder Schulstraße. Ausdruck dieser Entwick-
alisierung und damit einhergehend der lung wurde später darüber hinaus auch Eingemeindung am 1. Januar 1890
Verstädterung des Noch-Dorfes. Nachdem die Eröffnung des Haltepunktes „Central-
im Jahr 1880 11.000 Menschen in Neuhau- werkstätte“ im Jahr 1895, seit 1921 Das Dorf Neuhausen, das eigentlich
sen wohnten, wurde das dritte Schulge- „Hauptwerkstätte“ und seit 1972 der heu- bereits eine Stadt war, zählte zur Zeit sei-
bäude an der Schulstraße 3 eröffnet und tige Bahnhof „Donnersbergerbrücke“. ner Eingemeindung nach München bereits
das Bürgermeisteramt, das Standesamt und 12.500 Einwohner, darunter als Zeichen
das Postamt zogen in das alte Gebäude ein. des überregionalen Zuzugs infolge der
Auf dem Weg zum Stadtviertel: Indus trialisierung zahlreiche Protestanten,
Das Militär mit ins gesamt 1.100 schulpflichtigen Kin-
Auf dem Weg zum Stadtviertel: dern. Es war damit die größte Landgemein-
Die Eisenbahn Wegen der großen freien Flächen außerhalb de in Bayern. Städtisch wurde auch das
der Stadt, aber doch nahe genug an ihr, um Grundstück an der Nymphenburger Straße
Noch lagen viele Jahre bis zur Eingemein- eventuelle innere Aufstände niederschlagen 163, das der Frauenverein vom Roten Kreuz
dung vor Neuhausen, als auf seiner Flur zu können, entstand im Münchner Nord- 1888 kaufte und dort 1892 sein großes
im Jahr 1839 der erste Münchner Bahnhof westen und Westen seit 1860 der militäri- Krankenhaus eröffnete.
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