Page 30 - Taxikurier Dezember 2024 und Januar 2025
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RECHTSPRECHUNG


            ➔ URTEILE



           Zur Haftungsverteilung für Schäden an einem Auto    LG: Auch bei parkenden Autos gilt das Straßenverkehrsrecht
           beim Parken am Hang. Hinteres Auto war für den Schaden
           verantwortlich und somit schadensersatzpflichtig   Sie sehen also: es ist sehr wichtig, zu entscheiden, ob in unserem
                                                              Fall jetzt „allgemeines Recht“ gilt, oder Straßenverkehrsrecht.
             Wer nach einem Autounfall zahlen muss, ist für Laien oft     Diese Frage beantwortet § 7 StVG: Straßenverkehrsrecht gilt, wenn
             schwer zu verstehen: „Ich habe nichts falsch gemacht und soll   ein Schaden „beim Betrieb“ eines Autos entstanden ist. Aber was
             trotzdem die Hälfte des Schadens zahlen? Warum?“ Hier ein   heißt das nun bei zwei parkenden Autos? Sind parkende Autos im
             erster Einstieg anhand eines aktuellen Falles.   Betrieb? Diese Frage hat das Landgericht Lübeck entschieden:
                                                              auch bei parkenden Autos gilt Straßenverkehrsrecht. Der hintere
           Zwei Autos sind hintereinander auf einem Parkstreifen abgestellt.   Halter haftet wegen der Betriebsgefahr. Diese gehe auch von
           Irgendwie kommt es zu einer Berührung der Fahrzeuge. Das vor-    einem parkenden Auto aus. Denn auch ein parkendes Auto beein-
           dere Auto trägt einen Heckschaden davon. Die Eigentümerin des   flusse den Verkehr und könne gefährlich sein. So haben das auch
           vorderen Autos will von dem Halter des anderen Autos den vollen   andere Gerichte und auch der BGH entschieden.
           Schaden ersetzt bekommen. Das hintere Auto sei gegen ihr Auto
           gerollt und offensichtlich nicht sicher abgestellt gewesen. Der
             Halter des hinteren Autos entgegnet, er habe den ersten Gang   Schuldfrage doch noch geklärt: Halter des hinteren Autos
             eingelegt und die Handbremse angezogen; der Schaden könne   ist für den Schaden verantwortlich
           auch durch Rückwärtsfahren des vorderen Autos entstanden sein.
           Was tatsächlich passiert ist, lässt sich nicht klären.  Wenn sich nicht mehr aufklären lässt, wie es zu dem Schaden ge-
                                                              kommen ist, müsste also der Halter des hinteren Fahrzeuges 50 %
                                                              des Schadens bezahlen – wegen der Betriebsgefahr und ganz egal,
           Verurteilung nach „normalem Zivilrecht“            ob er einen „Fehler“ gemacht hat oder nicht. Tatsächlich lief der
           oder nach dem Straßenverkehrsrecht – ein Unterschied  Fall allerdings noch ein wenig anders: es ließ sich nämlich doch
                                                              feststellen, dass das hintere Auto für den Schaden verantwortlich
           Wenn das Gericht diesen Fall nicht nach den besonderen Regeln   war: Dieses Auto sei ohne Zweifel gegen das vordere Auto gerollt.
           des Straßenverkehrsrechts, sondern nach „normalem Zivilrecht“   Anders sei der Schaden nicht vernünftig zu erklären. Das ergebe sich
           entscheiden würde, wäre die Sache klar: Die Klägerin muss be-  insbesondere aus der technischen Prüfung der Schäden sowie den
           weisen, dass der andere Fahrer „einen Fehler“ gemacht hat, der    örtlichen Gegebenheiten. Der Sachverständige habe auch bestätigt,
           zu dem Schaden geführt hat. Das kann sie nicht. Denn es ist ja   dass es möglich sei, dass sich eine Handbremse auch noch nach
             unklar, was passiert ist. Also wird die Klage abgewiesen.  Stunden lösen könne. Für das vorne parkende Auto sei der Unfall
                                                                daher unvermeidbar gewesen. Hieraus ergebe sich, dass sich die
           Ganz anders läuft die Entscheidung aber nach dem Straßenver-  Halter den Schaden doch nicht teilen müssen. Der Halter des hinte-
           kehrsgesetz. Dort gilt: Der Halter haftet grundsätzlich immer für   ren Autos zahlt den Schaden alleine. Das Urteil ist rechtskräftig.
           Schäden, die durch sein Auto entstanden sind – ganz egal, ob er
           einen „Fehler“ gemacht hat oder nicht (§ 7 StVG). Man sagt, er   (Landgericht Lübeck, Urteil vom 02.11.2023 – 14 S 113 ⁄ 22)
           haftet für „die Betriebsgefahr“. Verursacht also ein Auto einen
           Schaden, zahlt der Halter allein deshalb schon 100 % des Scha-
           dens. Sind an dem Unfall zwei Autos beteiligt, gilt das für beide.   Totes Reh allein ist kein Beweis für einen Wildunfall.
           Sie müssen sich alle Schäden teilen. Das führt zu dem bekannten   Zweifel am Wildunfall –
           Grundsatz, dass im Zweifel immer beide zu 50 % haften. In unse-  Ohne Beweise keine Entschädigung
           rem Fall würde also gelten: der Halter des hinteren Autos müsste
           50 % des Schadens bezahlen – obwohl man ihm nicht nachweisen   Eine Versicherung verweigerte ihrem Versicherungsnehmer Ent-
           kann, dass er „etwas falsch gemacht hat“! Das ist übrigens so seit-  schädigung wegen eines Wildunfalls. Das AG München gab ihr
           dem es die Straßenverkehrsordnung gibt – also schon sehr lange.   nun Recht: Der verunfallte Autofahrer sei seiner Beweispflicht
           Die dahinterstehende Idee des Gesetzes ist: ein Auto im Straßen-  nicht nachgekommen. Ein totes Reh allein sei kein Beweis.
           verkehr zu bewegen ist per se gefährlich. Wer das tun will, muss
           für daraus entstehende Schäden haften (und sich ergo versichern).   In einem Verfahren vor dem Amtsgericht München machte der
           Ähnliche Regeln gibt es beispielsweise im Bereich der Tierhalter-    Kläger gegen eine Münchener Versicherung nach einem behaupte-
           haftung (§ 833 BGB) oder der Arzneihaftung.        ten Wildunfall aus einem Kasko-Versicherungsvertrag eine Entschä-
                                                              digung in Höhe von 2.730 Euro sowie Abschleppkosten in Höhe
                                                              von 223,23 Euro geltend. Der Kläger trägt vor, er sei im März 2021
                                                              gegen 21.30 Uhr auf einer abschüssigen, ländlichen Straße bei






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