Page 12 - Taxikurier Februar 2022
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
Betreiber einer Waschanlage muss nicht immer
für Schäden am Auto zahlen
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LG Frankenthal lehnt Klage ab
Einen Fahrzeugschaden, der beim Betrieb einer Waschanlage Anspruch auf Herausgabe von Wartungsunterlagen
entstanden ist, muss der Anlagenbetreiber zwar normalerweise eines Geschwindigkeitsmessgerätes
ersetzen. Weist er aber nach, dass die Beschädigung für ihn trotz
größtmöglicher, „pflichtgemäßer" Sorgfalt nicht zu vermeiden war,
so haftet er ausnahmsweise nicht. Dann bleibt der Fahrzeughalter Verfassungsbeschwerde erfolgreich
auf seinem Schaden sitzen. Das geht aus einem aktuellen Urteil
des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hervor. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat einer
Verfassungsbeschwerde stattgegeben, der eine Verurteilung wegen
Ein Mann aus dem Rhein-Pfalz-Kreis wollte seinen SUV von außen eines Geschwindigkeitsverstoßes zugrunde lag.
reinigen lassen. In der Waschanlage wurde er von einem Mitarbei-
ter eingewiesen. Kurz vor der ersten Waschrolle wurde das auf dem Der Beschwerdeführer war Betroffener in einem Bußgeldverfahren,
Förderband laufende Fahrzeug linksseitig leicht angehoben. Die in dem ihm eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wur-
Waschanlage wurde gestoppt. Auch ein zweiter Versuch scheiterte de. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen
und der Waschvorgang wurde schließlich endgültig abgebrochen. Messgerätes des Typs PoliScan Speed M1 der Firma Vitronic. Nach-
Im rechten vorderen Bereich des SUV waren Beschädigungen zu dem seine Verteidigerin Einsicht in die Bußgeldakte erhalten hat-
erkennen. Diese Beschädigungen wollte der SUV-Fahrer von dem te, beantragte sie im Laufe des Verfahrens, zuletzt in der mündli-
Betreiber der Waschanlage ersetzt bekommen. chen Verhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich, die Überlassung
weiterer Dokumente. Gefordert wurde unter anderem die Vorlage
der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts, die
Unschuldsnachweis obliegt Waschanlagenbetreiber nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind. Das Amtsgericht lehnte
den Antrag ab und verurteilte den Beschwerdeführer wegen des
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Nach Ansicht des LG haftet Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 140 Euro. Sein
ein Waschanlagenbetreiber zwar grundsätzlich für Fahrzeugschä- bei dem Oberlandesgericht Koblenz gestellter Antrag auf Zulassung
den, die durch die Autowäsche entstanden sind. Etwas Anderes der Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
gelte nur, wenn der Kunde sich in der Anlage falsch verhalten
habe oder das Fahrzeug defekt gewesen sei. Insofern bestehe eine
gesetzliche Vermutung zulasten des Betreibers der Waschanlage. Beschwerdeführer machte Verstoß gegen Grundrechte der
Dieser müsse nachweisen, dass der Fehler nicht auf seinen Organi- Landesverfassung geltend
sations- und Verantwortungsbereich zurückzuführen sei.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der Beschwerde-
führer sowohl gegen das Urteil des Amtsgerichts als auch gegen
Keine Haftung bei Unvermeidbarkeit des Schadens den Beschluss des Oberlandesgerichts. Er machte unter anderem
geltend, die Nichtüberlassung der Wartungs- und Instandsetzungs-
Im vorliegenden Fall habe sich der Betreiber jedoch entlastet, in- unterlagen des Messgeräts sowie bestimmter Messdaten, weiter
dem er das LG davon überzeugt habe, dass der Schaden am Fahr- gefordert wurden die Falldatensätze der gesamten Messreihe
zeug trotz seiner pflichtgemäß ausgeübten Sorgfalt nicht zu ver- einschließlich der Statistikdatei und Case-List, verstoße gegen
meiden war: Die Waschanlage sei halbjährlich gewartet und täglich Grundrechte der Landesverfassung.
einer Sichtprüfung mit Testwäsche unterzogen worden, bei der
ein Mitarbeiter mitlaufe und den Vorgang beobachte. Defekte
seien dabei nicht festgestellt worden, auch nicht unmittelbar im VerfGH: „Waffengleichheit“ zwischen Bußgeldbehörde und
Anschluss an den Schadensfall. Der Betrieb sei dann auch ohne Betroffenem
weitere Vorkommnisse fortgesetzt worden. Anhaltspunkte für eine
verschuldensunabhängige Haftung des Waschanlagenbetreibers Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die Entscheidungen des
sah das LG nicht. Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts verletzten den Beschwer-
deführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2
(Landgericht Frankenthal, Urteil vom 27.10.2021 – 4 O 50 ⁄ 21) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-
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