Page 22 - Taxikurier April 2022
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pel des Grauens aufgedrückt worden war, Gedenken
vertiefte das Entsetzen. Dass die Opfer Ju-
den waren, ließ die Erinnerung an Berlin Am Haus Connollystraße 31 wurde am
1936 noch aktueller werden. IOC-Präsident 10. Dezember 1972 ein Gedenkstein mit Otl Aicher
Avery Brundage erklärte die Olympischen deutscher und hebräischer Inschrift ent-
Spiele für einen Tag unterbrochen, um der hüllt, auf dem die Namen der elf ermordeten Otl Aicher (3.5.1922 –1.9.1991) war einer
Opfer zu gedenken. Ansonsten bekräftigte Sportler aufgeführt sind. Am 27. September der prägendsten deutschen Gestalter und
er: „The games must go on!“ – „Die Spiele 1995 wurde an der Hanns-Braun-Brücke das Grafi kdesigner des 20. Jahrhunderts.
müssen weitergehen!“ Diese Entscheidung Denkmal „Klagebalken“ des international Gemeinsam mit seiner Frau Inge Aicher-
wurde weltweit äußerst kontrovers aufge- bekannten Künstlers Fritz Koenig (1924– Scholl und dem Architekten und Künstler
nommen, plädierten viele doch für den Ab- 2017) aus Landshut enthüllt, das die Max Bill gründete er 1953 die Hochschule
bruch der Wettkämpfe. Auf alle Fälle hatte Namen der 1972 Ermordeten trägt. Am für Gestaltung Ulm, wo er Dozent für
die Olympiade ihren beabsichtigten Zweck, 6. September 2017 eröffneten Israels Visuelle Kommunikation war. Für die Olym-
ein zivilisiertes Deutschland zu zeigen, ein- Staatspräsident Reuven Rivlin und Bundes- pischen Spiele in München entwickelte er
gebüßt. Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete präsident Frank-Walter Steinmeier am Ko- das gesamte visuelle Erscheinungsbild und
am 8. September 1972: „Abrupter Wandel lehmainenweg 11 ein Denkmal namens „Der gestaltete neben den Plakatmotiven alle
der öffentlichen Meinung im Ausland.“ Einschnitt“. Das Denkmal selbst ist als Ein- Piktogramme der Sport- Disziplinen sowie
Am 7. September verließ die israelische schnitt in die Landschaft des Olympiaparks das grafi sche Leitsystem. (BP)
Mannschaft mit den Särgen ihrer elf Toten gestaltet und zeigt in Filmen und mit den
München in Richtung Heimat. Am 9. Sep- Lebensläufen der Ermordeten einen Rück-
tember las man dann in der „Süddeutschen blick auf die Geschehnisse. Und es symboli-
Zeitung“: „Olympische Trotzreaktion auf siert den Einschnitt in die Geschichte der
die Morde an elf Israelis. Trauer, die sich Stadt München und auch der Olympischen
schnell verfl üchtigt. Sportler und Zuschauer Spiele allgemein, die seitdem als Hoch-
erholen sich rasch von ihrem Schock. sicherheits-Veranstaltungen stattfi nden.
München droht ein Symbol der Gefühllosig-
keit zu werden.“ Am 29. Oktober 1972
wurde eine Maschine der Deutschen Luft-
hansa gekapert, um die drei überlebenden
Attentäter, die in deutschen Gefängnissen
saßen, freizupressen. Dies gelang, aber
der israelische Geheimdienst Mossad tötete
sie später ebenso wie zahlreiche ihrer
Hintermänner.
Die Hintermänner Heute
Wie sich später herausstellte, erhielten Das Olympiagelände hat sich seit 1972
die Terroristen bei der Vorbereitung des mit seiner immer noch aufsehenerregenden
Anschlags Unterstützung durch deutsche Architektur und künstlich entstandenen
Neonazis, insbesondere durch Willi Pohl Landschaft fast mitten in der Stadt zu
(geboren 1944). Als Mitglied der „Palästi- einem Besuchermagneten ersten Ranges
nensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) und außerdem Wahrzeichen Münchens ent-
beschaffte er Waffen für Terroranschläge, wickelt. Jahr für Jahr besuchen Millionen
so auch für das Olympia-Attentat. Der Kopf von Touristen und Einheimischen die dorti-
hinter dem Anschlag und sein Planer hieß gen Sehenswürdigkeiten und Veranstaltun-
Abu Daoud (1937–2010). Anders als viele gen und betätigen sich mehr oder weniger
andere palästinensische Beteiligte fi el er intensiv sportlich, je nach Geschmack und
dem Mossad nicht zum Opfer. Als es ihm Kondition. Bei der Weitläufi gkeit des Areals
nämlich im Nahen Osten zu heiß wurde, lassen sich dabei keine genauen Zahlen
fand Daoud seit 1978 mit Unterstützung feststellen. Das Olympiagelände ist „Der
der dortigen Behörden Unterschlupf und Park der Stadt“, wie die städtische Werbung
Sicherheit in der DDR hinter ihrer Mauer. verkündet – und das zu Recht. Das gesam-
Er konnte je nach Bedarf problemlos ein- te Gebiet steht unter Denkmalschutz und
und ausreisen und für sein körperliches die Stadtverwaltung bemüht sich, den
Wohl wurde von Staats wegen ebenfalls ge- Olympiapark in die Liste des UNESCO-Welt-
sorgt, und zwar mittels „Intimkontakten kulturerbes aufnehmen zu lassen. Dazu
mit DDR-Bürgerinnen", wie man aus seiner würde dann auch der höchste Biergarten
Stasi-Akte erfährt. Das letzte Mal weilte Münchens in 564 Metern über dem Meeres-
er am 10. Dezember 1989 in Ost-Berlin, spiegel, die Olympia-Alm am Martin-Luther-
einen Monat nach dem Fall der Mauer. King-Weg 8, gehören. (BW)
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